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Aus halbvergessenem Lande: Culturbilder aus Dalmatien. Theodor SchiffЧитать онлайн книгу.

Aus halbvergessenem Lande: Culturbilder aus Dalmatien - Theodor Schiff


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einmal im vierzehnten oder fünfzehnten Jahrhundert der Bischof von Spalato mit dem Bischofe von Traú ein kleines Zerwürfniss gehabt haben, was zu einem Particularkriege zwischen den beiden Städten Spalato und Traú führte. Bei der Schlacht oder bei dem Gefechte, welches sich die Bewohner der beiden Städte lieferten, wurden die Unterthanen des Bischofs von Traú mit blutigen Köpfen heimgeschickt, worauf dann die beiden geistlichen Herren, wie billig, Frieden machten. Zum Andenken aber an den erfochtenen Sieg und zum Zeichen, wie mächtig er selbst gegenüber seinem Widersacher sei, liess der Bischof von Spalato den grossen und den kleinen Bischof in Sandstein aushauen. Der grosse Bischof war er selbst, – jener winzig kleine der überwundene Bischof von Traú. Heute sind sie Beide heilig und die Morlaken küssen ihnen – da sie zu hoch stehen – symbolisch die Füsse, wie man anderwärts Leute, die man nicht »hat«, in effigie hängt.

      An derselben Ecke, an welcher die beiden sandsteinernen Bischöfe mit der periodischen Schmutzkruste an den Füssen prangen, mündet auch eine zweite enge Gasse: die Calle Alberti.

      »Calle« heisst in der Venezianer Mundart, die in allen Küstenstädten Dalmatiens gesprochen wird, eine enge Gasse, und Alberti ist der Name einer geachteten Spalatiner Familie, die einmal in dieser Gasse ein Haus besessen hat. Das erwähnte Haus gehört zwar heute einem Schneider, aber die Gasse ist desswegen nicht breiter geworden, und wann zur Zeit der Weinlese die mit bocksledernen Schläuchen beladenen Esel den edlen Traubensaft durch die Calle Alberti schleppen, so müssen die Kaufleute ihre Waaren, die sie anlockend vor ihren Kaufläden ausgehängt haben, hübsch hereinnehmen, wenn dieselben nicht beschmutzt oder gar von einem Esel mitgenommen werden sollen. Denn die Calle Alberti ist der grosse Bazar von Spalato, in dessen Verkaufsgewölben Alles zu haben ist, was nur Herz oder Sinn der männlichen und weiblichen Spalatiner erfreuen mag.

      Und dort, in der Calle Alberti, nicht zu weit von dem ungleichen sandsteinernen Bischofspaar, hatte Herr Stipe Noncovich senior seinen Laden, und in demselben lebte, wirkte und verkaufte Herr Stipe Noncovich junior, zugleich Neffe seines Herrn und »Giovane« seines Oheims.

      Zu wenig Geld oder auch kein Geld haben kommt wie anderwärts auch in Spalato vor, und bei Herrn Stipe Noncovich junior war dieser Umstand beinahe chronisch geworden. Denn Herr Stipe Noncovich senior fühlte sich doppelt verpflichtet, eine Abwechslung in dieser Beziehung nicht herbeizuführen. Als Dienstgeber seines Neffen lag es nämlich in seinem eigenen Interesse, dessen Lohn so karg als möglich zu halten, und als Oheim seines Giovane fühlte er sich verpflichtet, darüber zu wachen, dass der Letztere durch das lockende Bewusstsein einer vollen Börse nicht auf Abwege verleitet werde. Darum hatte Herr Stipe Noncovich junior kein Geld. Darum musste er seinen brennenden Wunsch unerfüllt lassen, es den anderen jungen Leuten gleichzuthun, Abends vor dem Café Troccoli seine Cigarrette zu rauchen oder fein geputzt und geschniegelt bei den Damen den Galan zu spielen, wenn sie im Mondenschein auf der wunderschönen Marine sich ergingen und riesige Staubwolken mit ihren langen Schleppen aufwirbelten. Spalatiner Damen sind nämlich in den Moden durchaus nicht oder höchstens um ein paar Jahre zurück, und eine Schleppe zu tragen gehört dort zum guten Ton. Je länger die Schleppe, desto besser der Ton.

      Richtig – ich wollte eigentlich erzählen, wie Herr Stipe Noncovich junior zu Gelde gekommen, ja sogar ein reicher Mann geworden ist. Ganz genau weiss ich es freilich selbst nicht – was ich aber darüber erfahren konnte, das soll hier nicht verschwiegen werden.

      An der Ostküste des Gebietes von Spalato ragen die starren Uferfelsen sägenartig gezackt in die spielenden Meereswogen hinaus. Thurmhoch, senkrecht abfallend und trotzig gleich Ruinen einer mittelalterlichen Burg fühlen sie den leisen Kuss der Wellen nicht, die ihren Fuss umspielen und werden von der wildanstürmenden Brandung nicht erschüttert, wenn der Scirocco gebrochene Wellenberge an sie heranwirft. Sie haben die Griechen in ihren Schiffen landen gesehen und die welterobernden Römer, sie standen so wie heute, als das Christenthum lautlos und siegesfreudig zugleich seinen Einzug hielt in das uralte Dalmaticum; der stiernackige Imperator Diocletian ist auf ihrem breiten Rücken einhergeschritten und die barbarischen Rufe der Avaren hallten aus ihren Klüften wieder. Schöne, lauschige, kleine Buchten hat das Meer in ihren Riesenkörper hineingewaschen, hat den feinsten Sand, so weich wie Sammt, spielend hineingetragen und winkt dort mit silberklaren, leise scherzenden Wellen zu köstlichem Bade. Der Rücken dieser Felsen, der sanft gegen die Stadt Spalato niedergleitet, ist mit einer dünnen Humusschichte bedeckt, die Einsenkungen sind mit Erde ausgefüllt und darüber wirft der Oelbaum seine schwermüthigen Schatten, grünt der Feigenbaum, senkt sich die Rebe unter der schweren Last der dunkeln saftstrotzenden Trauben.

