Im Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
Grüße von Mami und Papi und den Großeltern«, richtete Bambi aus, »und Sie sollen es sich recht gut schmecken lassen.«
Ganz weich wurde es Franziska ums Herz, als sie in Bambis süßes Gesichtchen blickte.
»Tust du mir einen Gefallen, Bambi?«, fragte sie leise.
Bambi nickte eifrig. »Jeden, wenn ich kann.«
»Gehst du mal zu Helga und bringst ihr etwas von den guten Sachen? Vielleicht nimmt sie es von dir, du Sonnenschein.«
Ernsthaft blickte Bambi sie an.
»Sie sieht noch sehr traurig aus«, flüsterte sie. »Wo ist sie denn?«
»Auf der Terrasse.«
Bambi nahm einen Teller mit den appetitlichen Sachen und ging hinaus.
Die Häuser kannte sie in- und auswendig, wie auch die verschiedenen Besitzer, bei denen sie immer gern gewesen war. Ein Erlenried ohne Bambi Auerbach konnte man sich kaum vorstellen.
»Guten Tag, Helga«, sagte sie unbefangen. »Schnuppere mal. Riecht das gut? Du hast doch auch Hunger?«
»Nein«, erwiderte Helga abweisend. Aber als sie in die unschuldigen Kinderaugen blickte, spiegelte sich Verwirrung auf ihren Zügen. »Es ist sehr lieb von dir, dass du mir Essen bringst«, flüsterte sie, »aber …«
»Da gibt es kein Aber«, entgegnete Bambi. »Meine Mami sagt, wenn man Hunger hat, muss man essen, und wenn man gar keinen Appetit hat, muss man zum Doktor, weil man dann krank ist. Was meinst du, was wir Hunger hatten, als wir umgezogen sind. Probier doch wenigstens mal. Der Appetit kommt beim Essen. Das Hühnerbrüstchen ist ganz was Gutes. Bitte, koste doch mal, Helga.«
Und das Wunder geschah. Helga kostete, und unter Bambis gütlichem Zureden schob sie einen Bissen nach dem andern in den Mund.
»’n bisschen heiß ist es heute«, stellte Bambi fest. »Nachher sollt ihr zu uns kommen. Mami hat Eis gemacht. Du kommst doch mit, Helga?«
Bambis unerwiderstehlicher Charme blieb auch diesmal nicht ohne Wirkung. Dieses Kind konnte niemand enttäuschen. Helga liebte Kinder. Sie hatte früher davon geträumt, Kinderärztin zu werden.
»Wie alt bist du denn, Bambi?«, fragte sie nun.
»Fünf, aber bald werde ich sechs, und dann darf ich zu Fritzi in die Schule gehen. Dann ist sie schon die Frau Pfarrer, aber unsere Lehrerin bleibt sie dann auch. Ich möchte ganz gescheit werden, so wie …« Sie hatte Papi sagen wollen, aber im letzten Augenblick fiel ihr ein, dass das Helga wehtun könnte, und so sagte sie rasch: »So wie Fabian.«
»Wer ist das?«, fragte Helga.
»Rickys Mann. Ricky ist meine große Schwester. Fabian ist Dr. Rückert, der Studienrat.«
»Den habe ich doch in Englisch und Französisch«, rief Helga.
Bambi lächelte vergnügt.
»Siehst du, das ist mein Schwager. Du findest doch auch, dass er gescheit ist?«
Helga konnte nicht widersprechen.
»Sehr gescheit«, nickte sie. »Ein prima Lehrer ist er.«
Nun redete sie schon wie die anderen. Bambi war sehr zufrieden.
»Wenn Ricky ein Baby bekommt, werde ich Tante«, fuhr sie eifrig fort. »Da freue ich mich schon.«
»Bekommt deine Schwester ein Baby?«, fragte Helga.
»Weiß ich nicht. Vielleicht. Alle Frauen bekommen Babys, wenn sie verheiratet sind. Sandra hat Zwillinge. Die musst du dir mal anschauen. Sie sind sooo niedlich.«
»Wer ist Sandra?«
»Frau Münster«, erklärte Bambi. »Du lernst schon noch alle kennen. In Erlenried geht das schnell. Da kennen sich alle. Wir haben viele Babys hier. Soll ich dir mal sagen, wie viel Kinder wir sind? Ich muss erst mal zählen. Wo wollen wir anfangen? Im Sonnenwinkel oder in Erlenried?«
»Wo du willst«, meinte Helga.
