Im Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
ihm ins Herz.
Dorrit Maxwell stand plötzlich neben ihnen. Sie bemühte sich, ihrer Stimme einen ruhigen Klang zu geben.
»Wir warten noch, Jacqueline«, sagte sie leise. »Wir fahren mit einem andern Bus.«
Eric Ride rührte sich nicht von der Stelle. »Ich auch«, erklärte er.
»Ich soll das Kind zur Information bringen. Dort wird es von Frau von Czibulski erwartet«, raunte Dorrit Maxwell ihm zu.
Es ist unabänderlich, sagten ihre Augen, aber er wollte es nicht wahrhaben, und Jacky erst recht nicht.
Wie in Trance stieg er, das Kind fest an der Hand haltend, in den Bus. Sie waren zu dritt. Kein Wort wurde gewechselt.
Als sie aussteigen, flüsterte Jacky: »Mir ist gar nicht gut, Daddy.«
Mir auch nicht, dachte er. Sei ein Mann, Eric Ride, ermahnte er sich.
Sie mussten durch den Zoll. Seinetwegen hätte die Abfertigung noch Stunden dauern können. Den Betrieb um sich her nahm er gar nicht zur Kenntnis.
Und alles, was dann geschah, erschien ihm wie in einem Märchen, in dem plötzlich eine unsichtbare gute Fee auftrat, um geheimste Wünsche zu erfüllen.
»Frau Czibulski hat sich noch nicht gemeldet«, hörte er Dorrit Maxwell sagen.
Jacky presste sich an ihn, umschlang ihn mit ihren kleinen Armen und murmelte etwas vor sich hin, was so klang wie: »Lieber Gott, lass sie doch nicht kommen.«
»Ich werde mit dem Chef besprechen, was wir machen sollen«, fuhr Dorrit fort. Sie entfernte sich.
Währenddessen tönte es immer wieder aus dem Lautsprecher: »Frau von Czibulski, bitte zur Information.«
Neben Eric Ride stand der Wagen mit den Koffern. Auch der von Jacky war dabei.
»Komm, Daddy, wir gehen einfach fort«, flüsterte das Kind. »Sie will mich sicher nicht haben.«
Mechanisch setzte er sich in Bewegung. Niemand schien das zur Kenntnis zu nehmen, niemand folgte ihnen, auch Dorrit Maxwell nicht.
Eric Rides Denken war ausgeschaltet. Er handelte nur nach seinem Gefühl.
Draußen standen Taxis. Ein Chauffeur sprang eilfertig heraus.
Im Handumdrehen waren die Koffer verstaut. Eric Ride und Jacky saßen auf dem Rücksitz.
»Wohin, die Herrschaften?«, fragte der Chauffeur.
»Nach Erlenried«, erwiderte Eric Ride heiser.
»Kenne ich nicht. Bei welcher Stadt liegt es?«
»Hohenborn. Fahren Sie erst aus der Stadt heraus, dann können wir fragen«, stieß Eric hervor.
»Ich habe eine Karte, wir können nachsehen. Ist wohl eine ziemlich weite Fahrt?«, fragte der Mann skeptisch.
»Es wird sich für Sie lohnen«, brummte Eric Ride. »Hier, das als Anzahlung.«
Er drückte ihm einen Geldschein in die Hand. Dem Mann traten die Augen fast aus den Höhlen, und los ging die Fahrt.
*
Dorrit Maxwell stand inzwischen schwere Minuten aus.
»Hier haben sie gewartet«, sagte sie zu ihrem Chef, »Mr Ride und das Kind. Hier bei der Information.«
»Aber jetzt sind sie nirgends zu sehen«, knurrte er. »Sie wissen, was das für Folgen für Sie hat?«
»Warum ist die Großmutter auch nicht erschienen?«, stammelte sie. »Es ist doch unverantwortlich, und Mr Ride hat sich der Kleinen rührend angenommen.«
»So rührend, dass er sie entführt hat. Er wird sicher gewusst haben, wie viel Geld da zu holen ist.«
Sie starrte ihn entgeistert an.
»Aber Mr Ride ist einer der reichsten und bekanntesten Industriellen Australiens«, stotterte sie. »Sie werden ihn doch nicht der Kindesentführung bezichtigen wollen.«
»Wie nennen Sie es denn, wenn ein Kind spurlos verschwindet?«, herrschte er sie an.
