Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee. Bartholomäus von WernerЧитать онлайн книгу.
ein Viertel von hinten ist je ein leichter Baumstamm quer über dem Boot befestigt, welcher an der einen Seite etwa 1 m über das Boot hinausreicht, an der andern mit der Seitenwand des Fahrzeuges abschneidet. An den Enden der über das Boot hinausreichenden Arme sind (meistens senkrecht) nach unten Stäbe befestigt, welche ebenso lang wie das Boot hoch sind und an ihren untern Enden einen mit dem Boot nahezu parallel laufenden, nach vorn etwas divergirenden Balken von ungefähr zwei Drittel der Bootslänge tragen. Die Schwimmkraft dieses Balkens ist so groß, daß das Boot nach der Seite, welche den Schwimmer trägt, nicht umschlagen kann, andererseits ist das Gewicht des Schwimmers ausreichend, um das Umschlagen desselben nach der andern Seite zu verhindern, solange es nicht gar zu ungeschickt behandelt wird und die Befestigung des Hebelbalkens hält. Die Arbeit an dem Kanu ist roh, alle die schönen Zierathen, welche man häufig auf Bildern findet, fehlen hier, die Formen des 10 m langen und 1 m breiten Fahrzeuges sind aber sehr gefällig und das ganze Kanu sieht aus einiger Entfernung zierlich und elegant aus.
Boot mit Auslieger.
Bootsriemen. | Querschnitt des Bootes. |
Nachdem wir uns gegenseitig begrüßt hatten, gingen die Eingeborenen zunächst durch das ganze Schiff, um sich dasselbe anzusehen, und bekamen dann, als sie auf das Deck zurückgekehrt waren, etwas zu essen. Eine große Schüssel voll Bohnen wurde auf eine auf dem Deck ausgebreitete Presenning gesetzt, Corned-beef und Brot dazu gethan, die Insulaner herbeigeholt und jedem von ihnen ein Löffel in die Hand gegeben, nachdem vorher einige Aufpasser bestellt waren, welche diese als diebisch bezeichneten Menschen stets unter Aufsicht halten sollten. Hätte ich bei dieser Gelegenheit schon, wie wenige Stunden später, gewußt, welch großen Werth die Leute auf äußere Formen legen, ich hätte ihnen zu dem Zweck einen abgeschlossenen Raum angewiesen, so aber stand ich noch unter dem Eindrucke der Reiseberichte und glaubte, diese Leute dementsprechend behandeln zu müssen. Sie gruppirten sich hockend um die Schüssel, ließen dem Häuptling ziemlich viel Platz, indem die andern dicht zusammenrückten, und schienen sich an dem Gericht recht zu erlaben. Ohne Gier, mit Würde und Anstand aßen sie die für zehn Mann berechnete Portion ziemlich schnell auf, ließen aber doch von jeder Speise etwas zurück, legten dann die Löffel, welche sie mit Geschick gebraucht hatten, ordentlich zusammen und verließen den Speiseplatz. Die vier bekleideten Honoratioren kamen auf die Commandobrücke, um sich zu bedanken; die beiden andern kletterten wieder in ihr Kanu.
Gegen 1½ Uhr hatte die Maschine Dampf, die Segel wurden festgemacht, und unter Annahme der Lootsendienste, welche die Eingeborenen anboten, ging es nach dem Ankerplatz, wo wir gegen 2 Uhr ankerten. Ich entschloß mich, sogleich an Land zu gehen, um den Ort zu besichtigen und namentlich zu versuchen, für meine Mannschaften einigen frischen Proviant zu erhalten. Vorher wollte ich dem Häuptling noch eine Freude machen und rief ihn in die Kajüte, um ihm ein wollenes Hemd zu schenken. Die drei andern kamen natürlich mit und ich mußte nun, ehe ich mein Geschenk los werden konnte, Zeuge einer sehr komischen und doch zu ernstem Nachdenken anregenden Scene sein.
