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Wilderer und Jäger Staffel 1. Anne AltenriedЧитать онлайн книгу.

Wilderer und Jäger Staffel 1 - Anne Altenried


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Feiner Rauch kräuselte sich aus dem Schornstein. Ein Habicht segelte darüber hin.

      Anita blieb erneut stehen und fragte sich, was sie hier eigentlich wollte. Dem Jager wieder eins auswischen – oder am End von diesem ertappt werden? Sie konnte an der Vorderfront des Jägerhauses entlangsehen. Dessen Tür öffnete sich jetzt, heraus trat ein Mann in grüner Hose und gleichfarbigem Oberhemd.

      Der Jager! durchzuckte es Anita. Sie hielt kurz den Atem an und fixierte den Mann scharf. Zu spät duckte er sich vor dem Querbalken des Türrahmens. Sein Fluch war allzu deutlich zu hören.

      Anita empfand Schadenfreude und bedauerte, daß er nicht mehr als eine Beule davontragen würde. Kein noch so starker Schmerz, so sagte sie sich, kommt dem gleich, den Vater und ich Leos wegen ertragen müssen.

      Der Jäger rieb sich die Stirn, blickte gen Himmel und ging dann dicht am Haus entlang bis zum Schuppen. Zum erstenmal sah Anita ihn von nahem. Sie wunderte sich, weil sie sich den Mann ganz anders vorgestellt hatte – etwas größer und dunkelhaariger. Wie war es möglich, daß Leo ihm unterlegen gewesen war, sich von ihm hatte erschießen lassen?

      Der Jäger kam jetzt wieder zum Vorschein und trug eine gebogene Stange. Diese schob er in die untere Öffnung des Regenrohres und bewegte sie viel zu hastig. Es knackte mit einemmal; das Rohr brach in der Höhe seines Kopfes – und ein Wasserschwall ergoß sich über den erneut Fluchenden.

      Anita mußte lachen und verriet damit ihre Anwesenheit. Keine Sekunde lang wirkte sie verlegen oder gar ängstlich. Da sie in jenem Mann den Mörder ihres Bruders vermutete, ging sie entschlossen auf ihn zu und bohrte ihren Blick dolchstoßartig in den seinen.

      »Hallo! Was hat der Regen mir denn da an Land gespült?« rief der Jäger sichtlich frohüberrascht aus und wollte sie unter das schützende Dach ziehen.

      Anita sprang zurück und lachte wieder, überlaut und voller Hohn. »Ich hätt’s lieber gesehen, wenn das Unwetter dich mit fortgeschwemmt hätt!« erwiderte sie.

      Sein Gesicht drückte große Verblüffung und Nichtverstehen aus. Er machte eine Bewegung zur Tür hin und sagte: »Komm herein, Madl, und erzähl, warum du mir so was Böses wünschst.«

      »Nie werd ich das Haus eines Mörders betreten!« schrie sie, weil sie es nicht faßte, daß dieser Mensch auch noch scherzen und lächeln konnte, nachdem er auf Leo geschossen und ihn getötet hatte.

      Der Jäger stutzte, wurde jäh ernst. Er dachte an die Vertretung, die er für den Kronseder zu machen hatte, und glaubte plötzlich, auf einer besseren Spur zu sein als Joseph Eiferer.

      »Da scheint eine Verwechslung vorzuliegen«, meinte er nun und tat ganz harmlos. »Komm herein und wärm dich auf. Ich bin kein Mörder net, das schwör ich dir!«

      »Hast es geschickt verstanden, deine Spuren zu verwischen«, sagte Anita mit erstickter Stimme. »Ich werd dich net eher in Ruh lassen, als bis du dich stellst. Nur dein volles Geständnis kann dem Toten die ewige Ruh geben. Dazu bring ich dich schon mit der Zeit, du – du – Schuft!«

      »Holla! Nun gehst aber zu weit!« fuhr er sie an und hob drohend die gebogene Stange. Er war pitschnaß vom unerwarteten Wasserschwall, schien sich jedoch nicht bewußt zu sein, wie belustigend das auf Anita wirkte. »Nenn mir deinen Namen!« verlangte er. »Ich laß mich net beleidigen – schon gar net anonym!«

      »Du weißt genau, wer ich bin. Die Ähnlichkeit wirst gleich erkannt haben!« schrie sie außer sich und strich sich die nassen Haare aus dem Gesicht.

      Der Jäger schleuderte die Stange von sich, um das Madl zu ergreifen und ins Haus zu schaffen. Er bekam einen Tritt vors Schienbein, jaulte auf wie ein Hund und hüpfte auf einem Bein. Anita eilte davon; sie hatte plötzlich Angst, er könnte sein Gewehr holen und auf sie schießen. Immerhin mußte er sich jetzt schon halb durchschaut fühlen. Eine tote Mitwisserin würde ihm gewiß lieber sein als eine Lebende.

