Im Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
nachsichtig fest, »aber es ist nun mal so, Ingelein, wir müssen uns damit abfinden, dass uns die Kinder entwachsen. Jörg ist ein Mann. Ich finde es gut, dass er seine Entscheidung ganz allein getroffen hat. Wenn es nicht hinhaut mit der Stellung und mit der Ehe, kann er keinen andern dafür verantwortlich machen. Ich denke, Heinz und Rosmarie sind der gleichen Ansicht.«
Aber bei den Rückerts war es auch der weibliche Teil, der Bedenken hegte.
»Stella als Ehefrau, dass ich nicht lache!«, meinte Rosmarie Rückert sarkastisch.
»Sollen wir ihr einen Knüppel zwischen die Beine werfen?«, fragte er sachlich. »Früher haben die Mädchen auch jung geheiratet. Die gute alte Zeit war gar nicht so puritanisch. Sie sollen sich durchbeißen, dann kommen sie wenigstens nicht auf dumme Gedanken. Mir ist es lieber so, als würde sie in leichtfertige Gesellschaft geraten. Ich verstehe ja, dass du sie noch ein paar Jahre daheim haben wolltest, aber so ganz ungelegen kommt es mir auch nicht, dass ich wieder mal die erste Geige in deinem Leben spiele, sofern unsere Enkelkinder mir da nicht auch einen Strich durch die Rechnung machen.«
»Vorerst haben wir ja nur Aussicht auf eins«, meinte sie.
Er lachte herzlich. »Kinderkriegen steckt an, Röslein. Lassen wir alles hübsch an uns herankommen.«
*
Von Enkelkindern träumte auch Franziska Deuring. Allerdings nur im Schlaf, aber doch so intensiv, dass sie davon aufwachte.
Wie kam sie nur darauf? Weil der nette Herr Herwig noch ein wunderschönes Blumenarrangement gebracht hatte und für Carola einen großen Veilchenstrauß extra?
So weit durften sich ihre Gedanken doch wohl nicht verirren. Schließlich war Harald Herwig der Juniorchef der Münster-Werke, wenngleich Felix Münster selbst noch viel zu jung war, um ihm seinen Platz abzutreten.
Aber Geld hatte er bestimmt auch, wenn er schon zu dieser Familie gehörte, und Franziska Deuring hatte etwas gegen den Gedanken, einen reichen Schwiegersohn zu bekommen, weil sie fürchtete, dass man ihrer Roli dann nachsagen könnte, sie hätte nur des Geldes wegen geheiratet. Roli war nicht so.
Ja, wenn Hilmar noch leben würde und sie ihrem Kind eine gute Ausstattung mitgeben könnten, wie es sich in ihren Kreisen gehörte. Sie kamen nun mal aus dem guten Mittelstand, in dem das üblich war.
Aber was hatte ihr die gute Aussteuer genützt, die ihre Eltern ihr mitgegeben hatten?
Ein schön eingerichtetes Haus war von Bomben zerstört worden, das Barvermögen hatte die Währungsreform aufgezehrt.
Mit nichts zur Stunde Null hatten sie wieder anfangen müssen, sich emporgekämpft und es noch einmal geschafft. Und dann?
Nein, sie wollte nicht hadern. Sie hatte wieder ein schönes Heim. Die Sorgen waren ihr von guten Menschen abgenommen worden. Sie konnte an die Zukunft ihrer Kinder denken. Man sollte nicht immer düster sehen.
Dass es ihnen auch so ergehen könnte – um Gottes willen, nein, dachte sie.
Und dann rief sie sich wieder diesen schönen Traum in die Erinnerung zurück.
Zwei Blondköpfe waren mit Blumensträußen in den kleinen Händen auf sie zugelaufen gekommen und hatten »Omi, Omi!«, gerufen.
Dass man so etwas überhaupt träumen konnte!
Durch das offene Fenster drang die würzige Nachtluft. Tief atmete sie sie ein und schlief dann weiter, fest und traumlos.
Erst am Morgen wurde es ihr bewusst, dass es die erste Nacht seit dem Tod ihres Mannes gewesen war, in der sie nicht geweint hatte.
*
Sonntag war es, und die Sonne lachte vom Himmel, ohne dass es so drückend schwül war wie gestern.
