Dr. Norden Jubiläumsbox 7 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
daß Allwoerden sich sehr höflich bei ihr nach Malenas Befinden erkundigt hatte mit der Anfrage, ob er sie besuchen könne, was sie aber abgelehnt hatte.
»Er will auf keinen Fall, daß sie kündigt wegen dieser üblen Geschichte, die geklärt werden müsse. Was sagen Sie dazu, Anouk?«
»Daß ihm nach dem Tod von Nadine die Furcht im Nacken sitzt. Es ist schon sehr eigenartig, daß man sie schon am Tag nach diesem Vorfall ausgeschaltet hat. Ich kann mir schon denken, auf wessen Konto das geht.«
»Sie wissen schon mehr?«
»Ich kann mir einiges zusammenreimen, da Lennarts Erinnerungsvermögen langsam Gestalt annimmt. Ich habe nur das Gefühl, daß er sich an manches einfach nicht erinnern will.«
»Welchen Eindruck haben Sie von ihm gewonnen?«
»Daß er ein warmherziger Mensch war, dessen Gutgläubigkeit ihn in diese schreckliche Situation brachte. Er ist mißtrauisch geworden, aber im Grunde seines Herzens liebenswert. Er wartet draußen übrigens auf mich.«
»Würden Sie mich mit ihm bekannt machen?«
»Gern. Er soll Menschen kennenlernen, die er nicht zu fürchten braucht. Das macht ihn sicherer, die negativen Figuren aus der Vergangenheit dort einzuordnen, wo sie hingehören und auch Zorn zu empfinden.«
Sie gingen gemeinsam hinaus. Anouk beobachtete beide, als sie einander vorgestellt wurden. Lennart war sehr höflich, aber doch zurückhaltend. Jenny nickte Anouk unauffällig zu, als sie sich verabschiedeten.
»Sie ist auch deine Freundin?« fragte Lennart.
»Nur eine gute Bekannte.«
»Du machst Unterschiede«, stellte er fest.
»Gewiß, zur Freundschaft gehört mehr. Man muß füreinander dasein, sich dem andern verbunden fühlen, auch wenn man sich lange nicht sieht. Man muß den anderen einfach so nehmen wie er ist und auch mit seinen Fehlern zurechtkommen.«
»Welche Fehler habe ich?« fragte er sofort.
»Das werde ich noch herausfinden.«
»Hat deine Freundin Fehler?«
»Sie leidet unter ziemlichen Selbstzweifeln, sie ist sich nicht gut genug.«
»Das trifft auch auf mich zu.«
»Siehst du, du fängst an, dich zu erkennen.«
Er legte seinen Arm scheu um ihre Schultern. »Du bist so vollkommen«, sagte er leise.
»Das bin ich bestimmt nicht, aber ich will gar nicht anders sein. Ich leide manchmal sehr darunter, andere besser einschätzen zu können.«
»Warum?«
»Weil es deprimierend ist, wie sehr der äußere Schein oft trügt.«
Er nickte. »Sie waren so freundlich zu mir und wollten mich umbringen, das ist mir jetzt bewußt. Deshalb will ich für immer Lennart van Eicken bleiben.«
Warum klammert er sich nur so sehr daran, ging es Anouk durch den Sinn. Was will er vor sich selbst verleugnen? Sie blickte zu ihm empor. »Ich mag dich so, wie du bist, Lennart«, sagte sie weich.
»Darf ich dich küssen?« fragte er.
Soviel Sehnsucht und Zärtlichkeit war in seiner Stimme, daß es ihr Tränen in die Augen trieb. Sie legte die Hände um sein Gesicht und sagte leise: »Ich mag dich sehr, Lennart«, aber bei seinem Kuß spürte sie, daß es viel mehr war, daß ihr Herz ihm entgegenschlug und sie nie zuvor ein solches Gefühl der Hingabe empfunden hatte. Sie wünschte sich nichts anderes mehr, als mit ihm zusammenzusein und zu bleiben, und sie waren beide glücklich, als sie eng umschlungen auf stillen Waldwegen wanderten. Sie brauchten nichts zu sagen, sie fühlten, daß sie zusammengehörten.
*
Konrad Allwoerden hatte zwei Polizeiverhören standhalten müssen und jetzt das beklemmende Gefühl, daß man ihm mißtraute. Er wußte nur zu gut, daß Mißtrauen in mancherlei Hinsicht berechtigt war, aber mit dem Tod von Nadine hatte er gewiß nichts zu tun. Sie war für ihn wichtig gewesen, der Motor, der ihn antrieb!