      Mit keuchendem Atem rannte Anita auf den Wald zu und durchquerte ihn im Zickzack. Total verausgabt erreichte sie den Söllner-Hof, wo sie ihrem erschrockenen Vater schluchzend in die Arme sank.

      »Um Himmels willen, was ist geschehen?« fragte dieser.

      Aber Anita vertraute sich ihm nicht an. Sie preßte die Lippen zusammen, als hätte sie sich geschworen, für den Rest ihres Lebens zu schweigen.

      Der Söllner tat das einzig Richtige. Er respektierte dies und sorgte unterdessen fürs leibliche Wohl seiner Tochter. Als diese weniger blaß und verschreckt in trockenen Kleidern bei ihm saß, tätschelte er ihre Wange und sagte mit verhaltener Zärtlichkeit: »Wennst den Bertrammer partout net magst, Anita, soll’s halt so sein. Ich opfer doch dein Lebensglück net materiellen Dingen. Krieg ich’s nötige Geld net ohne den Bertrammer zusammen, werd ich bestimmt eine andere Möglichkeit finden, uns zwei vor dem Ärgsten zu bewahren.«

      Erst staunte sie ihn an; dann schlug sie die Hände vors Gesicht und begann zu weinen. Der Söllner strich ihr tröstend über das inzwischen getrocknete Haar. Als seine Finger ihren Nacken berührten, stutzte er und blickte starr darauf nieder.

      »Wo hast denn das Silberketterl vom Leo, das du bisher stets getragen hast, Anita?« erkundigte er sich.

      Ihr Kopf ruckte hoch, während sie automatisch dorthin griff, wo das Kettchen mit dem silbernen A zu hängen und sie an den Bruder zu erinnern pflegte.

      »Das – das ist net da…«, stellte sie stotternd fest.

      »Sag ich doch. Wo ist es? Warum hast es abgelegt?« Der Söllner sprach nicht mehr beruhigend, sondern voller Mißtrauen. Er sah das Flackern in den schwarzen Augen seiner Tochter und stutzte wieder.

      »Madl, Madl...«, sagte er kummervoll, »mach mir keine Schand. Stell mir den Burschen vor, der dich derma­ßen verändert hat und sogar zum Schwindeln veranlaßt. Ist er an dieser Wandlung schuldlos, soll er mir willkommen sein – andernfalls…«

      Der Söllner redete nicht weiter, als Anita hochschnellte und weinend hinausrannte. Er war entsetzt, besorgt und ratlos. Schmerzhaft wurde ihm klar, daß er wohl kaum eins der Probleme würde lösen können, die neuerdings sein Leben überschatteten.

      Anita war in ihre Kammer geflüchtet und hatte sich abgeriegelt. Immer wieder fuhr sie mit der rechten Hand über ihren Hals. Sie war sicher, das Silberketterl verloren zu haben. Als ihr der Verdacht kam, wo und wobei es abgefallen sein könnte, schien die Schwüle vor dem heutigen Gewitter drückender als zuvor zu­rückzukehren.

      Anita Söllner brachte es diesmal nicht fertig, lange zu trotzen und ihrem Stolz zu folgen. Sie wollte Lukas wiedersehen, zumindest erfahren, warum er nicht zur Jausenstation gekommen war. Es war schrecklich für sie, nicht zu wissen, wo sie mit der Suche nach ihm beginnen sollte. Von den Schützenbrüdern, die mit ihm am Tisch gesessen hatten, kannte ihn nämlich keiner.

      Daheim, auf dem Hof, gab es jetzt zwei ernste Gesichter. Auch ihr Vater hatte Sorgen. Er wirkte erst dann erleichtert, als er den kleinen Wald günstig hatte verkaufen können, der seit über zweihundert Jahren zum Hof gehört hatte.

      Anita war nicht anwesend, als der Bertrammer-Hannes erschien und ihren Vater aufgeregt fragte: »Warum hast dich net an mich gewandt, Söllner? Weshalb hast einem Fremden den Wald verkauft, anstatt mir? Ich hätt dir doch selbstverständlich aus der Notlag geholfen, hätt ich geahnt, wie dringend es war!«

      »Ich helf mir schon allein. Die Trauer um Leo hat mich halt a bissel zurückgeworfen«, erwiderte der Söllner.

      Hannes Bertrammer hatte aufgehorcht und sah ihn argwöhnisch an. Der Verdacht, der ihm kam, ließ ihn ins Schwitzen geraten.

      »Hast gar einen Schwiegersohn mit prallem Geldsäckl in Aussicht?« erkundigte er sich in einem Ton, der nichts Gutes verhieß.

      Der Söllner schaute ihn prüfend an. Ihm war, als sähe er seinen Nachbarn zum erstenmal so, wie er tat­sächlich war.

      Beide schwiegen sie in diesen Minuten, da sie sich kritisch musterten. Sie standen am Rande des Hofplatzes. Der Bertrammer war heute vom Söllner nicht freundlich aufgefordert worden, ins Haus zu kommen.


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