Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
ich doch mal nachsehen.«
Er stand auf, schlüpfte in die Pantoffeln, warf den Morgenmantel über, ging in den Korridor und klopfte dort an die Schlafzimmertür. Mußte es mehrmals wiederholen, wobei es jedes mal lauter wurde. Und endlich kam dann die Mutter an die Tür.
»Mein Gott, Ralf, du trommelst ja wie ein Wilder«, gähnte sie verschlafen.
»Was ist denn los, mußt du wieder fort?«
»Nein. Ich finde nur, daß es Zeit ist, aufzustehen, wir haben bald elf Uhr.
Wann seid ihr übrigens nach Hause gekommen?«
»Um zwei«, drang Ankas helle Stimme vom Bett aus zu ihm hin. Sehr zum Ärger der Mutter, der diese wahrheitsgemäße Zeitangabe gar nicht gefiel. »Es war einfach prima, Bruderherz.«
»Also prima«, wiederholte er, indem er an das Bett trat und die Schwester forschend betrachtete. »Wird es auch prima sein, wenn du einen Rückfall bekommst und somit kränker wirst, als du es warst?«
»Wer denkt denn daran?«
»Ich als Arzt. Aber du kannst ja weniger für deinen Leichtsinn als die Mama«, wandte er sich ihr zu, die ein Gesicht machte wie ein beleidigter Mops. »Wie konntest du nur so lange mit Anka wegbleiben?«
»Ach, Junge, sie bettelte doch so sehr.«
»Na, eben, dann laß sie mich auch um meine Behandlung anbetteln, die ich trotzdem ablehnen werde.«
»Wenn du dazu kommst«, warf Anka schnippisch ein, während die Frau Mama sie mühte, ein paar »Krokodilstränen« zu erpressen.
Und da war der Sohn wieder einmal beschämt. Er entschuldigte sich sogar für seine Heftigkeit, bevor er das Zimmer verließ.
Er ist und bleibt ein blinder Narr, dachte Lenore, die durch die geöffnete Tür alles mit angehört hatte. Aber nur, wenn es um Mutter und Schwester geht, sonst verfügt er sogar über Scharfsinn.
»Na ja«, meinte er entschuldigend, nachdem er wieder bei Lenore war. »Die Mama kann Anka eben nichts abschlagen, wie es die Mütter bei den Nesthäkchen wohl alle nicht können. Und Anka hat ja auch wirklich wenig Abwechslung.«
Habe ich etwa mehr? wäre es Lenore beinahe entfahren, und sie war froh, daß sie ihre Zunge noch gerade so meistern konnte. Denn es lag ihr gar nichts daran, einen Streit zu entfachen und den Gatten damit zu verärgern, der endlich einmal zu Hause war.
»Es ist kalt hier, ergo werde ich heizen«, erklärte Ralf, was dann auch geschah. Er heizte auch die Öfen in den beiden anderen Zimmern, schleppte unermüdlich Holz und Kohlen aus dem Keller, was sonst Lenores Arbeit war, und half der Mutter sogar beim Abwasch. Dann erschien er wieder bei Lenore, ein Tablett tragend, auf dem bei der Frühstück stand.
»So, mein Liebes, jetzt werde ich mir mal den Luxus erlauben, mit meiner holden Gemahlin im Bett zu frühstücken«, lachte er so jungenhaft froh, wie Lenore ihn überhaupt noch nicht kannte. »Setz dich auf, mein herziges Kind, der gute Onkel Doktor wird dich mit Kissen liebevoll stützen.«
»Ja, sag mal, Ralf, was hat dich in diese so ungewohnt heitere Stimmung versetzt?« fragte sie verwundert, und er lachte.
»Daß ich meine erste Privatpatientin habe, die mich so fürstlich bezahlt. Mit tausend Mark Honorar komm ich mir wie eine Kapazität vor. So, halte bitte das Tablett, damit ich mich an deine grüne Seite setzen kann. Denn grün ist das verführerische Nachtgewand, grün sind die Decken, und grün ist die Hoffnung.«
Mit einem Satz war er im Bett, stellte das Tablett in die Mitte und schmauste mit Lenore um die Wette.
»Wie ist es mit einer Zigarette – genehmigt?«
»Etwa für dich?«
»Natürlich.«
»Mein liebes Kind, ich bin Arzt.«
»Aber jetzt im Schlafanzug und somit aller Würde bar.«
Da lachte der Mann voll überschäumender Herzlichkeit.
