Im Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
zu gern wissen, ob Vati es weiß, dass sie in dem Flugzeug sind. Manche sagen, wenn man tot ist, ist man tot, dann weiß man gar nichts mehr. Wollen wir nicht lieber gehen, Mami? Ich habe solchen Durst.«
Es hatte Tage gegeben, in denen sie ohne Hoffnung gewesen war, vor sich einen Berg von Schwierigkeiten, die sie allein nicht bewältigen konnte. Aber sie war nicht allein gewesen, nicht verlassen. Sie legte den Arm um ihren Jüngsten und ging mit ihm aus dem Schatten in den lichten Sommertag hinein.
*
Helgas erster Brief kam schon ein paar Tage später. Ganz ausführlich beschrieb sie alles, was sie auf ihrer ersten großen Reise erlebt hatte.
Der Fug war herrlich gewesen. Sie könne es gar nicht glauben, dass sie nun so weit entfernt von ihnen sei, aber hier in Kalifornien sei es wunderschön.
Sie schilderte das Haus in allen Einzelheiten. Man konnte es sich richtig vorstellen, wie es aussah, großzügig und doch behaglich.
Sie schrieb von Molly, der schokoladenbraunen Köchin, die sie mit den köstlichen Speisen verwöhnte, von dem Butler Josias, der viel vornehmer sei als Onkel Paul, vom Swimming-pool, in den sie gleich von ihrem Zimmer aus springen konnte.
Dann hatte sie noch etwas unter den Brief gekritzelt, das wohl eigentlich nur für ihre Mutter bestimmt sein sollte, was diese aber zu spät begriff.
Und stell Dir vor, Mami, Onkel Paul hat ein Bild von Dir malen lassen, nach einem Jugendbild. Es hängt im Wohnzimmer, und Du siehst einfach wunderschön darauf aus. So habe ich Dich auch immer vor mir, aber wir wären beide sehr froh, wenn ihr auch kommen würdet.
Franziska ging schnell aus dem Zimmer, damit die Kinder ihre Tränen nicht sehen sollten, Tränen der Rührung und Sehnsucht.
Volker warf seinem Bruder einen schrägen Blick zu.
»Vielleicht sollten wir Mami doch zureden, dass wir auch ’rüberfahren«, meinte er. »Es sieht nicht so aus, als möchte Helga wieder zurück.«
»Warten wir es ab«, stellte Peter fest.
*
Doch die Tage und Wochen vergingen, und regelmäßig kamen Helgas Briefe. Immer wusste sie etwas Neues zu berichten.
In Erlenried waren die Ferien bereits wieder zu Ende gegangen, und drüben in Amerika besuchte Helga nun das College.
Harald verbrachte die meisten Abende mit »seiner« Familie. Eifrig wurden nun bereits Pläne für die Hochzeit geschmiedet, die den Umständen angemessen zwar im engen Kreis stattfinden, aber doch würdig gefeiert werden sollte.
Pfarrer Frerichs und Fritzi hatten einen wunderschönen Urlaub verbracht und ihre Hochzeitsreise damit vorweggenommen.
Nun wurden sie von Holger Frerichs’ Kollegen aus Hohenborn in »ihrer« Kirche getraut.
Natürlich waren seine Eltern und Geschwister gekommen, und auch Fritzis Schwester Stefanie mit ihrem Mann und ihrem Söhnchen Nikki, der sich närrisch freute, mit seinen früheren Spielkameraden Wiedersehen feiern zu können.
Bambi kramte an diesem Tag mal wieder in den Erinnerungen, die sie Volker sehr lebendig schilderte.
»Die letzte Hochzeit war die von Freddy Ride und Evi Großmann. Da war vielleicht was los, kann ich dir sagen. Zuerst wollte der Bauer Großmann nämlich gar nicht, dass die beiden heiraten. Nun sind sie wieder in Australien, und er besucht sie sogar.«
»Wer besucht sie?«, fragte Volker.
»Der Bauer Großmann. Du wirst sie schon alle mal kennenlernen. Sie kommen jedes Jahr zu Besuch, das haben sie uns versprochen.«
»Vielleicht sind wir dann schon in Amerika«, meinte Volker sinnend.
»Wollt ihr nun doch hin?«, fragte Bambi betrübt.