Franziska Deuring, die ihnen schon ein paar Minuten zugehört hatte, zog sich rasch zurück.
Vielleicht brauchte Helga gar keinen Arzt. Vielleicht gelang es der kleinen Bambi, sie zu kurieren und ein Lächeln auf ihr trauriges Gesicht zu zaubern.
»Da ist erst mal Jerry Riedel«, begann Bambi. »Dr. Riedel ist unser Arzt. Er ist ganz dufte. Dann kommen Lindemanns Kinder, Beate, Florian und Billie. Jetzt kriegen sie auch bald ein Baby. Tante Dorothee wartet schon jeden Tag. Dann kommen gleich wir. Hannes und Ricky kennst du schon. Unser Jörg studiert in München. Er ist schon fast ein Mann«, fügte sie stolz hinzu.
»So, das wäre der Sonnenwinkel. Nun kommt Erlenried. Zuerst sind die Baumbachs eingezogen. Wolfi und Andrea heißen die Kinder. Jetzt muss ich erst mal überlegen. Ich glaube, die Höllerings kamen dann. Die Dagmar ist auch schon mit dem Christian verheiratet, und dann sind noch Adrian, Susanne und der kleine Ralf da. Der hat schon Zähnchen. Wen haben wir denn sonst noch?«
»Bambi, wir müssen heim«, schallte Hannes’ Stimme an ihr Ohr.
»Wir kriegen Besuch.«
Bambi seufzte. »Dann muss ich gehen, Helga. Ich erzähle ein anderes Mal weiter, aber du wirst sie ja so alle kennenlernen, morgen in der Kirche. Ihr kommt doch?«
»Ja«, antwortete Helga. »Komm bald mal wieder, Bambi.«
»Klar«, versprach die Kleine strahlend.
»Das ist ein wonniges Kind«, sagte Carola zu ihrer Mutter.
»So richtig zum Liebhaben«, bestätigte diese. »Wenn ich auch mal solche Enkelkinder bekomme … Ach, Roli, ich habe nicht geglaubt, dass ich noch so an die Zukunft denken könnte.«
»Das Leben geht weiter, Mami. Wir haben dich lieb. Wir brauchen dich. Du wirst nie allein sein. Ich verspreche es dir!«
»Du warst mir eine große Stütze, Roli. Jetzt habe ich mich gefangen. Wir werden so weiterleben, wie Vati es gewünscht hätte. Vergessen werden wir ihn nie. Wie friedlich es hier ist. Ich glaube fast, dass es gut ist, nicht mehr in dem Haus zu leben, mit dem so viel Erinnerungen verknüpft sind.«
»Ja, Mami, es ist gut«, sagte Carola und streichelte das ergraute Haar ihrer Mutter.
*
Dr. Heinz Rückert und seine Frau waren von Hohenborn herübergekommen, um das Wochenende mit der Familie zu verbringen, da Stella nach München gefahren war.
»Bin gespannt, was unsere beiden dort anstellen«, meinte Heinz Rückert zu Werner Auerbach.
»Lassen wir uns darüber keine grauen Haare wachsen«, lächelte der Professor. »Junger Wein muss gären. Mir ist nicht bange. Sie kommen ja beide aus einem guten Stall.«
»Schön wär es schon, wenn die beiden auch ein Paar würden, wo wir uns so gut verstehen, Werner.«
»Mir wäre es auch recht, aber sie sind halt beide noch sehr jung. Mäuschen würde ich schon gern spielen.«
»Ich auch«, schmunzelte Heinz Rückert.
Sie wären augenblicklich kaum auf ihre Kosten gekommen, denn Jörg Auerbach und Stella Rückert saßen mit tristen Mienen in einem kleinen Café.
»Der Teufel ist los in der Stadt, Stella«, knurrte Jörg. »Vier Wochen sind noch bis zur Olympiade, aber ums Sterben bekommt man kein Zimmer. Was machen wir nun? Meine Wirtin hat Haare auf den Zähnen. Die lässt kein Mädchen ’rein.«
»Wird auch gut sein«, lachte Stella plötzlich fröhlich. »Weißt du was, Jörg, wir fahren nach Hause. Die freuen sich, wenn wir kommen.«
»Ich wollte aber so gern mal mit dir allein sein, ohne die ganze Familie drumherum.«
»Ganz allein?«, fragte sie schelmisch. »Über unsere Familie können wir uns doch wirklich nicht beklagen. Ein anständiges Essen könntest