Dorrit rang nach Fassung. Aber plötzlich fühlte sie sich veranlasst, diesen Mann zu verteidigen.
»Mr Ride sprach davon, dass er das Kind persönlich bei Frau von Czibulski abgeben wolle. Er ist wohl mit der Familie bekannt«, griff sie zu einer Notlüge. »Bitte, unternehmen Sie noch nichts.«
»Das müssen Sie schon mir überlassen«, brummte er. »Na, die Papiere haben Sie ja wenigstens. Dann werde ich mich erst einmal mit Frau von Czibulski in Verbindung setzen. Es ist ja wirklich unverständlich, dass niemand erscheint, um das Kind abzuholen, wenn man es schon von Australien allein fliegen lässt.«
»Sie war nicht allein. Mr Ride war ja von Anfang an bei ihr«, murmelte Dorrit. »Ich war nur so durcheinander, dass ich wahrscheinlich dummes Zeug geredet habe.«
Er warf ihr einen misstrauischen Blick zu.
»Tragen Sie das Ihre dazu bei, diesen väterlichen Mr Ride aufzutreiben. Aber alle Schwierigkeiten, die er uns bereitet, haben Sie zu verantworten! Halten Sie sich zur Verfügung.«
Nun stand Dorrit Maxwell da, und sie wusste nicht, was sie tun sollte.
Er war mit dem Kind verschwunden, das stand fest. Und sie war sicher, dass Jacky freiwillig und sehr gern mit ihm gegangen war.
Es mochte eine Kurzschlusshandlung gewesen sein, aber sie war überzeugt, dass er dabei nur das Wohl des Kindes im Auge hatte.
Das rührende Bild, das die beiden geboten hatten, ging ihr nicht aus dem Sinn, und sie überlegte krampfartig, was sie von den Gesprächen, die die beiden führten, aufgefangen hatte.
Von einer Granny hatte er gesprochen, von seinen erwachsenen Kindern, von Erlenried und Erlenhof … War es so, oder hatte es anders geheißen? In ihrem Kopf überstürzten sich die Gedanken. Doch, so hatte es geheißen.
Ich muss etwas unternehmen, dachte sie. Er darf keine Schwierigkeiten bekommen.
*
Jacky sagte nichts und fragte nichts. In ihr Gesichtchen war die Farbe zurückgekehrt.
Sie machte sich keine Gedanken über die Schwierigkeiten, die durch Daddys plötzlichen Entschluss heraufbeschworen werden konnten. Sie war bei ihm, und das genügte ihr.
Eine Stunde waren sie schon gefahren, als der Chauffeur brummig sagte, dass er nun wohl doch mal die Karte zurate ziehen müsse.
Das taten sie dann auch gemeinsam. Hohenborn war schneller gefunden, als Eric Ride angenommen hatte. Erlenried war auf der Karte nicht zu finden.
»Es ist eine neue Siedlung«, erklärte Eric Ride.
Er war in fatalistischer Stimmung. Auf seine alten Tage wurde er nun noch zum Kidnapper.
Ach was, dachte er, niemand kann mich in solchen Verdacht bringen. Wenn diese Großmutter kein Verantwortungsgefühl besitzt, kann man das Kind dafür nicht bestrafen.
Was hätten sie denn schon mit Jacky gemacht? In so ein Heim gesteckt, wo sie unter vielen unterschiedlichen Kindern einsam gewesen wäre.
»Was wird Granny sagen?«, fragte sie leise.
Ja, darauf war er auch gespannt. Und Freddy und Tracy dazu! Man würde ihn vielleicht für verrückt halten, und irgendwie war es ja wohl auch verrückt, was er tat, aber er war bereit, es zu verantworten.
»Nun, das werden wir bald sehen, Jacky«, brummte er. »Mach dir nur keine Gedanken.«
Über ihre Großmutter verlor sie jedoch kein Wort. Ihren Bimbo im Arm, hielt sie mit aller Anstrengung die Augen offen, aber dann fielen sie ihr doch zu.
*
»Heute müsste Daddy aber kommen«, stellte Tracy beim Frühstück fest. »Typisch für ihn, dass er uns den Ankunftstermin nicht mitteilt. Wie