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Wachtmeister Studer. Friedrich C. GlauserЧитать онлайн книгу.

Wachtmeister Studer - Friedrich C.  Glauser


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gan­ze An­ge­le­gen­heit in die Hand ge­nom­men hät­te…

      »Das Sek­ti­ons­pro­to­koll«, sag­te der Un­ter­su­chungs­rich­ter jetzt, räus­per­te sich tro­cken, rück­te an sei­ner Bril­le und las: »Zer­trüm­me­rung des Oc­ci­pi­tal­kno­chens… Me­sence­pha­lum… ste­cken­ge­blie­ben in der Ge­gend des lin­ken… Aber das wol­len Sie ja al­les nicht wis­sen… Hier… Tod ap­pro­xi­ma­tiv zehn Stun­den vor Auf­fin­dung der Lei­che ein­ge­tre­ten… Das woll­ten Sie wis­sen, Wacht­meis­ter? Auf­ge­fun­den ist die Lei­che zwi­schen halb acht und vier­tel vor acht Uhr mor­gens von Jean Cot­te­reau, Ober­gärt­ner in den Baum­schu­len El­len­ber­ger… Der Mord wäre also un­ge­fähr um zehn Uhr abends ver­übt wor­den.«

      »Zehn Uhr? Gut. Wie stel­len Sie sich die Sze­ne vor? Der alte Wit­schi kommt von ei­ner Tour zu­rück, er fährt mit sei­nem Zehn­der ru­hig nach Hau­se. Plötz­lich wird er an­ge­hal­ten… Schon da ist vie­les nicht klar. Wa­rum steigt er ab? Hat er Angst?… Neh­men wir an, er sei an­ge­hal­ten wor­den. Gut, er wird ge­zwun­gen, sei­nen Kar­ren an einen Baum zu leh­nen, man treibt ihn in den Wald… Wa­rum nimmt ihm der An­grei­fer nicht auf der Stra­ße die Brief­ta­sche fort und drückt sich?… Nein! Er zwingt den Wit­schi, mit ihm hun­dert Me­ter – es wa­ren doch hun­dert Me­ter? – in den Wald zu ge­hen. Schießt ihn von hin­ten nie­der. Der Mann fällt auf den Bauch… Wol­len Sie mir sa­gen, Herr Un­ter­su­chungs­rich­ter, wann ihm die Brief­ta­sche mit den ver­schwun­de­nen drei­hun­dert Fran­ken aus der Ta­sche ge­nom­men wor­den ist?«

      »Brief­ta­sche? Drei­hun­dert Fran­ken? War­ten Sie, Wacht­meis­ter. Ich muss mich zu­erst ori­en­tie­ren…«

      Stil­le. Eine Flie­ge summ­te dröh­nend. Stu­der hat­te sich kaum be­wegt, sein Kopf blieb ge­senkt.

      »Sie ha­ben recht… Frau Wit­schi gibt an, ihr Mann habe am Mor­gen zu ihr ge­sagt, er wer­de wahr­schein­lich am Abend hun­dert­fünf­zig Fran­ken mit­brin­gen. Es sei­en Rech­nun­gen fäl­lig. Hun­dert­fünf­zig Fran­ken habe er noch be­ses­sen… Te­le­fo­ni­sche Er­kun­di­gun­gen ha­ben er­ge­ben, dass wirk­lich zwei Kun­den des Wit­schi ihre Rech­nun­gen be­zahlt ha­ben. Die eine Rech­nung be­trug hun­dert Fran­ken, die an­de­re fünf­zig…«

      »Die eine hun­dert und die an­de­re fünf­zig? Merk­wür­dig…«

      »Wa­rum merk­wür­dig?«

      »Weil der Schlumpf drei Hun­der­ter­no­ten in sei­nem Be­sitz ge­habt hat. Eine, die er im ›Bä­ren‹ ge­wech­selt hat, und zwei, die ich ihm ab­ge­nom­men habe. Wo ist die Brief­ta­sche hin­ge­kom­men?«

      »Sie ha­ben recht, Wacht­meis­ter. Der Fall hat ei­ni­ge dunkle Punk­te…«

      »Dunkle Punk­te!« Stu­der zuck­te die Ach­seln.

      Ein un­ge­müt­li­cher Mann, dach­te der Un­ter­su­chungs­rich­ter. Er war ner­vös wie sei­ner­zeit beim Staats­ex­amen. Vi­el­leicht war die­ser Wacht­meis­ter für Schmei­che­lei emp­fäng­lich… Da­rum sag­te er: »Ich sehe, Wacht­meis­ter, dass Ihre prak­ti­sche kri­mi­no­lo­gi­sche Schu­lung der mei­ni­gen über­le­gen ist…«

      Stu­der brumm­te ir­gend et­was.

      »Was woll­ten Sie sa­gen?« Der Un­ter­su­chungs­rich­ter leg­te die Hand ans Ohr, als wol­le er kein Wort sei­nes Ge­gen­übers ver­lie­ren.

      Aber Stu­der schi­en auf ein­mal ver­ges­sen zu ha­ben, wo er sich be­fand. Denn er zün­de­te um­ständ­lich eine Bris­sa­go an.

