Im Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
sie gebracht.«
»Die Nurse?«, fragte er, denn Jacky hatte immer nur von der Nurse gesprochen.
Sie nickte. »Uns sind die Papiere übergeben worden. Sie soll in Frankfurt von ihrer Großmutter abgeholt werden.«
Sein Gesicht verdüsterte sich.
»Ich finde es schrecklich, dass man ein so kleines Kind einem fremden Menschen überantwortet.«
»Es ist ihre Großmutter«, äußerte die hübsche Dorrit verwundert.
»Die sie nicht kennt!«, stieß er grimmig hervor.
»Ich verstehe Sie nicht ganz, Mr Ride«, sagte sie irritiert.
Natürlich, wie sollte ihn jemand verstehen.
»Ich will, dass Jacky nicht herumgestoßen wird«, erklärte er. »Wenn Sie das Kind seiner Großmutter übergeben, welch ein schreckliches Wort, dann will ich dabei sein.«
»Wie Sie wünschen, Mr Ride«, stotterte sie.
Kopfschüttelnd blickte sie ihm nach, als er sich wieder an seinen Platz begab.
Andere Männer in seinem Alter flirteten mit den Stewardessen, und er kümmerte sich um ein Kind. Das war ihr denn doch unbegreiflich, denn mit ihm hätte auch sie gern geflirtet.
*
Zu dieser Zeit, als sie Europa immer näher kamen, was für Eric Ride ein quälender Gedanke war, brachte Freddy Evi heim.
»Granny muss allerlei über deinen Vater wissen«, bemerkte er.
»Wenn sie es doch sagen würde«, seufzte Eva.
»Sie wird es geschickt ausnutzen, wenn es etwas ist, womit sie ihn kleinkriegen kann«, stellte er fest. »Verlassen wir uns auf sie. Sie wird mit den stärksten Männern fertig.«
»Findest du es nicht eigenartig, dass ich nie etwas von Vaters Schwester erfahren habe?«
»Weiß der Himmel, was du alles nicht weißt und doch wissen solltest. Aber jetzt denken wir an uns, Evi. Mein Liebling, es ist ein scheußlicher Gedanke, dich in die Höhle des Löwen gehen lassen zu müssen.«
»Ich muss jetzt aussteigen, Freddy«, flüsterte sie. »Sonst kann er mich schon vom Haus aus sehen.«
»Wo ist dein Zimmer?«, fragte er. »Du musst Blinkzeichen geben, damit ich weiß, dass du gut angekommen bist, Liebling.«
»Oben, die Mansarde. Du kannst es sehen, wenn du an der Koppel hältst.«
»Es ist doch nahezu absurd, dass ich dich nicht heimbegleiten kann«, murmelte er bedrückt. »Es müsste doch jedem Vater lieber sein, als die Sorge, dass seine Tochter allein durch die Nacht geht.«
»Erstens weiß Vater nicht, dass ich nicht im Haus bin, und zweitens ist mein Vater eben anders als andere Väter.«
»Leider! Aber drittens wird er sich damit abfinden müssen, dass ein Rieding sich nicht aus dem Feld schlagen lässt.«
»Willst du jetzt ein Rieding sein?«, fragte sie bang.
»Mir ist das gleich. Ich will dein Mann sein«, erwiderte er. »Und das möglichst bald!«
Sie schlang ihre Arme um seinen Hals.
»Und ich möchte deine Frau sein, Freddy«, flüsterte sie zärtlich. »Gute Nacht, Liebster!«
Schnell huschte sie von ihm fort, ein schmaler Schatten, den zu verfolgen ihm schwerfiel. Aber er stand da und schaute, bis sie hinter den Bäumen verschwunden war. Dann fuhr er rasch zur Koppel.
Er sah die Silhouette des Gutshauses, das sich düster gegen den Nachthimmel abhob. Er starrte auf den Giebel und wartete auf das Blinkzeichen. Sein Herz klopfte wie ein Hammer, bis es endlich kam.
Sie ist gut angekommen, dachte er erleichtert. Liebste Evi, mein armes kleines Mädchen, ich werde dich auf Händen tragen und für alles entschädigen, was du erdulden musstest.
