Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
als satt bin. Die Wartecks unten haben mich nämlich genudelt wie eine Weihnachtsgans.«
»O weh, da habe ich ja ganz vergessen zu fragen, wie es der jungen Frau geht. Ist das Kind schon da?«
»Natürlich, sonst wäre ich bestimmt nicht hier. Es ging heiß her, aber wenigstens nicht umsonst, wie es zuerst den Anschein hatte. Das kleine Mädchen ist gesund, die junge Mutter verhältnismäßig munter, der junge Vater und die Großeltern sind halb närrisch vor Freude. Sie ließen nicht nach, bis ich mit ihnen im Mietauto hierher fuhr und in ihre Wohnung kam, wo sie auftischten wie zur Hochzeit. Ich habe bisher nicht gewußt, was für nette Menschen die Wartecks sind, weil Mama doch stets Klage über sie führt und so schlecht mit ihnen auskommt.«
Daß dieses an ihr liegen könnte, darauf kommst du in deiner Arglosigkeit natürlich nicht, dachte Lenore bitter. Sie sagte jedoch nichts, weil sie wußte, daß der Gatte sie doch nur der bösen Verleumdung bezichtigen würde.
Außerdem sah er so müde und abgespannt aus, daß sie nicht das Herz hatte, ihm auch noch mit einer erregenden Debatte zu kommen.
»Hast du noch einen Wunsch?«
»Nein, du hast mich ja versorgt. Warum fragst du?«
»Weil ich sonst zu Bett gehen möchte. Ich bin rechtschaffen müde.«
»Tu’s doch. Aber nein, zuerst komm einmal her, damit ich dir dein verspätetes Weihnachtsgeschenk überreichen kann.«
»Was ich natürlich prompt versäumte«, unterbrach er sie beschämt. »Es ist ohnehin nicht viel – und kommt nun noch zu spät.«
»Beruhige dich, meines auch.«
»Du bist aber auch krank.«
»Und du bist überarbeitet.«
Indes hatte sie der Nachttischschublade einen Umschlag entnommen, den sie ihm, der sich auf den Bettrand setzte, in die Hand drückte. Verständnislos drehte er ihn zuerst herum, öffnete ihn dann zögernd, und was er herauszog, waren runde tausend Mark.
»Nore, das kann ich doch nicht annehmen«, sagte er betroffen, doch sie winkte kurz ab.
»Ralf, sprich bitte nicht weiter!« warnte sie. »Ich weiß schon, was du sagen willst, doch das würde mich zutiefst verletzen.«
»Ja, aber was soll ich denn mit dem vielen Geld?«
»Erstens ist es gar nicht so viel, du bescheidener Mensch, und zweitens ist es der Grundstein zu einer Praxis.«
»Nein, Nore.«
»Ja, Ralf. Rege mich hier gefälligst nicht auf, sonst steigt das Fieber so hoch, daß das Thermometer platzt.«
Da mußte er doch lachen.
»Darauf will ich es natürlich nicht ankommen lassen, nicht als Arzt und schon gar nicht als dein Gatte.«
»Also, Kommentar überflüssig. Doch wo bleibt mein Geschenk?«
Er gab es ihr mit verlegenem Lächeln.
»Nore, es ist so wenig, aber man weiß ja gar nicht, was man dir schenken soll, weil du alles hast. Als ich jedoch das Tuch sah, stellte ich mir vor, wie gut es dich kleiden müßte zu deinem schönen Gesicht und dem goldig schimmernden Haar.«
»Herr Doktor, Sie machen ja Komplimente!« sagte sie neckend. »Das ist ja ganz was Neues!«
»Jetzt lachst du Schelm mich auch noch aus.«
»Keineswegs, ich freue mich. Das Tuch gefällt mir gut.«
»Wirklich?«
»Ganz wirklich. Nun mach, daß du ins Bett kommst, dir fallen ja vor Müdigkeit die Augen zu.«
»Zuerst noch einen Kuß. Ich finde, du bist in letzter Zeit sehr sparsam damit geworden.«
»Du dito, mein Lieber.«
Weiter kam sie nicht, weil sein Mund den ihren verschloß.
