Ein Parcerie-Vertrag. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.
viel günstigere Bedingungen für den Einwanderer zu erlangen sind, standen sich doch beide Parteien gut und der deutsche Arbeiter blieb nicht allein sein eigener Herr, sondern sah auch selber wie er langsam vorwärts rückte.
Es giebt aber auch Fälle hier, wo der arme Tagelöhner wirklich im alten Vaterland im größten Elend lebt, und nur Gott dankt wenn er freie Passage nach einem fremden Welttheil erhalten kann. Er ist also dann gezwungen Verbindlichkeiten einzugehn, die aber nie einen solchen Grad erreichen müssen, daß er sich, wie bei diesen schurkischen Parcerie-Verträgen, fast bedingungslos einem Agenten und dessen Helfershelfern verkauft.
Nur zwei Bedingungen kann er annehmen; er läuft wenigstens keine unmittelbare Gefahr dabei, und wenn ihn auch beide zur Arbeit zwingen, bleibt er doch dabei sein eigener Herr, oder wird es wieder sobald er die für ihn wirklich ausgelegten Kosten bezahlt hat. Beide Arten habe ich selber in Australien, in Brasilien und in Peru ausgeführt gesehn, und bei beiden befanden sich die Einwanderer wohl.
Die eine ist, daß ihm ein bestimmter, den Preisen des Landes in das er zieht angemessener Tagelohn bestimmt wird, für den er so lange arbeiten muß, bis er seine Reisekosten bezahlt hat – und nicht eine Stunde länger. Dann ist er wieder sein eigener Herr, hat das Land in der Zeit kennen lernen, und kann nun seinen Contract mit dem bisherigen Brotherrn machen, um sich auch ein Stück Land als Eigenthum zu erwerben. Solche Contracte sind viele nach Moreton-Bai in Australien und besonders nach Süd-Brasilien abgeschlossen worden.
Die andere daß er das ihm überwiesene Land, wohin man ihn bringt entweder nach Jahr und Tag, wie es seine Erndten erlauben, langsam abbezahlt, oder es auch ganz vom Staat geschenkt bekommt, denn eine Regierung (und mit Privatleuten soll man sich unter keiner Bedingung einlassen; es ist wenigstens stets gefährlich) läßt ja doch nur dann Einwanderer passagefrei in ihr Land schaffen, wenn ihr daran gelegen ist dasselbe cultivirt zu bekommen. Das kleine Stück das sie ihm dann anfangs als Geschenk giebt, hat noch keinen Werth für sie – aber die Nachbardistrikte werden werthvoll sobald sich fleißige Colonisten in der Nähe niederlassen, denn nicht sie allein brauchen später mehr Land und müssen es von der Regierung kaufen, sondern sie ziehen auch Landsleute und andere Ansiedler dorthin und eröffnen damit in bis dahin unbewohnten Distrikten Handel und Verkehr.
Aber selbst unter den anscheinend günstigen Umständen bleibt für den Auswanderer große Vorsicht nöthig, ehe er einen so wichtigen Schritt thut und sein Vaterland, mit Allem was er eigen nennt, verläßt.
Er soll sich auch um Gottes Willen nicht zu rasch dazu entschließen und besonders nie vorher einem Agenten sein Gepäck übergeben bis er nicht vollkommen mit sich im Reinen ist, Leute die etwas davon verstehn und kein eigenes Interesse dabei haben, zu Rath gezogen und einen Contract in Händen hat, der nicht allein ihn bindet, wie ein solcher Parcerie-Wisch, der weiter Nichts erklärt als daß sich der Auswanderer an den Agenten verkauft und zur Beglaubigung selber seinen Namen darunter gesetzt hat – nein, der auch dem für den er arbeiten soll, Pflichten auferlegt, welche ihm selber den Lohn seiner Arbeit sichern. Er bekommt und will ja Nichts geschenkt; für das was er erhält leistet er wieder, und wie beide Theile einen Nutzen dabei erhoffen, müssen sich auch Beide gleichberechtigt gegenüberstehn.
Außerdem muß er sich über die geographischen Verhältnisse sowohl wie über die politischen des Landes, nach dem er befördert werden soll genau bei Leuten erkundigen die ihm auch wirklich Auskunft darüber geben können, denn gerade in neuster Zeit haben wir ein Beispiel wie dringend nöthig das ist. Dorfschulmeister sind aber nicht die passenden Menschen dazu, denn sie werden so erbärmlich besoldet, daß sie kaum das Nothwendigste für ihren Lebensunterhalt erschwingen, vielweniger denn größere und besonders fremde Zeitungen halten können. Die Agenten dagegen, wenn sie wirklich etwas wissen, verheimlichen das dem Auswanderer Bedenkliche, um ihn ja nicht von der Reise abzuhalten.