Franziska Deuring deckte den Frühstückstisch. Heute kam Helga als Erste herunter.
»Um neun Uhr beginnt die Kirche, Mami«, sagte sie leise, nachdem sie ihrer Mutter einen Gutenmorgenkuss gegeben hatte. »Ich habe Bambi versprochen, dass ich in die Kirche komme.«
»Wir gehen doch gemeinsam«, erwiderte Franziska herzlich.
Peter und Volker maulten. Sie wollten lieber länger schlafen.
Franziska ließ sich auf keine Debatte ein.
»Dann gehe ich mit Carola und Helga«, erklärte sie.
Da fanden sie sich doch bereit. Man sollte nicht sagen, dass sie nicht zusammenhielten.
Hier galten wohl andere Gesetze als in Hohenborn, das war ihnen schon klar geworden.
»Hoffentlich redet der Pfarrer Frerichs nicht wieder vom Sterben«, flüsterte Volker beklommen.
Franziska fuhr ihm durch das störrische Haar.
»Er wird schon nicht«, meinte sie.
Er tat es auch nicht. Er sprach von der Freude, in einer Gemeinschaft zu leben, in der Hilfsbereitschaft selbstverständlich war, von der Zusammengehörigkeit, die, in der Familie praktiziert, letztlich immer weitere Kreise ziehen sollte.
Harald Herwig saß mit Sandra und Felix Münster, die von ihrem sechsjährigen Sohn Manuel begleitet wurden, an der Seite.
Harald konnte Carola sehen, die still und in sich gekehrt den Worten des jungen Pfarrers lauschte.
Sehr anmutig sah sie aus in dem dunkelblauen Kleid mit dem weißen Kragen.
Er empfand es wohltuend, dass Franziska Deuring von ihren Kindern keine schwarze Trauerkleidung verlangte und dass sie selbst auch eine weiße Bluse zu ihrem schwarzen Kostüm trug.
Als die Andacht zu Ende war, sammelten sich draußen wie immer Gruppen.
Harald Herwig war auf Carola zugegangen.
»Sandra … Frau Münster möchte gern mit Ihnen bekannt gemacht werden«, sagte er leise.
Doch diese stand jetzt schon bei Frau Deuring, begrüßte sie freundlich und schenkte den Kindern ein warmes Lächeln.
Manuel und Bambi gesellten sich zu Volker, und Hannes näherte sich auch.
Bambi wusste Neuigkeiten zu berichten, die sie heute Morgen in Aufregung versetzt hatten, nämlich, dass ihr Bruder Jörg sich mit Stella verlobt hätte.
Diese Nachricht, die deutlich genug verkündet wurde, setzte auch die anderen in Bewegung.
»Jetzt bin ich doch sprachlos«, sagte Harald zu Carola. »Jörg hat es aber schnell gepackt. Mut hat der Junge!«
So viel Mut hatte er nicht, aber etwas in seinem Blick verwirrte Carola.
Wie schön seine Augen sind, dachte sie und wunderte sich, dass ihr das noch nie so recht bewusst geworden war, so sympathisch sie ihn auch fand.
»Stella Rückert geht in unsere Schule«, stellte Peter auf dem Heimweg fest. »Darf man sich da schon verloben, Mami?«
»Warum nicht. Sie ist ja eine junge Dame.«
»Carola ist schon lange eine junge Dame«, warf Volker ein. »Sie ist noch nicht verlobt.«
Carola hörte nicht zu. Sie dachte an Harald Herwig, an seinen Blick und seinen festen Händedruck.
Es erschien ihr plötzlich nicht mehr so einfach, Tag für Tag für ihn zu arbeiten. Aber solche Gedanken durfte sie nicht aufkommen lassen. Eine so gute Stellung bekam sie nie wieder.
Doch wenn man jung war, hegte man nun mal geheime Wünsche und hing unerfüllbaren Träumen nach.
*
Eine neue Arbeitswoche begann. Carola fuhr mit demselben Bus nach Hohenborn, mit dem die Kinder in die Schule fuhren.
Er hielt unten an der Straße, und als sie eingerahmt von Peter, Helga und Volker daherkam, sah sie Harald Herwigs Wagen nahen.
Er hielt an und neigte grüßend den Kopf. Gar zu gern hätte er sie gebeten, mit ihm zu fahren, aber das konnte