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Wachtmeister Studer. Friedrich C. GlauserЧитать онлайн книгу.

Wachtmeister Studer - Friedrich C.  Glauser


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wie­der einen Flucht­ver­such macht?«

      »Was? Er hat Ih­nen durch­bren­nen wol­len? Und Sie ha­ben mir nichts da­von ge­sagt?«

      Stu­der sah den Un­ter­su­chungs­rich­ter mit sei­nen ru­hi­gen Au­gen an. Er zuck­te die Ach­seln. Was soll­te man auf sol­che Fra­gen ant­wor­ten?

      »Ich will ganz of­fen mit Ih­nen sein, Herr Un­ter­su­chungs­rich­ter«, sag­te Stu­der plötz­lich, und sei­ne Stim­me klang merk­wür­dig dumpf und er­regt. »Wir ha­ben lan­ge ge­nug her­um­ge­re­det. Sie den­ken bei sich: Die­ser alte, ab­ge­säg­te Fahn­der, der knapp vor der Pen­sio­nie­rung steht, will sich wich­tig ma­chen. Er drängt sich auf. Ich werd ihm aber schon aufs Dach ge­ben las­sen. Heut am Abend noch, so­bald er fort ist, te­le­fo­nie­re ich an die Po­li­zei­di­rek­ti­on und be­schwe­re mich…«

      Schwei­gen. Der Un­ter­su­chungs­rich­ter hat­te einen Blei­stift in der Hand und zeich­ne­te Krei­se aufs Lösch­blatt. Stu­der stand auf, pack­te die Leh­ne des Stuh­les, schwang den Stuhl her­um, bis er vor ihm stand, stütz­te sich auf die Leh­ne – und die Bris­sa­go qualm­te, die zwi­schen zwei Fin­gern stak – und dann sag­te er:

      »Ich will Ih­nen et­was sa­gen, Herr Un­ter­su­chungs­rich­ter. Ich rei­che gern mei­ne De­mis­si­on ein, wenn der Fall nicht so un­ter­sucht wird, wie ich es wün­sche. Aber wenn ich dann de­mis­sio­niert habe, dann kann ich ma­chen, was ich will. Es wird lus­tig wer­den. Ich hab’ dem Schlumpf ver­spro­chen, sei­ne Sa­che in die Hand zu neh­men…«

      »Sind Sie Für­sprech ge­wor­den, Wacht­meis­ter?« warf der Un­ter­su­chungs­rich­ter spöt­tisch ein.

      »Nein. Aber ich kann ja einen neh­men. Ei­nen, der die gan­ze An­kla­ge über den Hau­fen wirft – wäh­rend der Schwur­ge­richts­ver­hand­lung. Wenn Sie das lie­ber wol­len? Aber Sie müs­sen sich das recht leb­haft vor­stel­len! Sie wer­den als Zeu­ge von der Ver­tei­di­gung vor­ge­la­den wer­den, und dann wird man Ih­nen alle Feh­ler der Vor­un­ter­su­chung vor­hal­ten… Wird Ih­nen das ge­fal­len?«

      Der Kerl ist ja ganz ver­rückt! dach­te der Un­ter­su­chungs­rich­ter. Der rich­ti­ge Que­ru­lant! Wa­rum hat man ge­ra­de die­sen Stu­der zur Ver­haf­tung ab­kom­man­diert! Ein Ge­rech­tig­keits­fa­na­ti­ker! Dass es so et­was noch gibt! Ich habe die gan­ze Zeit ein­ge­lenk­t… Kann der Mann denn Ge­dan­ken le­sen? Dum­me Ge­schich­te! Und wenn die­ser Schlumpf un­schul­dig ist, dann gibt es wo­mög­lich einen Skan­dal, Leu­te ge­ra­ten in Ver­dacht. Es wird doch bes­ser sein, ich ar­bei­te mit dem Ker­l… Laut sag­te er:

      »Das hat ja al­les kei­nen Sinn, Wacht­meis­ter. Ich weiß nur we­nig von der Sa­che. Und dro­hen? Wa­rum fah­ren Sie gleich so schwe­res Ge­schütz auf? Hab’ ich mich ge­wei­gert, Sie an­zu­hö­ren? Sie sind un­ge­dul­dig, Herr Stu­der. Wir kön­nen doch ganz ru­hig die Sa­che be­spre­chen. Sie sind sehr emp­find­lich, Wacht­meis­ter, scheint mir, aber Sie müs­sen den­ken, dass an­de­re Leu­te manch­mal auch Ner­ven ha­ben…«

      Der Un­ter­su­chungs­rich­ter war­te­te, und wäh­rend des War­tens starr­te er auf die qual­men­de Bris­sa­go in Stu­ders Han­d…

      »Ach so!« sag­te Stu­der plötz­lich. »Das al­so…« Er ging zum Fens­ter, stieß die Lä­den auf und warf die Bris­sa­go hin­aus. »Ich hät­t’ dar­an den­ken sol­len. Leu­te wie Sie… War das der Grund? Ich hab’s ge­spürt, dass Sie et­was ge­gen mich ha­ben, und ge­dacht, es sei we­gen dem Schlumpf… Und dann war’s nur die Bris­sa­go?« Stu­der lach­te.

