Aus dem Matrosenleben. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.
Hund.«
»Ay, ay«, sagte der Zimmermann, noch immer halb im Schlaf – »ich komme gleich – wo sind denn – O ja – 's ist alles recht – ich weiß schon. – Alles in Ordnung?«
»Alles! Steh nur auf und schlaf nicht wieder ein« – antwortete ihm der Steward und wandte sich nach der Treppe zurück, stieß sich aber mit dem Schienbeine an eine dort vorgeschobene Kiste. – »Gott verdamme den Plunder!« rief er leise mit verbissenem Schmerz – »da muß ein ganzer Fetzen Haut herunter sein. – Ich wollte daß die Kerln da –«
Er brummte das andere, als er auf der endlich erreichten Treppe langsam an Deck kletterte, leise vor sich hin und verschwand gleich darauf oben.
Der Zimmermann lag noch etwa zehn Minuten still, wälzte sich dann stöhnend aus seiner Coye, tappte nach seiner dicken wollenen Jacke, die er endlich fand und anzog, nahm die Mütze von dem Nagel, an dem sie inwendig in seiner Schlafstelle ihren Platz hatte, und folgte dem Steward an Deck.
Er hatte kaum den letzten Fuß von der Leiter genommen, als Jean ebenfalls aus der Coye sprang, ihm leise nachschlich und an Deck horchte wo er blieb. Er war zurück nach dem Quarterdeck gegangen.
»Was jetzt thun?« sagte er leise, als er wieder herunterstieg – »in ein paar Stunden ist es Tageslicht, und das größte Glück, daß wir den Burschen wenigstens aus dem Logis haben. Das hätt' ich aber wissen sollen, daß er so fest wie ein Bär schlief – wir könnten jetzt alle in Sicherheit sein. Wer gibt nun den besten Rath?«
»Ob es der beste ist weiß ich nicht«, sagte der eine Deutsche, »aber etwas kann ich Euch vorschlagen: ich will mich, wenn die Luft klar ist, vorne hinunter lassen und eins von den kleinern Booten dicht unter die Klüsen holen. – Dann müßt Ihr sehen wie Ihr die Säcke, ohne daß der Zimmermann etwas merkt, einen nach dem anderen hinunterbringt, und ich schaffe sie dann ans andere Ufer hinüber, wo ich auf Euch warte bis Ihr mich abholt.«
»Aber sollen wir es denn doch nicht lieber erst einmal versuchen die Sachen an Land zu schaffen?« frug Bob, der eine Engländer. »Das wären doch verdammt weniger Umstände als mit dem Wasser – und nachher das Herumlaufen um die Bay. Es wird ja heller lichter Tag, ehe wir nur hinüber kommen.«
»Wir dürfen es nicht wagen unsere Sachen hier an Land zu bringen«, sagte der Deutsche rasch – »wenn die solche Vorsichtsmaßregeln treffen wie mit der Wache, so werden sie auch nicht versäumt haben den Constables in Sussexstreet aufzutragen, alle, die etwa hier heraus mit Bündeln kommen sollten, einfach zu arretiren. – Das ist wenigstens das Wahrscheinlichste, und dem wollen wir uns doch nicht aussetzen. Uebrigens muß der Zimmermann auch jeden sehen, der hier über den langen, schmalen, und an allen Seiten offenen Platz nach den Häusern zu geht, und würde augenblicklich Lärm schlagen!«
»Wie kommen wir selber dann aber nachher fort?« frug Jean wieder.
»O nur erst einmal die Sachen in Sicherheit, das andere findet sich dann von selber«, sagte der Deutsche – »alles klar an Deck, Jean?«
»Ja, jetzt noch; der Zimmermann kommt aber gerade wieder die Quarterdeckstreppe herunter. – Es ist die höchste Zeit.«
Ohne weiter ein Wort zu erwiedern glitt der Deutsche wie eine Schlange die Treppe hinauf, um die Logiskappe herum und in die Gallione hinaus, dort an der Ankerkette hinunter und ins Wasser hinein. Jean horchte aufmerksam, konnte aber kein Plätschern hören, so vorsichtig hatte sich jener hineingelassen.
Der Zimmermann ging ein paarmal an Deck auf und ab, und die Leute saßen indessen des Zeichens harrend, daß das Boot am Steven liege, mit klopfendem Herzen im »Logis.« Sie hatten all ihr Zeug an, was sie nur auf den Leib bringen konnten, und das übrige in die gewöhnlichen Leinwandsäcke, die den Reisesack eines Seemanns bilden, »eingestaut.« Bill nahm seinen Sack zuerst heraus und schaffte ihn, als der Wächter gerade nach vorne ging, auf die Gallione. Jean wollte aber keinen weiter hinauslassen, bis das Boot darunter liege. – Fiel es dem Zimmermann einmal ein nur ein paar Schritt weiter nach vorn zu gehen wie gewöhnlich, so waren sie zu sehr der Gefahr ausgesetzt entdeckt zu werden.