      Jener Theil dieser lachenden und trotzigen Felsenhügel, der unmittelbar an das Gebiet von Spalato grenzt, heisst Botticelle, und Botticelle heisst auch die Bucht, die sich dort in das Land eingeschnitten. In der Bucht badet zur Sommerabendzeit die ganze elegante, bürgerliche und gemeine Welt von Spalato – oben auf dem Felsenrücken, unter den üppigen Reben liegen die Leichen von Pestkranken verscharrt und – dort ruhen auch die Schätze. Ja, wirkliche, ordentliche, klingende Schätze in blankem Gold und Silber. Und wer's nicht glaubt, der gehe zu nachtschlafender Zeit nach Botticelle, so um Neumond herum, wenn nur das leise Rauschen des Meeres zu hören und einzelne Sterne durch die feuchtheisse Atmosphäre herniederleuchten. Dann mag er die schlanken, blauen Flammen spielen sehen zwischen den Reben und unter dem dunkeln Schatten der Oelbäume, dann mag er es aufblitzen sehen in dem thaufeuchten, warmen Dunkel, und dann – ja, dann mag er es nochmals behaupten, wenn er Lust und Muth dazu hat, dass in Botticelle keine Schätze liegen.

      Eines weiss man nicht: wie die Schätze nach Botticelle gekommen und wer sie dort vergraben hat. Dafür aber herrscht über die Herkunft der Pestleichen nicht der geringste Zweifel. Als im Jahre 1784 zum letztenmale die Pest durch türkische Caravanen nach Spalato eingeschleppt wurde, da begrub man die an dieser Krankheit Verstorbenen in einem grossen, in Stein gehauenen Schacht auf dem gemeinschaftlichen Friedhofe San Stefano. Dort stehen heute noch zwei steinerne Kreuze mit der Aufschrift: »Ob pestem Angelo Diedo Provisore 1784.« Die an der Pest verstorbenen Türken aber verscharrte man ohne viel Ceremonie gleich hinter der Stadt in Botticelle, weil erstens das Lazareth, wo sie gestorben, in der Nähe lag oder vielmehr heute noch dort liegt, und zweitens, weil man die ungetauften Türkenhunde nicht in geweihter Erde und in dem geweihten Schachte begraben wollte. Und gerade dort, über den verscharrten Leibern der pestkranken Türken, tanzen in dunkeln Sommernächten die schlanken, blauen Flammen – gerade dort liegen auch die Schätze.

      Alle Welt weiss es. Auch Herr Stipe Noncovich junior wusste es, und wenn er, oft Düten drehend oder die Elle handhabend, in dem dumpfen wie ein Ei gefüllten Laden seines Brodherrn und Oheims stand, dann waren seine Gedanken draussen in Botticelle und irrten dort hin und her, gleich den schlanken, blauen Flammen zur Sommernachtszeit.

      Wer die Schätze heben könnte! Ach, welch' schöne Kleider wollte er tragen, wie wollte er geschniegelt und gebügelt über die Marine promeniren, bald mit der, bald mit jener Dame sprechen und dabei den Galanten machen, dass es nur so eine Freude wäre. Und gerade solche mit den allerlängsten Schleppen wollte er sich aussuchen, seinem verehrten Oheim und Herrn zum Trotz, der die neumodischen Schleppen nicht leiden konnte. Und dann hätte er sich vor das Café Troccoli gesetzt, hätte sich Gefrornes geben lassen, den Hut – einen schwarzglänzenden Cylinder – in den Nacken gerückt, und hätte sich eine Cigarrette um die andere gedreht. Eine schwere goldene Uhrkette müsste er haben und eine goldene Uhr, dann an jedem Finger mindestens Einen Ring, goldene Hemdknöpfe, lackirte Stiefletten und die wunderbarsten dunkelblauen Hosen müsste er tragen – ganz wie der Conte Anastasio, der genau in diesem Aufzuge jeden Abend vor dem Café Troccoli sass. Und während er diese Luftschlösser baute und an all' die Herrlichkeiten dachte, musste er im Kaufladen seines Oheims Düten drehen!

      Es war einmal ein Schneider in Spalato, dem es ganz ausserordentlich schlecht ging. Der Mann war der Verzweiflung nahe, denn er hatte nichts zu beissen und zu Hause riefen die Kinder um Brod. Da ging er hinaus nach Botticelle – wollte er sich die Felsen herab in's Meer stürzen – wollte er seinen Kummer verträumen – wer weiss es? Als er sich aber dort auf die Erde setzte und in unbewusster Wuth eine handvoll Erde und Steine aufraffte, um sie fortzuschleudern, da blieb ihm ein hellblinkender Ducaten in der Hand. Und dann fand er an derselben Stelle noch einen und wieder einen und so fort, bis er blanke sechsunddreissig Ducaten mit den Händen


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