Dann stand der Mann auf, reckte die Arme und sagte froh:
»Jetzt haben wir beide doch noch Weihnacht gefeiert. Nun geh ich zu Bett und schlafe mit dir um die Wette, mein Murmeltierchen.«
Kaum daß er im Bett war, schlief er auch schon tief und fest.
Leise stand Lenore auf und schlich zur Küche, weil sie einen Heißhunger auf ein Stück Gänsebraten verspürte, der, wie sie wußte, auf dem feiertäglichen Küchenzettel stand.
Zuerst war sie enttäuscht, als sie nur noch das Gerippe vorfand, doch nachdem sie es richtig beäugt hatte, entdeckte sie daran einige Stücke Fleisch, die sie sich gut schmecken ließ. Zwar wurde ihr wieder übel, dennoch aß sie drauflos. Trank auch die halbe Flasche Bier leer und kehrte dann gesättigt ins Bett zurück.
Da es mittlerweile dunkel geworden war, knipste sie die Nachttischlampe an, rückte sie jedoch so, daß der schlafende Gatte von dem Schein nicht direkt getroffen wurde.
Ganz ruhig lag er da, das Gesicht ihr zugekehrt. Schlief so tief und auch fest wie ein Mensch, der nicht nur einen arbeitsreichen Tag hinter sich hat, sondern auch über ein ganz ruhiges Gewissen verfügt.
Und das hatte dieser Mann wohl auch, weil er fest davon überzeugt war, stets seine Pflicht zu tun, ob es sich nun um seine Kranken, seine Mutter, Schwester oder um seine Frau handelte.
*
Es war schon nach neun Uhr, als Lenore am nächsten Morgen erwachte.
In der Wohnung war alles noch still. Kein Wunder, da Frau Rosalia gewohnt war, bis mindestens elf Uhr zu schlafen, und diesen Schlaf heute wohl noch länger ausdehnte, weil sie wahrscheinlich erst nach Mitternacht von der Bummeltour zurückgekehrt war.
Lenore schaute zu Ralf hinüber, der ihr den Rücken zudrehte und immer noch fest schlief. Vorsichtig griff sie zum Thermometer, steckte es ein und war dann fünf Minuten später recht zufrieden, daß der rote Strich bis zur Zahl achtunddreißig geklettert war. Nun würde ihr Ralf weitere Bettruhe verordnen und, da er nicht zum Dienst mußte, sich um sie kümmern, wenn nicht wieder etwas Unvorhergesehenes dazwischenkam.
Doch davor sollte der Mann bewahrt bleiben, der einen Ruhetag so nötig hatte.
Als er erwachte, sah er auf die Uhr und wollte seinen Augen einfach nicht trauen.
»Schon zehn vorbei? Das ist doch kaum zu glauben! Da habe ich dich gestern ein Murmeltier genannt und bin selbst eins. Bist du schon lange wach?«
»Seit ungefähr einer Stunde.«
»Warum hast du mich nicht geweckt?«
»Sollte mir einfallen. Du hast den Schlaf doch wahrlich nötig.«
»Der mich auch wunderbar erquickt hat. Ich bin durchaus wieder zu neuen Taten gerüstet. Und wie geht es dir?«
Schon griff er nach ihrem Puls und war gar nicht zufrieden.
»Kind, du hast ja Fieber! Da wollen wir mal messen.«
»Ist bereits geschehen.«
»Wie hoch?«
»Nicht ganz achtunddreißig.«
»Das gefällt mir aber gar nicht, Nore.«
»Mir doch«, lachte sie. »Da darf ich wenigstens im Bett bleiben, was bei dem scheußlichen Wetter geradezu ein Vergnügen ist. Schau nur, wie es draußen schlackert, und hör nur, wie es stürmt. Da muß ja Himmel und Erde zusammen sein, und hier im Bett ist es so heimelig. Wenn du schlau bist, verläßt du es auch nicht.«
»Vorausgesetzt, daß man mich nicht mit Gewalt hinausjagt. Trotzdem muß ich jemand verarzten, und zwar dich, meine holde Patientin.«
»Und das wäre?«
»Erst einmal Tabletten schlucken. Helfen die nicht, kommt unweigerlich die Spritze. – Es ist hier übrigens eine Grabesstille. Ob Mama und Anka noch schlafen?«
»Wahrscheinlich.«