»Ist doch besser so, wenn Helga auch dort bleiben will. Und Onkel Paul hätte es sicher gern, wenn Mami lebendig dort wäre und nicht bloß ihr Bild.«
»Und Carola, geht sie auch mit?«
»Nein, sie bleibt bestimmt bei ihrem Harald. Ohne den kann sie doch gar nicht mehr leben. Sie kriegen ja auch mal Kinder, und dann können sie uns besuchen. Ist Amerika weiter als Australien?«
»Weiß ich nicht, da müssen wir Papi mal fragen. Auf dem Globus können wir es uns anschauen. Aber mit dem Flugzeug ist man überall schnell. Jörg hat von Berlin nicht mal eine Stunde gebraucht. Stell dir das vor, Volker, nur eine Stunde, und auf dem Globus sieht es auch ganz weit aus.«
»Wenn wir nach Hohenborn laufen, brauchen wir länger als eine Stunde«, bemerkte er sinnend. »So eine Hochzeit ist schön«, lenkte er dann aber ab, weil ihm das heute doch noch wichtiger schien und Amerika eigentlich ziemlich fern lag.
»Die nächste Hochzeit ist dann die von Carola und Harald«, fuhr Bambi fort. »Hochzeiten haben wir in Erlenried schon mehr gefeiert als Taufen. Jetzt ist mal wieder ein Baby fällig.«
Für die Deurings gab es jedoch am Ende dieses Tages eine schmerzliche Überraschung; denn als sie heimkamen, war der Hase Julius verschwunden.
Volker weinte sogar. Tröstend nahm Carola ihn in den Arm.
»Er ist sicher zu seiner Mutter gelaufen«, beruhigte sie ihn.
»Und wenn sie ihn nun nicht mehr erkennt?«
»Mütter erkennen ihre Kinder immer. Vielleicht hat sie ihn auch geholt.«
Volker schluckte ein paarmal.
»Nach Amerika hätten wir ihn doch nicht mitnehmen können«, seufzte er.
Franziska hob den Kopf. Carola warf ihrer Mutter einen raschen Blick zu, aber sie sagte erst etwas, als Volker aus dem Zimmer gegangen war.
»Er scheint sich doch mit dem Gedanken vertraut zu machen, Mami.«
»Ihr bemüht euch ja mit vereinten Kräften, mir diesen Gedanken schmackhaft zu machen«, stellte Franziska mit einem winzigen Lächeln fest.
»Und was ist deine Meinung?«
»Ich werde dich sehr vermissen, Roli«, erwiderte Franziska nach einer kleinen Pause. »Aber du hast dann ja deinen Mann.«
Zärtlich küsste Carola ihre Mutter auf die Wange.
»Onkel Paul wird sehr glücklich sein«, sagte sie weich.
*
»He, Roli, du träumst ja noch«, bemerkte Harald anderntags, als sie gemeinsam zur Fabrik fuhren. »So spät war es doch gestern gar nicht.«
»Mami wird nun doch mit den Buben nach Amerika gehen«, sagte sie leise.
Er griff schnell nach ihrer Hand.
»Sie werden uns fehlen, aber ich werde mich bemühen, dich für die Trennung zu entschädigen.«
»Es ist gut, dass es so gekommen ist. Weißt du, zur Bürokraft taugt Mami doch nicht. Sie ist nun mal eine von den Frauen, die nur vollends glücklich sind, wenn sie für eine Familie sorgen können. Und um allein zu bleiben, ist sie noch zu jung.«
»Du bist sehr vernünftig.«
»Onkel Paul wird sie auf Händen tragen. So viel Treue muss einfach belohnt werden, findest du nicht?«
Franziska Deuring hielt indessen das Bild ihres Mannes in den Händen.
»Ich werde dich nie vergessen, Lieber«, flüsterte sie. »Unsere gemeinsame Zeit ist ein unauslöschlicher Bestandteil meines Lebens. Es hätte länger währen können, und ich hätte nicht eine Stunde bereut.«
Ihr Blick schweifte zum Himmel empor und kehrte dann zu dem grünen Rasen zurück, der sich vor ihrem Fenster ausbreitete. Da sah sie etwas Braunes herumhoppeln.
Julius war zurückgekehrt. Als sie auf die Terrasse trat, blieb er sitzen und machte Männchen. Ein Lächeln erhellte ihr Gesicht.
»Dir gefällt es wohl doch besser hier,