Der Fall worauf ich Bezug nehme, ist der folgende:
Die Chilenische Regierung (eine der besten und zuverlässigsten in ganz Südamerika, wie sie sich wenigstens bis jetzt bewährt hatte) hat einen Contract mit einem Hamburger Schiffsrheder gemacht, ihr im ersten Jahr hundert, im zweiten zwei, im dritten dreihundert und sofort bis zum vierten Jahr, Familien hinüber nach Chile zu schaffen, für welche sie, für die Erwachsenen für den Kopf 40 Dollar Passage zahlt. Sie will den Ansiedlern dort gutes Land geben, verlangt auch Nichts für ihre Auslagen zurück, sondern wünscht allein ihr Land besiedelt zu bekommen.
Das klingt ausgezeichnet. Chile hat ein vortreffliches Klima, Tausende unserer deutschen Landsleute leben dort glücklich und in guten Verhältnissen, und die Regierung gilt überall als Vertrauen erweckend. Ich selber würde auch meinen Landsleuten mit Freuden gerathen haben, so günstige Anerbietungen zu benutzen. Aber sie sind eben zu günstig, und die Sache hat einen Haken.
In dem Contract steht nämlich daß die Auswanderer nach Arauco geschickt und in Lota ausgeschifft werden sollen – Was sind das nun für Orte? –
Araukanien selber ist bekannter. Der Distrikt liegt von Chilenischen Regierungsbezirken im Süden und Norden begrenzt, und war bis jetzt – und ist eigentlich noch bis auf den heutigen Tag, freies Indianisches Land, in dem die Weißen keine Macht haben, weil sie die Araukaner noch nicht unterwerfen konnten.
Arauko ist ein kleiner Ort im Nordwesten des Staates – Lota, nicht sehr weit davon entfernt, an der Küste des stillen Meeres eine Chilenische Kohlenstation, und bis jetzt der einzige Platz in Araukanien, auf dem die Chilenen festen Fuß gefaßt.
Neuerdings sind sie nun wieder mit gewaffneter Macht in Araukanien eingefallen, haben die Araukaner – wilde kriegerische Indianer, zurückgeworfen und sehen voraus daß sie das eroberte Terrain nicht selber besetzt halten können. Dazu paßt ihnen aber eine deutsche Einwanderung, die sie sich unter diesen Umständen auch gern etwas kosten lassen wollen. Unsere deutschen Familien sollen da hineingeschoben werden, und wenn die Indianer bei ihnen einbrechen, ihre jungen Leute erschlagen, ihre Weiber und Töchter mit fortschleppen – nun so läßt man eben wieder Andere nachkommen.
Dem Contract selber sieht man das freilich nicht an, denn er lautet unverfänglich genug. Wer aber die Verhältnisse jenes Landes kennt, muß auch dem Auswanderer abrathen selbst diese scheinbaren Vortheile anzunehmen, weil sie nur eben scheinbar sind. Im günstigsten Fall ist er jeden Augenblick der Gefahr ausgesetzt daß die Indianer über sein Land brechen, ihm sein Vieh wegtreiben und seine Erndten zerstören und er darf dort weder für sein Eigenthum wie selbst für sein Leben Sicherheit erwarten.
Jeder Contract ist deshalb für den Auswanderer gefährlich, wenn er sich nicht vorher nach Allem erkundigt hat was das Land betrifft, und zwar bei Leuten, wie gesagt, die nicht wie der Auswanderungsagent ein specielles Interesse haben ihn nur auf ein Schiff zu packen, damit sie für seinen Kopf ihr bestimmtes Geld bekommen.
Außerdem warn' ich aber meine deutschen Landsleute noch ganz besonders vor dem Antwerpener Auswanderungs-Agenten, mit denen sie sich unter keiner Bedingung einlassen dürfen, wenn sie sich nicht der größten Gefahr aussetzen wollen.
Sind sie entschlossen auszuwandern, so bietet ihnen Bremen vor allen anderen Städten reelle Schiffsgelegenheit nach allen Welttheilen und neben Bremen Hamburg. Dort sind die Auswanderer noch auf deutschem Boden, unter deutschem Schutz und deutschen Regierungen ist es möglich ihre Einschiffung wie Beförderung zu überwachen, wie Betrügereien – die sie aber da wohl kaum zu fürchten haben – entgegenzutreten; in einem fremden Land dagegen, dessen Sprache sie nicht einmal verstehn – und sie sollen nicht etwa glauben daß in Antwerpen deutsch gesprochen wird – sind sie in den Händen der Agenten, und haben sich, was sie betrifft, selber zuzuschreiben.
Zum Schluß will ich aber noch hinzusetzen daß diese Erzählung nicht etwa den Zweck hat Auswanderer von einer Übersiedlung nach Brasilien selber abzuhalten. Nur in die nördlichen Distrikte dürfen sie nicht gehen, besonders nicht auf solche Theilcontracte hin. Süd-Brasilien dagegen, und vorzüglich die Provinzen Rio Grande do Sul, Santa Catharina und zum großen Theil auch Parana eignen sich ganz vortrefflich zur deutschen Auswanderung. Die dort angelegten, schon sehr bedeutenden deutschen Colonien befinden sich wohl, und die Deutschen selber