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Wilderer und Jäger Staffel 1. Anne AltenriedЧитать онлайн книгу.

Wilderer und Jäger Staffel 1 - Anne Altenried


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Ihre streichelnden Hände glätteten die Furchen, die sich in seinem Gesicht eingegraben hatten. Und ihre sanfte Stimme dämpfte die Empörung über jene Schandmäuler, die ihm eine solche Untat zutrauten.

      »Die beste Abwehr ist das eigene gute Gewissen«, raunte sie ihm zu. »Wer von anderen schlecht denkt, taugt selber net viel. Was liegt dir also an der Meinung dieser Leutl?«

      Er schloss sie glücklich lächelnd in die Arme. »Wenn ich dich net hätt, mein geliebtes Postweiberl«, sagte er, »dann wär ich so arm dran wie jenes Rehkitz, dem der Ludl damals die Mutter weggeschossen hat.«

      Der Druck der weichen Frauenlippen verscheuchte die letzten Kümmernisse des Burschen. Die Küsse der beiden jungen Menschen wurden immer drängender, fordernder. Sie gaben sich ihren Gefühlen hin und vergaßen, dass es rundum eine Welt gab, die nicht nur gut gesinnt war.

      Wie ein Hammerschlag traf Severin die Ankündigung des Inspektors, dass ein Haftbefehl des Staatsanwalts gegen ihn ausgestellt worden war. Mit ausgebreiteten Armen stellte sich die Mutter vor ihn hin, wie eine kampfbereite Löwin, die ihr Junges verteidigt.

      »Keiner rührt meinen Severin an, der ein kreuzbraver Bub ist!«, rief sie schrill. »Da soll ein Unschuldiger herhalten, weil ihr den Schuldigen net findet.«

      Severin schob sie sanft beiseite und trat auf den Inspektor zu. »Da hat sie net unrecht, die Mutter«, sagte er. »Man will mir den Mord zuschieben, denn das todbringende Kügerl stammt aus meinem Büchsl.« Er lachte bitter auf. »Glaubt denn der Herr Staatsanwalt, ich wär so dumm und hätt den Schießprügel liegen lassen, wenn ich der Schütz wär?«

      Um die Mundwinkel des Inspektors zuckte es leicht.

      »Das hab ich dem Staatsanwalt auch zu bedenken gegeben. Doch er ist der Meinung, der Schütze könnte unmittelbar nach der Tat in einen seelischen Ausnahmezustand geraten sein, weil er kein kaltblütiger Mörder ist. Das würde auf Sie zutreffen, Mangold. Wer einen Schock erleidet, handelt nicht mit Überlegung.«

      »Sie dürfen dich net einsperren, Bub«, jammerte die Bäuerin.

      »Ich komm bald wieder frei, Mutterl«, tröstete der Sohn die verzweifelte Frau. »Der Inspektor gibt die Suche nach dem Mordbuben nicht auf.«

      »Mein Wort darauf«, sagte Wenzel mit Nachdruck.

      Severin hörte das Schluchzen der Mutter noch, als er an der Seite zweier Kriminalbeamten durch das Hoftor hinaus auf die Straße trat. Eilige Schritte hinter ihm klangen auf. Der Vater eilte auf ihn zu und drückte den Sohn an seine breite Brust.

      »Den besten Advokaten lass ich aus der Hauptstadt kommen«, versicherte der grauhaarige Bauer und hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten. »Auch wenn ich eine Hypothek aufnehmen müsst, dich holen wir heraus aus dem Gefängnis, Bub. Wir tun, was wir können.«

      »Das weiß ich, Vaterl«, sagte der Sohn gerührt. »Vergiss net, der Gundi zu sagen, dass sie sich net grämen soll. Es wird alles gut.«

      Der Vater versprach es und winkte, bis Severin in das Auto gestiegen war, das bereitstand, um ihn in die Kreisstadt zu bringen.

      Die nächsten Tage waren nicht leicht für den Bauernsohn. Ein Verhör folgte dem anderen. Dutzende Male musste er die gleichen Erklärungen abgeben, alles wiederkäuen, was ihn und den toten Ludl betraf. Raffinierte Fangfragen wurden ihm gestellt, auf die er nicht hereinfiel. Er gab nur die Wahrheit von sich und verwickelte sich deshalb nie in Widersprüche. Doch die Vernehmungen erregten ihn so, dass er in den Nächten keinen Schlummer fand und sich auf der harten Pritsche ruhelos hin und her wälzte. Zerschlagen erhob er sich bei Tagesanbruch, wusch sich, kleidete sich an und würgte lustlos das dürftige Frühstück hinunter. Im Spiegel sah ihm ein bleiches Gesicht mit dunklen Ringen unter den Augen entgegen. Und dann ging es wieder ab zum nächsten Verhör. In die Zelle zurückgekehrt, erblickte er durch das kleine vergitterte Fenster ein Fleckchen Himmel, der noch dazu während seiner Haft meistens mit dicken Wolken überzogen war. Nur die Hoffnung, dass letzten Endes doch die Gerechtigkeit siegen würde, hielt ihn aufrecht. Und die Gewissheit, dass es Menschen gab, die in Gedanken bei ihm waren.