In der Vorkajüte stehen an einer Wand auf Sockeln drei Statuetten nebeneinander, in der Mitte die Ariadne von Dannecker, in ein Drittel Lebensgröße, rechts die Venus Kallipygos, links die Mediceische Venus, beide in ein Viertel Lebensgröße. Die Blicke der Insulaner schweifen an den Wänden entlang, über die dort hängenden Bilder hinweg und bleiben dann beim Umwenden plötzlich an diesen Statuetten hängen. Mit offenem Mund und weit geöffneten Augen stehen die Leute stumm da, sehen mich einen Augenblick an, richten aber ihre Blicke wieder schnell auf die Bildwerke und stoßen, mit halberstickter Stimme nach Athem ringend, nur den Staunensruf „Ai! A-i!“ aus. Die einzige Frage, welche sie noch zu stellen wagen, ist die, ob das Thier, auf welchem die Ariadne sitzt, wirklich ein Bär sei. Von den Männern wilder oder halbcivilisirter Völkerschaften darf man ja nie äußere Zeichen des Staunens erwarten, weil es bei ihnen zum guten Ton gehört, gegen Fremdes Gleichgültigkeit zu heucheln; die Sinne dieser Männer mußten daher sehr gefesselt sein, wenn sie sich soweit vergaßen, wie sie es gethan haben. Ich war nun aber nicht sicher, ob das Erstaunen nur der künstlerischen Arbeit oder den schönen classischen Formen galt, wollte jedoch Gewißheit haben. Ich rufe die Leute daher in mein Arbeitszimmer, wo zwei colorirte Bilder hängen, welche zwei duftige leichtbekleidete Mädchengestalten mit bunten Bändern im Haar darstellen. Auf den Zehenspitzen folgen sie mir, das ganze Gesicht nur Staunen und Verwunderung. Ich fordere sie auf sich umzudrehen, und in stiller Andacht bleiben sie vor diesen zarten Mädchenblumen stehen, welche durch weiter nichts als durch ihre feinen Farben zur Geltung kommen. Kein Auge wenden sie von den Bildern, als ob sie dieselben sich für immer einprägen wollten, und ich muß sie schließlich hinausdrängen. Nur mit Widerstreben folgen sie, und ihre etwas verdüsterten Mienen hellen sich erst wieder auf, als sie in der Vorkajüte die Puppen wiederfinden und ich sie auffordere, dort solange Platz zu nehmen, bis ich meinen Anzug für den Landgang in Ordnung gebracht habe. Ich unterließ aber nicht, die Thüre zwischen uns offen zu halten, um diese angeblich diebischen Menschen beobachten zu können, obgleich die offenen, ehrlichen Gesichter eigentlich jeden Verdacht beseitigen müssen. Die Statuetten haben es den Naturkindern aber so sehr angethan, daß sie heute keine Zeit zum Stehlen finden, wenn sie auch sonst Neigung dazu verspüren sollten — nur diese ziehen magnetisch ihren Blick an, alles andere ist für sie nicht vorhanden.
Als ich fertig war, rüttelte ich meine Gäste auf, gab dem Häuptling das ihm zugedachte Hemd, welches er kurzer Hand über sein anderes zog, und nun ging es in mein Boot, nachdem die Eingeborenen jede Vergütung für die dem Schiffe geleisteten Lootsendienste entschieden abgelehnt hatten. Einige Offiziere schlossen sich dem Landgange noch an und wir mußten eilen, wenn wir noch etwas am Lande sehen wollten, weil der Weg zum Dorfe weit war und bei Dunkelheit unpassirbar sein soll, wir aber jedenfalls vor Abend wieder auf dem Schiff sein mußten, wollten wir nicht mit einem sehr unbequemen Nachtlager vorlieb nehmen. Das Landen mit schweren Schiffsbooten ist hier stets sehr beschwerlich, weil man nur an einer Klippe landen kann und hier die See immer hoch geht. Die leichten Kanus laufen einfach auf den beim Dorfe liegenden Sandstrand, lassen sich von den hoch auflaufenden Wellen wie eine Blase auf den Sand werfen und werden dann schnell ganz aufs Trockene gezogen; die Leute sind dabei aber auch gewöhnlich ganz im Wasser, weil die Brandung so stark ist, daß das Fahrzeug, ehe es das Land erreicht, durch den Gischt der Brandung hindurch muß. Mit den Schiffsbooten kann man eine solche Landung nicht wagen und für diese liegt die Landungsstelle weitab vom Dorfe an den Felsen, wo an der am weitest vorspringenden Stelle ein platter Stein aus dem Wasser hervorragt. Die See bricht merkwürdigerweise nur sehr selten über diesen Stein weg, sondern zertheilt sich vor demselben und läuft an beiden Seiten vorbei. Diese Eigenthümlichkeit gestattet den Booten so dicht heranzugehen, daß man vom Boot aus auf den Stein springen kann, doch ist auch hierbei Vorsicht nöthig, weil das Auf- und Niederwogen des Wassers immerhin so stark ist, daß das Boot, wenn es durch eine ungeschickte Bewegung an den Felsen geworfen wird, auch an ihm zerschellt. Ohne die Hülfe der Eingeborenen hätten wir an diesem Tage, weil der Seegang infolge des starken Windes der letzten Tage sehr hoch war, überhaupt nicht landen und auch kaum den Weg nach dem Dorfe machen können, denn wahrscheinlich wären wir sehr bald durch die Brandung von den Felsen heruntergerissen worden. Die Leute waren wirklich rührend sorgsam mit uns und führten und leiteten uns, wie die Mutter ihr Kind, wobei man es ihren Gesichtern ordentlich ansah, wie besorgt sie waren, daß wir nicht zu Schaden kämen.
An der Landungsstelle angekommen, sahen wir wol, daß mit einem geschickten Sprung ans Land zu kommen ist, wir fanden aber auch, daß ein Fehlsprung sicher ins Wasser führt und daß man bei dem Sprung auf den glatten Stein auch nicht das Gleichgewicht verlieren darf, denn sonst schlägt man auf die scharfen Felsen und kann sicherlich auf eine erhebliche Verwundung rechnen. Unsere Freunde wissen das auch zu beurtheilen, denn als ich von dem bei solchen Gelegenheiten etwas zweifelhaften Vorrecht des Aeltesten, als erster den Vortritt zu nehmen, Gebrauch machen will, werde ich festgehalten und neben mir springt der Sandwich-Insulaner zwar nicht auf den Stein, aber mit seinem einzigen