      Ko­mi­scher Mensch! dach­te der Un­ter­su­chungs­rich­ter. Ver­steht doch al­ler­hand!… Der Bris­sa­go­rauch! Kann so et­was eine feind­li­che Stim­mung aus­lö­sen?… In die­se Ge­dan­ken hin­ein sag­te Stu­der:

      »Merk­wür­dig. Manch­mal ist es nur eine un­be­deu­ten­de An­ge­wohn­heit, die uns bei ei­nem Men­schen auf die Ner­ven fällt: das Rau­chen ei­ner schlech­ten Zi­gar­re zum Bei­spiel. Bei mir sin­d’s die teu­ren Zi­ga­ret­ten mit Gold­mund­stück…« Und setz­te sich wie­der:

      »So, so«, sag­te der Un­ter­su­chungs­rich­ter nur. Aber in­ner­lich fühl­te er al­ler­hand Hochach­tung für den Ge­dan­ken­le­ser Stu­der. Und dann mein­te er:

      »Ich möch­te jetzt den Schlumpf, Ihren Schütz­ling, vor­füh­ren las­sen. Wol­len Sie da­bei sein?«

      »Doch. Gern. Aber viel­leicht sind Sie so gut…«

      »Ja, ja«, der Un­ter­su­chungs­rich­ter lä­chel­te, »ich werd’ ihn schon so be­han­deln, dass er sich nicht wie­der auf­hängt, we­nigs­tens vor­läu­fig… Ich kann näm­lich auch an­der­s… Und ich will mit dem Staats­an­walt re­den. Wenn eine wei­te­re Un­ter­su­chung nö­tig sein soll­te, for­dern wir Sie an…«

      Billard und alkoholismus chronicus

      Stu­der stieß zu. Die wei­ße Ku­gel roll­te über das grü­ne Tuch, klick­te an die rote, traf die Ban­de und saus­te haar­scharf an der zwei­ten wei­ßen Ku­gel vor­bei.

      Stu­der stell­te die Queue auf den Bo­den, blin­zel­te und sag­te är­ger­lich:

      »Bitz­li z’we­nig Ef­fet.«

      Und ge­ra­de in die­sem Au­gen­bli­cke hör­te er zum ers­ten Male die dröh­nen­de Stim­me, die er noch oft hö­ren soll­te.

      Die Stim­me sag­te:

      »Und glaub mir, in der Af­fä­re Wit­schi ist auch nicht al­les Bock; glaub mir nur, da stimmt et­was nicht… und das weißt du ja auch. Dass sie den Schlumpf ge­schnappt ha­ben…« Mehr konn­te Stu­der nicht ver­ste­hen. Die Stil­le, die einen Au­gen­blick über dem Raum ge­schwebt hat­te, zer­sprang, der Lärm der Ge­sprä­che setz­te wie­der ein. Stu­der dreh­te sich um und sah sich an dem Mann mit der merk­wür­dig dröh­nen­den Stim­me fest.

      Der war hoch­ge­wach­sen, mit ei­nem ma­ge­ren, zer­furch­ten Ge­sicht. Er saß in ei­ner Ecke des Cafés an ei­nem Tisch­chen zu­sam­men mit ei­nem klei­nen Di­cken. Der Di­cke nick­te, nick­te un­un­ter­bro­chen, wäh­rend der ma­ge­re Alte den Ell­bo­gen auf­ge­stützt hat­te und mit auf­ge­r­eck­tem Zei­ge­fin­ger wei­ter­sprach. Die Lip­pen wa­ren fast un­sicht­bar – dem Mann muss­ten alle Zäh­ne feh­len. Jetzt senk­te der Alte die Hand, hob das Glas zer­streut zum Mund, merk­te plötz­lich, dass es leer war: da zer­brach ein sehr sanf­tes Lä­cheln den har­ten Mund, so, wie ei­ner lä­chelt, der sich selbst nicht ganz ernst nimmt.

      »Rösi«, sag­te er zur Kell­ne­rin, die ge­ra­de vor­bei­kam, »Rösi, noch zwei Be­cher.«

      »Ja, Herr El­len­ber­ger.« Die rot­haa­ri­ge Kell­ne­rin ließ sich die Hand tät­scheln. Sie sah aus wie eine Kat­ze, die ger­ne schnur­ren möch­te, aber auf der Su­che nach ei­nem ru­hi­gen Platz ist, wo sie dies un­ge­stört tun kann.

      »Du kommst…«, sag­te Stu­ders Spiel­part­ner, der No­tar Münch, der einen ho­hen stei­fen Kra­gen um sei­nen di­cken Hals trug. Und wäh­rend Stu­der mit ver­knif­fe­nen Au­gen die Stel­lung der Ku­geln prüf­te, dach­te er im­mer­fort: El­len­ber­ger? El­len­ber­ger? Und re­det von der Af­fä­re Wit­schi? Und wäh­rend er wei­ter dach­te, ob es wohl die­ser El­len­ber­ger sei, Baum­schu­len­be­sit­zer in Ger­zen­stein, Meis­ter des Schlumpf, ver­fehl­te er na­tür­lich sei­nen Stoß. Er hat­te nicht rich­tig ein­ge­krei­det, die Spit­ze der Queue sprang mit ei­nem


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