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Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee. Bartholomäus von WernerЧитать онлайн книгу.

Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee - Bartholomäus von Werner


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die Fahrt durch dieses Labyrinth mitanzusehen; die Offiziere schauen mehr nach der Commandobrücke als nach der Umgebung; ich blicke nach der noch 1½ Seemeilen entfernten kleinen Insel aus, welche als Wegweiser dient, und suche sie weit ab. Die Beleuchtung mahnt zur Vorsicht, die Insel ist in der Ferne nicht zu sehen, der scheinbar vor uns liegende kleine Humpel kann sie nur sein. Hier heißt es schnell und entschieden handeln; die kleinste Verzögerung kann die bedenklichsten Folgen haben. Der Mann, welcher eine Secunde vorher mit gebeugtem Kopfe unruhig und sorgenvoll auf der Commandobrücke hin- und hertrippelte, ängstlich nach der Karte schaute und dann wieder das umliegende Land studierte, fühlt jetzt seinen Herzschlag nicht mehr, die Beklemmungen sind geschwunden, er steht mit gehobenem Kopfe, gibt ein kurzes Commando nach dem Ruder, ein Avertissement nach der Maschine und ruft sorglos lachend den Offizieren zu: „Meine Herren, passen Sie auf, wie das Schiff sich durchzwängen wird!“ Das Ruder wird gedreht, der Bug wendet sich nach rechts, nach dem Fahrwasser, wo die Besatzung sehen kann, was ein gutes Schiff zu leisten vermag. Wir laufen so dicht an der kleinen Insel vorbei, daß die Raaen über dem Lande hängen; die Schiffsseite ist nur 3-4 m von der steinigen Küste entfernt, die Zweige der überhängenden Bäume können fast von dem Schiffe aus erreicht werden. Die Insel ist nur klein, viel Zeit zum Nachdenken ist nicht gegeben; noch während das Schiff an der Insel liegt, muß das Ruder schon gedreht werden, um sobald das Hinterschiff frei von der Küste ist, seine volle Kraft zur Geltung bringen zu können. Alles geht schnell und concentrirt sich auf Augenblicke; die Maschine erhält den Befehl, mit voller Kraft zu gehen, noch ehe das Schiff frei ist, hier müssen aber die Secunden, welche bis zur Ausführung des Befehls verstreichen, mit in Berechnung gezogen werden. Die Maschine schlägt mit voller Kraft an, das Schiff dreht sich wie ein Kreisel, das Ruder wird zurückgelegt und das Schiff schießt an den Klippen vorbei, um nach wenigen Minuten einen gleich scharfen Bogen zurückzumachen und dann in freiem Fahrwasser nach dem naheliegenden Hafen zu dampfen. Freies Fahrwasser? Unter gewöhnlichen Umständen würde man hier stets einen Lootsen nehmen, wenn man einen bekommen könnte, und würde nur mit langsamer Fahrt gehen. Nach dem, was heute hinter uns liegt, ist jedoch das vor uns liegende Fahrwasser so frei, daß es mit Volldampf nach dem Gray-Hafen geht, wo um 8½ Uhr abends unter einer dicht bewaldeten 6-700 m hohen Felsenwand geankert wird.

      Es ist ein wahrhaft poetischer Abend. Vor uns liegt die mit dichtem Urwald bestandene hohe Felsenwand, welche das Himmelsgewölbe zu berühren scheint, sie sendet uns lange nicht mehr genossenen Blumenduft entgegen. Eulen lassen ihr geisterhaftes Geschrei vernehmen; mehrere über Felsen steil herabfallende Bergbäche ergießen sich mit einschläferndem Gemurmel in den Hafen, welcher, trotz der noch hellen Dämmerung, von der sich in den Fluten spiegelnden Felsenwand schon in dunkle Schatten gelegt ist. Zur Rechten öffnen sich die Berge und gestatten einen Blick auf einen weit abliegenden schneebedeckten hohen Vulkan, dessen Gipfelgestalt deutlich einen Krater erkennen läßt und dessen Schneedecke, wol durch übergestreute Asche, grau gefärbt ist. Hinter uns wird der Hafen durch eine niedrige dicht bewaldete Landzunge abgeschlossen, und über diese hinweg blickt das Auge auf einen von hohen Bergen eingeschlossenen, in tiefem Schlaf liegenden Alpensee, in welchem mit Genugthuung die Stelle erkannt wird, welche vor einer Stunde mit so banger Sorge passirt werden sollte und mit so frohem Gleichmuth passirt worden ist. Köstlicher Friede lagert über diesem anziehenden, in großartiger Ruhe daliegenden Bilde. Wir wissen, daß wir Hunderte von Meilen von menschlichen Ansiedelungen entfernt sind, daß wir, ebenso wie während der letzten Tage, uns in vollkommenster Einsamkeit befinden, und doch ist es hier anders — die Natur lebt, Blumenduft, Vogelstimmen und plätschernde Waldbäche athmen ein Leben aus, welches dem Menschen das Gefühl des vollständigen Verlassenseins benimmt und der Umgebung einen Zauberreiz verleiht, welcher sich wol empfinden aber nicht beschreiben läßt. Dieser kleine Hafen, welcher mit seinen Reizen zum Bleiben einladet, soll der letzte Halteplatz in diesen Straßen sein und ich habe für denselben einen Aufenthalt von drei Tagen in Aussicht genommen. Das noch vor uns liegende Fahrwasser bis zur freien See ist einfach und klar, alle schwierigen Stellen liegen hinter uns, die Distanz bis zum Ocean ist so gering, daß ein überfrühes Aufstehen nicht mehr nöthig wird; so kann ich also mit dem Bewußtsein zu Bett gehen, daß die Strapazen ihr Ende erreicht haben und einige Tage wohlthätiger Ruhe vor mir liegen.