»Na, warte nur, du keckes Persönchen, für die allerliebste Bosheit räche ich mich noch!«
»Daß ich nicht lache.«
»Wird dir vergehen, wenn ich in deinen klassisch schönen Arm pieke, wovor du doch so schreckliche Angst hast.«
»Und du willst ein barmherziger Samariter sein?«
»Warum denn nicht?«
»Recht barmherzig sein will heißen: wenden eines andern Pein – verlangt der Dichter Logau. Und was willst du tun? Dich an meiner Pein weiden. Schäm dich!«
»Wenn ich es tue, dann höchstens deshalb, weil ich so gar keine Rücksicht auf deinen Zustand nehme.«
»Wieso Zustand?« fragte sie hastig dazwischen.
»Nun, du bist doch krank.«
»Ach so.« Sie atmete auf. »Na, laß man, die Krankheit ist nicht zum Tode, sondern zur Ehre Gottes.«
»Wieder ein Zitat. Also zwingst du mich, auch damit zu kommen: Der Stunden wünsche ich mir viele, nämlich solche wie heute. Aber alle Tage ist kein Sonntag.«
*
Und dieser Sonntag sollte auch der letzte sein, den das junge Paar in Harmonie verbrachte.
Zuerst einmal mußte sich der Arzt sechs Wochen von der Gattin trennen.
Denn als er am nächsten Tag im Krankenhaus erschien, erklärte ihm der Chefarzt kurz und bündig, daß Doktor Skörsen als Leiter eines Ärztekursus angefordert worden wäre.
»Ja, mein lieber Ralf, das kommt davon, wenn man so tüchtig ist, daß man auffällt«, lachte der joviale Herr schadenfroh. »Ob Sie das nun wollen oder nicht, Sie müssen. Befehl ist Befehl. Mir ist es wahrlich auch nicht recht, daß die Wahl ausgerechnet auf Sie gefallen ist, ich werde Ihre Arbeitskraft hier sehr vermissen. So reisen Sie denn mit Gott, und zwar schon morgen früh, denn die Sache eilt.«
Mit warmem Händedruck war er entlassen.
Aber es dauerte dann doch noch Stunden, bis er aufbrechen konnte. Immer wieder kam etwas dazwischen, und so wurde es gegen Abend, bis Ralf zu Hause anlangte, wo er aber nur Lenore im Bett vorfand. Mutter und Schwester waren wieder mal unterwegs.
So bekam die junge Frau als erste die Neuigkeit zu hören, die sie so hart traf, daß sie zuerst davon wie betäubt war. Doch dann kam eine solche Verzweiflung über sie, daß sie sich an ihren Mann klammerte und anflehte:
»Geh nicht, Ralf, hörst du – geh nicht! Laß mich hier nicht so allein! Bitte, bitte, geh nicht!«
»Aber Kind, was hast du denn?« fragte er erschrocken. »Du bist ja ganz außer dir, zitterst am ganzen Körper. Wie kannst du dich nur so erregen? Du wirst wieder Fieber bekommen, was nicht sein darf. Ich würde dann beunruhigt abfahren.«
»Nur deshalb, Ralf?«
»Ja, warum denn sonst?« fragte er verwundert zurück. »Ich lasse dich doch hier in guter Hut zurück.«
»Das nennst du gute Hut?« schrie sie so jäh auf, daß er zusammenzuckte. »Wenn du fort bist und sie dich nicht mehr zu fürchten brauchen, werden sie mich so richtig in die Hand bekommen. Werden mich immer mehr peinigen und quälen mit ihren Schikanen, ihren Erpressungen um Geld. Werden mir immer mehr an Arbeit aufbürden, werden mir kaum noch etwas zu essen geben. Oh, sie sind ja so gehässig und faul, deine von dir so sehr geliebte Mutter und Schwester.«
Bis dahin hatte der Mann wie erstarrt zugehört, doch nun machte er sich mit brutalem Griff von den ihn umklammernden Armen frei. Sprang vom Bettrand auf und stand vor ihr, blaß bis in die Lippen.
»Genug, Lenore, kein Wort weiter!« gebot er scharf und schneidend. »Du bist ja ein ganz boshaftes Geschöpf, hinterhältig und verlogen! Wäre dein wahrer Charakter schon damals zutage getreten, dann hätte ich mich nimmermehr von deiner Mutter zur Heirat überreden lassen, selbst nicht um aller Dankbarkeit