      »Rau­chen Sie nicht lie­ber eine Zi­ga­ret­te?« wag­te der Un­ter­su­chungs­rich­ter schüch­tern zu fra­gen, denn er hass­te den Bris­sa­go­rauch. Er reich­te dem Wacht­meis­ter ein ge­öff­ne­tes Etui über den Tisch. Stu­der schüt­tel­te ab­leh­nend den Kopf. Ihm, dem Wacht­meis­ter Stu­der, Zi­ga­ret­ten mit Gold­mund­stück!…

      Der Un­ter­su­chungs­rich­ter frag­te in die Stil­le:

      »Wo ha­ben Sie sich Ihre prak­ti­schen Kennt­nis­se an­ge­eig­net, Herr Stu­der?« Aber nicht ein­mal der Wech­sel in der An­re­de­form – Herr Stu­der statt Wacht­meis­ter – ver­moch­te den schwei­gen­den Mann aus sei­nem Grü­beln zu we­cken.

      »Wie kommt es, dass Sie es mit Ihren Kennt­nis­sen nicht we­nigs­tens zum Po­li­zei­leut­nant ge­bracht ha­ben?«

      Stu­der fuhr auf:

      »Was?… Wie mei­nen Sie?… Ha­ben Sie einen Aschen­be­cher?«

      Der Un­ter­su­chungs­rich­ter lä­chel­te und schob eine Mes­sing­scha­le über den Tisch.

      »Ich hab sei­ner­zeit beim Pro­fes­sor Groß in Graz ge­ar­bei­tet. Und warum ich es nicht wei­ter ge­bracht habe? Wis­sen Sie, ich hab’ mir ein­mal die Fin­ger ver­brannt an ei­ner Ban­kaf­fä­re. Da­mals war ich Kom­mis­sär bei der Stadt­po­li­zei… ja, und wäh­rend des Krie­ge­s… Nach der Ban­kaf­fä­re bin ich in Un­gna­de ge­fal­len und hab’ wie­der von un­ten an­fan­gen müs­sen… Das gibt es… Aber was ich sa­gen woll­te: wie ge­den­ken Sie die An­ge­le­gen­heit zu be­han­deln? Was für Schrit­te wer­den Sie un­ter­neh­men?«

      Zu­erst woll­te der Un­ter­su­chungs­rich­ter den Mann an sei­nen Platz ver­wei­sen, ihm klar­ma­chen, hier habe er zu be­feh­len, er tra­ge schließ­lich die Verant­wor­tung für die Un­ter­su­chung… Aber dann ver­warf er die­se Auf­wal­lung. Der Blick Stu­ders hat­te et­was so Er­war­tungs­voll-Ängst­li­ches… Da­rum sag­te er ziem­lich ver­söhn­lich: »Nun, wie ge­wohnt, denk ich. Die Fa­mi­lie Wit­schi vor­la­den, den Meis­ter des… des… An­ge­klag­ten…«

      »Schlumpf Er­win«, un­ter­brach Stu­der, »vor­be­straft we­gen Ein­bruch, Dieb­stahl und an­de­rer klei­ne­rer De­lik­te…«

      »Ganz rich­tig. Im Grun­de also eine Per­sön­lich­keit, der man das Ver­bre­chen gut zu­trau­en könn­te, nicht wahr?«

      »Schon… mög­lich…« Pau­se. »Aber auch ein Vor­be­straf­ter kann nicht zau­bern… Und der Schlumpf wird nicht das Maul auf­tun… Sie wer­den lan­ge fra­gen kön­nen. Der lässt sich le­bens­läng­lich nach Thor­berg schi­cken– und wenn er ein­mal dort ist, hängt er sich wie­der auf. Im Grund ist es scha­d’ um den Bur­schen… ja, es ist scha­d’ um ihn…«

      »Ihre Men­sch­lich­keit in Ehren, Herr Stu­der, aber… Wir ha­ben eine Un­ter­su­chung zu füh­ren, oder?«

      »Ja, ja… üb­ri­gens ist die Lei­che noch in Ger­zen­stein?«

      Wie­der blät­ter­te der Un­ter­su­chungs­rich­ter in den Ak­ten.

      »Sie ist am Mitt­wo­cha­bend ins Ge­richts­me­di­zi­ni­sche In­sti­tut über­führt wor­den. Der Re­gie­rungs­statt­hal­ter von Rogg­wil hat das an­ge­ord­net…«

      Stu­der zähl­te an den Fin­gern ab:

      »Am Mitt­woch, dem drit­ten Mai um halb acht Uhr mor­gens wird die Lei­che ge­fun­den. Ge­gen Mit­tag die ers­te Ob­duk­ti­on von Dok­tor… Dok­tor… Wie heißt er schon?«

      »Dr. Neu­en­schwan­der«

      »Neu­en­schwan­der. Gut. Mitt­wo­cha­bend wech­selt Schlumpf die Hun­der­ter­no­te im ›Bä­ren‹. Don­ners­tag Flucht. Heu­te, Frei­tag, ver­haf­te ich ihn bei sei­ner Mut­ter. Wann ist die Lei­che ins Ge­richts­me­di­zi­ni­sche


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