Endlich kam das erwartete Zeichen – schneller fast als sie es eigentlich hoffen konnten. – Leise wurde von außen vorn an das Schiff geklopft, und Jean horchte hinaus ob er etwas vom Wächter hören konnte.
»Wo ist der Zimmermann jetzt?« frug Bill von unten herauf – »kannst du ihn sehen, Jean?«
»Nein«, flüsterte dieser zurück, »weiß der Teufel wo er steckt – ich will lieber einmal über Deck gehen.«
»Gott bewahre«, rief Bill – »da machst du ihn nur aufmerksam. – Er wird wahrscheinlich hinten an dem Quarterdeck bei den Wasserfässern sein. – Komm nur rasch und hol' deine Sachen.«
»Wir wollen uns das anders einrichten«, erwiederte ihm Jean. – »Einer muß hinaus in die Gallione steigen, und das, was ihm gegeben wird, hinunterreichen. Bob mag sich hier hinter die Logiskappe drücken, und ich kann dann von hier aus ihm alles zugeben und zugleich das Deck übersehen. – Aber nachher auch kein Wort mehr gesprochen. – Höll und Teufel wer hat denn da unten Licht angesteckt?«
Er sprang rasch hinunter einer Unvorsichtigkeit zu begegnen, die so leicht zu ihrer Entdeckung führen konnte, denn sobald der Wachthabende Licht im Vorcastle sah, mußte er ja gleich wissen daß etwas Außergewöhnliches vorgefallen war.
»Löscht das Licht aus«, rief er mit ärgerlicher, aber vorsichtig gedämpfter Stimme. – »Ihr wollt wohl die ganze Geschichte verderben? Wer hat die Laterne angesteckt?«
»Ich« – brummte Jim – ein Irländer »und verdammt gute Ursache dazu. – Ich habe eine halbe Krone hier unter die Kiste rollen lassen, und ich glaube jeder steckte sich ein Licht an, wenn er damit sein ganzes verlorenes Vermögen auf einen Strich wieder kriegen kann. – Außer der halben Krone hab' ich nur noch drei Schilling Schulden.«
Hinter Jean stieg in diesem Augenblick jemand die Treppe herunter – der Deutsche vor dem Steven gab zu gleicher Zeit noch einmal, und jetzt etwas lauter, das verabredete Zeichen. Jim hatte seine halbe Krone gefunden, steckte sie in die Tasche und öffnete die Laterne diese auszublasen.
»Hallo« – sagte in diesem Augenblick eine Stimme mitten zwischen ihnen, und zwar so laut, daß alle wie von einem elektrischen Schlag zusammenzuckten – »was ist das?«
Jim ließ unwillkürlich das volle, durch kein Horn mehr gedämpfte Licht der Laterne auf das Gesicht des Sprechers fallen. – Es war der Zimmermann, der sich erstaunt in der reisefertigen Gruppe umsah.
»Das ist mir ja eine schöne Geschichte«, rief er verwundert aus – »da soll ja gleich –«
Er sagte nichts weiter – nur zwei Worte hatten die an der Treppe stehenden Bill und Jean miteinander gewechselt, und in derselben Secunde fast fühlte er sich von zwei riesenstarken Armen dermaßen umfaßt, daß seine Hände wie von einer eisernen Zange gehalten wurden, während ihm zu gleicher Zeit irgend ein anderer guter Freund ein festgedrücktes Tuch wie einen Knebel in den Mund stieß. Jim ließ, bei dieser zauberschnellen Veränderung der Scene den Strahl der noch immer hochgehaltenen Laterne links und rechts fallen, und sah Bill und Jean mit ihrem Opfer beschäftigt. – Im nächsten Moment schloß er aber das Licht, und alles war wieder in tiefste Dunkelheit gehüllt.
Draußen ertönte zum drittenmal, und jetzt laut und ungeduldig das Zeichen.
»Der wird den Steven noch einschlagen«, lachte Jim – doch immer noch halblaut vor sich hin – »sollen wir ihm den Zimmermann hinuntergeben, daß er sich beruhigt.«
»Jetzt rasch und keine Zeit mehr verloren« – rief aber Jean den Anderen zu. – »Bill, schafft die Sachen hinauf und dann fort ins Boot.«
Der Zimmermann sträubte sich aus Leibeskräften frei zu kommen oder wenigstens den Knebel aus den Mund zu bringen, daß er den Alarm geben konnte; Jean lag aber mit Riesenkraft auf ihm und jeder derartige Versuch war umsonst.
»Reich' Einer von Euch mir ein Ende« – stöhnte dieser endlich,