Freddy Ride war über Nacht zu einem Mann geworden, der wusste, was er wollte und nur noch ein Ziel kannte: Eva zu seiner Frau zu machen.
*
Käti seufzte hörbar auf, als Eva zu ihr ins Zimmer geschlichen kam.
»Ich habe dich gehört«, sagte sie. »Was hast du noch gemacht?«
»Freddy Blinkzeichen gegeben, damit er weiß, dass ich gut angekommen bin.«
Sie lachte leise. Käti vernahm es staunend.
»Vater ist immer noch nicht da«, stellte Eva fest.
»Er wird sich betrinken«, brummte die alte Frau. »Er wird im Dorfkrug alle gegen die Riedings aufhetzen.«
Eva presste die Hände vor ihr Gesicht.
»Warum nur, warum, Käti? Warum habe ich nie etwas von Milena erfahren?«
Die alte Frau sank in ihrem Sessel zurück. Ihr Gesicht war ganz fahl geworden. Wie Pergament wirkte die Haut auf dem knochigen Antlitz.
»Wer hat dir von ihr erzählt?«, fragte sie tonlos.
»Granny«, erwiderte Eva, »Freddys Granny. Mary-Ann Ride. Käti, bitte, erreg dich nicht! Sie hat geweint, als sie von dir sprach.«
»Mary-Ann«, wiederholte die alte Frau. »Annemarie von Rieding, Frederics Frau. Ich habe nicht daran gedacht, dass sie es sein könnte. Oh, mein Gott!«
Nun weinte auch sie. Es war ein bitteres, gequältes Schluchzen.
Eva kniete bei ihr nieder und barg ihren Kopf in deren Schoß, wie sie es als Kind oft getan hatte, wenn sie voller Kummer gewesen war.
»Liebe Käti, bitte, sage mir, was du weißt! Vielleicht kann es uns helfen.«
»Es kann niemandem helfen, mein kleines Mädchen. Es kann nur schaden.«
»Granny wird uns helfen. Sie ist so lieb. Sie hat keine Angst vor Vater.«
»Nein, sie nicht. Sie hatte vor niemandem Angst, auch vor Albrecht nicht. Milena …, sie war so ganz anders.«
»Granny sagt, dass ich ihr sehr ähnlich bin.«
»Nur äußerlich, Ev, nur äußerlich. Ach Gott, was soll es. Sie wollte eine Baronin von Rieding werden und fand den Tod. Nein, frage mich nichts mehr, mein Kind. Das ist eine Sache, die Annemarie von Rieding mit deinem Vater ausmachen muss. Wenn sie dir nur zu deinem Glück verhilft und wenn ich ihr dafür die Hände küssen kann.«
Und da rumorte es unten an der Tür, die gleich darauf krachend ins Schloss fiel.
Eva drückte Käti einen Kuss auf die Wange und flüchtete in ihr bescheidenes Zimmer. Aber ihren Vater bekam sie in dieser Nacht nicht mehr zu sehen.
*
»Nun sind wir wohl bald da, Daddy?«, fragte Jacky, als sie bemerkte, dass Eric Ride immer wieder auf die Uhr schaute.
Das Herz lag ihm wie ein Stein in der Brust. Er wollte nicht an den Abschied denken, doch dieser schien unaufhaltsam.
Das Kind klammerte sich an ihn. Er zog es auf sein Knie und drückte es an sich.
»Ich möchte so gern bei dir bleiben«, flüsterte es. »Vielleicht mag die Großmutter mich gar nicht. Nimmst du mich dann mit?«
»Ja, mein Kleines«, erwiderte er heiser. »Dann nehme ich dich mit.«
In drei Sprachen klang kurz danach die Ansage durch den Lautsprecher: »In zehn Minuten landen wir in Frankfurt am Main. Bitte anschnallen und das Rauchen einstellen.«
Jacky drückte ihren Kopf an seinen Hals.
»Du musst jetzt auf deinen Platz und dich anschnallen, Jacky«, murmelte er.
Sie folgte. Er legte seine Arme um sie. Warum nur waren Minuten manchmal so endlos lang, und diesmal vergingen sie so rasch.
Das Flugzeug