      Schon früh am Tage am 21. geht ein Theil der Mannschaft zum Holzfällen an Land. Ich beabsichtigte nach dem Frühstück auf den nächstgelegenen höchsten Berggipfel zu steigen, um von dort einen freiern Ueberblick über dieses noch so wenig erforschte, eigenthümlich wilde Land zu erhalten. Eine nähere Untersuchung ließ indeß alle Hoffnung schwinden. Die Bergwände sind so steil, daß sie nur mit Lebensgefahr und dann auch erst nach mehrtägiger Anstrengung zu erklimmen sind; daneben sind sie mit so dichtem Urwald, Gestrüpp und Schlingpflanzen bedeckt, daß ein Versuch, ohne Gebrauch der Axt nur wenige Schritte vorzudringen, als unausführbar aufgegeben werden muß. Ich entschließe mich daher, einen andern in Aussicht genommenen kleinen Ausflug zur Ausführung zu bringen. Einige Offiziere schließen sich an und bald sind wir in zwei Booten unterwegs. Von dem Hafen aus gelangen wir in einen Süßwassersee von einer Seemeile Ausdehnung, welcher sein Wasser von einem kleinen Fluß erhält, der wiederum von einem großen Wasserfall gespeist wird, welcher das Schneewasser von den Bergen in das Thal führt. Der See ist in Uebereinstimmung mit dem Charakter des ganzen Landes mit kleinen bewaldeten Inseln angefüllt, zwischen welchen einige Taucher hin- und herfliegen. Bald gelangen wir in den kleinen Fluß, wo auf den mit saftigem Laub bedeckten Ufern sich über hochrothen Blumen Schmetterlinge wiegen, ein vereinzelter Kolibri umherschwirrt und aus dem Gebüsch einige Papagaien ihre heisere Stimme vernehmen lassen. Auch finden sich hier die gemeine Pferdefliege sowie eine kleine schwarze Stechfliege ein und lechzen nach unserm Blute. Nach einer weitern Viertelstunde langen wir an dem schönen, zwischen Felsen aus dichtem Baumgewirre sich ergießenden Wasserfalle und damit an dem Ende unserer Fahrt an, da der Urwald ein weiteres Vordringen unmöglich macht. Eine leere Sardinenbüchse und ebensolche Mixed-Pickles-Flasche sind die einzigen menschlichen Spuren in dieser Wildniß.

      Unsere Rückkehr bringt mir eine sehr unangenehme Ueberraschung. Einer der beim Holzfällen beschäftigten Leute hatte seine brennende Pfeife ausgeklopft und damit einen Waldbrand angefacht, welchen wir nicht mehr löschen konnten, diese Arbeit daher dem nächsten mitleidigen Regen überlassen mußten. Das Moos und Gestrüpp, sowie die aus früherer Zeit vom Holzfällen zurückgelassenen Astreste sind von einer solchen Dürre, daß, nachdem der brennende Taback das Moos erst entzündet hatte, ein Löschen schon nicht mehr möglich war. Das Feuer war zwar an der ersten Stelle gleich gelöscht worden, hatte sich aber in der 1-2 m dicken dürren Moosschicht so schnell fortgepflanzt, daß es gleichzeitig an zehn andern Stellen hervorbrach. Jetzt, eine halbe Stunde nach der ersten Entzündung, stand bei unserer Rückkehr zum Schiffe schon die ganze Landzunge in hellen Flammen. Die noch am Lande befindlichen Leute wurden sogleich zurückbeordert; eine kurze Ueberlegung sagt mir, daß das Schiff hier nicht bleiben darf. Springt der Wind um, was jeden Augenblick geschehen kann, dann wird der Aufenthalt hier wegen des Rauches nicht nur unleidlich, sondern bei der geringen Entfernung des Ankerplatzes von dem Herd des Feuers kann auch die größte Gefahr für das Schiff entstehen. Ich lasse daher Dampf machen, um nach dem nächsten nur drei Seemeilen entfernten Hafen zu gehen. Was ist aus der gestern erträumten dreitägigen Ruhe geworden?

      Die Dampfpinasse wird mit einem andern Boot im Schlepptau vorausgeschickt, läuft zwar an dem ihr bezeichneten Eingange vorbei, hört die Signalschüsse nicht mehr und verschwindet um die nächste Ecke, sie wird aber zurückkehren, wenn sie das Schiff nicht folgen sieht, da dem Führer die erhaltenen Ordres ja bald sagen müssen, daß er zu weit gegangen ist. Um 4 Uhr nachmittags wird in dem nächsten, „Halt-Bay“ genannten Hafen geankert und dort gleich wieder mit Holzfällen und Wassereinnehmen begonnen. Dieser Hafen ist auch wieder eine köstliche kleine Idylle, das Ausbleiben der Dampfpinasse macht mir aber so viel Sorge, daß die Naturschönheiten jetzt ohne Reiz für mich sind. Das Holz ist gut, das Trinkwasser vorzüglich, ein Fischzug ergibt 146 Stück großer fetter Makrelen. Die Nacht bricht herein, der Himmel über dem Gray-Hafen ist von dem mächtigen Waldbrande blutroth gefärbt, und die Sorge um die verirrten Boote raubt mir den Schlaf. Das Schiff ist so mit Signallaternen behängt, daß es von außerhalb des Hafens gesehen werden muß, zum Ueberfluß lassen wir noch in gewissen Zwischenräumen eine Rakete steigen.

      Beim ersten Tagesgrauen wird mir die Meldung gemacht, daß die Boote nicht zurückgekehrt


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