      Auch im Jägerhäusl hatte man ihn nicht vergessen. Während Martha an einem dunstigen Morgen dicke Scheiben von der knochenharten Salami abschnitt, die als Wegzehrung für den Vater gedacht waren, fragte sie: »Hast vom Severin nix Neues gehört, Vater?«

      Der Gefragte schüttelte den Kopf und leerte seine Frühstückstasse. »Meines Wissens sitzt er allweil noch hinter Schloss und Riegel in der Kreisstadt, der arme Teufel.« Er steckte die Salami und ein Stück Brot in den Leinenbeutel, den er sich über die Schulter hing. »Eine größere Narretei kann ich mir net vorstellen, als so einen grundanständigen Menschen des Mordes zu verdächtigen.«

      Die Rothaarige räumte den Salamirest weg und nickte. »Erst neulich bin ich der Stöger-Babett gehörig übers lose Mundwerk gefahren, die behauptet hat, für einen wie den Severin wär der Strick grad gut genug.«

      Der grau melierte Weidmann lächelte die Tochter an und kniff sie zärtlich in die Wange. »Richtig, Kindl. Diesen Dreckschleudern muss man die Meinung sagen. Aber jetzt wird’s höchste Zeit für mich.« Rasch packte er noch die Feldflasche mit dem Zitronentee in den Beutel, verabschiedete sich von der Tochter und eilte hinaus in die Diele. Dort drückte er sich den Hut auf den Kopf und schulterte den Stutzen.

      Der Dunst, der den Morgenhimmel überzogen hatte, lichtete sich allmählich. Ein paar Wölkchen bildeten sich als hübsche weiße Farbtupfer am tiefen Blau des Firmaments.

      Ebenhecht stapfte über den feuchten, lehmigen Weg auf den Fuß des massigen Horns zu.

      Der Forstmann durchstreifte zwei Stunden lang die Waldung und stapfte dann hinauf zu den grünenden Almmatten. Weit im Hintergrund stieg ein dünner Rauchfaden auf. Dort stand die Sennhütte, die von einem Wiesenbuckel verdeckt wurde. Ebenhecht überlegte einen Moment, ob er seine Vesper drüben abhalten sollte. Entschlossen schüttelte er den Kopf. Die Sennermoidl war eine unzugängliche, mürrische Person, an deren Gesellschaft ihm wenig lag. Darum suchte er sich einen Stein aus, auf dem er Platz nahm und sein nahrhaftes Mitbringsel auspackte. Behaglich kauend ließ er die Blicke bis hinauf zur bizarren Spitze des Stieglerhorns herumfliegen.

      Er spülte Salami und Brot mit Zitronentee aus der Feldflasche hinunter und verschloss den Leinenbeutel. Eine Weile wollte er noch sitzen bleiben und die Beine von sich strecken. »Man wird net jünger und merkt’s auch von Tag zu Tag deutlicher«, stellte er feixend fest.

      Aus einer Fichtengruppe, die dem oberen Saum der Waldung vorgelagert war, traten zwei Rehgeißen.

      Sie vollführten ein paar muntere Sprünge und machten sich dann daran, Gras abzuzupfen. Der Jäger warf ihnen einen flüchtigen Blick zu Er wollte sich gerade erheben; um einen Pirschgang hinauf zum Latschenhang anzutreten. Da bemerkte er aus den Augenwinkeln, dass sich am Waldrand etwas bewegte. Ebenhecht duckte sich und griff zu seinem Stutzen.

      Ein schlanker Bursche tauchte auf, der ein langläufiges Gewehr in den Händen hielt. Der Bursche legte an und zielte auf eines der beiden Rehe. Ebenhecht schrie: »Halt, Bürschl! Lass dein Kügerl im Lauf stecken, sonst schick ich auch eins los! Aber das gilt dir.«

      Der junge Wilddieb zuckte heftig zusammen. Er ließ die Mündung seiner Schusswaffe sinken und drehte den Kopf herum. Nur für einen Moment. Dann rannte er auf den Waldrand zu.

      »Stehen bleiben!«, brüllte der Jäger.

      Er feuerte einen Schuss in die Luft ab. Der Flüchtende ließ sich davon nicht einschüchtern und war Sekunden später hinter den ersten, mächtigen Fichtenstämme untergetaucht.

      Ebenhecht lief ein Stück am Waldrand entlang und drang dann in dichtes Unterholz ein. Seiner Meinung nach strebte auch der Wilderer dem Dickicht zu, das so manches Versteck aufzuweisen hatte. Die Chance, den Ausreißer aufzustöbern, war hier nicht besonders groß.

      Das Gesicht des Weidmanns wies etliche Schürfwunden auf, die ihm dürre Zweige zugefügt hatten, als er endlich das Unterholz verließ. Wütend schob er sich den Hut aus der Stirn. Gleich darauf rieb er sich verdutzt die Augen. Der schlanke Bursche lief


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