Aber es hatte ihn aus dem Gleichgewicht gebracht, als Inspektor Heller andeutete, daß zwischen Maleski und Nadine anscheinend eine engere Beziehung bestanden hatte. Dem hatte er heftig widersprochen, aber Heller hatte erklärt, daß er mit Sicherheit wüßte, daß Maleski und Nadine sich in dem italienischen Restaurant getroffen hatten, was Malena Steiner bezeugen könne und das wäre Nadine nicht recht gewesen.
Allwoerden konnte sich vorstellen, daß Nadine Malena deshalb außer Gefecht setzen wollte. Sie war skrupellos, wenn es um ihre Interessen ging, und je länger er über sie und Maleski nachdachte, desto klarer wurde ihm, daß Nadine ihn hintergangen hatte. Ihm wurde aber auch bewußt, daß sie ihn in der Hand gehabt hatte, daß er gar nichts gegen sie hätte unternehmen können, ohne sich selbst ganz ins Abseits zu bringen.
Sie hatte es wahrlich schlau angefangen, ihn einzuwickeln und in eine Lage zu bringen, aus der er ohne sie keinen Ausweg finden konnte.
Aber gab es überhaupt noch einen Ausweg für ihn, wenn die Polizei Nachforschungen anstellte und recherchierte, was er zu verantworten hatte? Er hatte fest mit Maleski gerechnet, mit den Millionen, die ihm versprochen waren, darauf waren all seine Pläne aufgebaut worden. Aber es waren ja Nadines Pläne gewesen. Sie hatte alles in die Wege geleitet, und diese Wege konnten für ihn nun in den Abgrund führen. Siedendheiß wurde es ihm bei dem Gedanken, daß ihn Malena ganz durchschaut haben könnte, daß Dirk Ambach bereits alles in Erfahrung gebracht hatte und ihn ans Messer liefern würde.
Er konnte nicht auf Maleski warten, nicht hoffen, von ihm das Geld zu bekommen, das ihn retten könnte. Er mußte weg, irgendwo untertauchen, weit weg von allem, was ihm zum Verhängnis geworden war. Er mußte weg sein, bevor Dirk Ambach heimkehrte.
*
Die Maschine, die Dirk Ambach von Sydney nach München zurückbrachte, landete nach einer Zwischenlandung in London um elf Uhr in Erding. Dirk wurde von niemand empfangen. Es schmerzte schon ein bißchen, als er sah, wie freudig andere Mitreisende begrüßt wurden, aber er wußte auch, daß niemand ihn erwartete.
Das Warum bohrte wie ein scharfes Messer in einer Wunde, die sich nicht schließen wollte.
Es war Sonntag und bitterkalt. Dementsprechend war wenig Verkehr in der Innenstadt, und die unentwegten Skifahrer waren längst in Richtung Österreich gefahren.
Er dachte daran, daß in vier Wochen Weihnachten war, aber eigentlich bedeutete das für ihn auch Einsamkeit. Seine Mutter lebte nicht mehr, mit seinem Vater, der wieder verheiratet war, verstand er sich nicht. Und Malena? Hinter ihrem Namen stand ein großes Fragezeichen. Was er von Konrad wußte, hatte ihm einen Schock versetzt, über den er nicht hinwegkam. Und sie hatte ihm ein Fax geschickt, daß sie keinen Kontakt mehr zu ihm wünsche. Was sollte er eigentlich noch in München? Er hatte glänzende Angebote aus dem Ausland, hätte auch in Australien bleiben können, man hätte ihn liebend gern behalten. Chancen bei Frauen hatte er ohne Ende. Aber die Enttäuschung saß bei ihm zu tief, er hatte sich geschworen, niemals mehr eine feste Bindung einzugehen, aber sich vorgenommen, Malena persönlich seine Meinung zu sagen.
Er hatte im Hotel NOVARA, das er kannte, ein Appartement gebucht. Dort konnte er wohnen, bis er alles geregelt und über seine weitere berufliche Zukunft entschieden hatte. Aber er konnte es nicht verhindern, daß er jetzt schon wieder heimatliche Gefühle bekam, als ein Taxi ihn zum Hotel brachte.
Erst einmal gut essen, dann ausruhen und überlegen, wie der morgige Tag ablaufen sollte. Ein klärendes Gespräch mit Konrad Allwoerden stand zuvorderst. Als seinen Freund Konni konnte er ihn nicht mehr betrachten nach allem, was inzwischen geschehen war. Er hatte dazugelernt und konnte vieles nicht mehr begreifen, auch nicht, wie wandelbar menschliche Charaktere sein konnten. Von seinem Freund Konni und von Malena hätte er das nicht geglaubt.
Es war seltsam, hier in München sah er plötzlich manches wieder anders. Er ließ den Taxifahrer in die Straße einbiegen, in der sich Malenas Wohnung befand,