Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
wenn du da deine größten Raffinessen springen ließest. Bei mir hast du nichts voraus, aber auch gar nichts. Im Gegenteil – ich verabscheue dich. Also bist du hier noch viel weniger als die anderen Lehrlinge. Laß es dir daher nicht etwa einfallen, deinen Posten hier als Sinekure zu betrachten, dann fliegst du, mein Kind – und zwar auf der Stelle. Wir sind hier nämlich kein Vergnügungslokal, sondern eine ernste Arbeitsstätte. Die Vertraulichkeit zwischen uns hört auf, sofern du meine Angestellte wirst. Ich bin für dich Herr Hadebrandt und du für mich Fräulein Runard.
So – nun geh nach Hause und denke gründlich darüber nach, was ich dir in allem Ernst gesagt habe. Willst du dich dennoch als nützliches Arbeitsglied in diese Kette einreihen, dann komm morgen wieder – sonst bleib fern.«
Nach diesen schonungslosen Worten wandte er sich seiner schriftlichen Arbeit zu, ohne Ebba weiter zu beachten, die wie erstarrt in ihrem Sessel saß. So hatte noch niemand mit ihr gesprochen – selbst der strengste Lehrer in der Schule nicht. Und es kam dem durch Muttergüte verwöhnten Geschöpf die Ahnung, daß das Leben sich außer den vier Wänden anders gestaltete, als sie gedacht.
*
Am nächsten Morgen erschien Ebba in Holgers Privatkontor.
Mißtrauisch sah der Mann in das bildhübsche Mädchengesicht, in die nicht minder hübschen Augen, die an seinem Antlitz hingen mit bittendem Blick.
Sollte es möglich sein, daß seine harten Worte so segensreich gewirkt haben könnten?
»Nun, Ebba, wie hast du dich entschieden?« forschte er, und da glitt ein Lachen über das rosige Mädchengesicht.
»Ich möchte als Lehrling hier eintreten, Holger. Oder muß ich auch die formelle Anrede gebrauchen, wenn wir allein sind«, fragte sie fast demütig.
»Selbstverständlich«, entgegnete er kalt. »Chef ist Chef – und Angestellte ist Angestellte. Da scheidet jede private Beziehung aus.«
»Na, schön«, meinte sie friedfertig. »Ordnung muß ja auch schließlich sein. Bin ich nun angestellt?«
»Für ein Vierteljahr auf Probe. Sie können jedoch fristlos entlassen werden, falls Sie ihren Pflichten nicht nachkommen oder sich sonst etwas zuschulden kommen lassen. Folgen Sie mir, damit ich Sie mit den andern Angestellten bekannt machen kann.«
Was Ebba nun zu sehen bekam, ließ sie immer wieder staunen. So groß hatte sie sich den Betrieb nicht vorgestellt. In den hohen, weiten Zimmern, durch die der Chef sie führte, arbeiteten zahlreiche Angestellte, mit denen das neue Lehrmädchen nun bekannt gemacht wurde.
Ernst und sicher schritt der Chef durch die Räume, wie eben ein Gebieter schreitet, der des Respekts sicher ist. Dadurch stieg er in Ebbas Augen ganz beträchtlich. Ihr Herz klopfte vor Genugtuung und Stolz, daß dieser gebietende Mann ihr durch freundschaftliche Beziehungen näher stand als den andern im Betrieb.
Als sie das letzte Zimmer betraten, durchfuhr ihr Herz ein freudiger Schreck. Denn unter den vier Herren, die an ihren Schreibtischen saßen, befand sich auch Egolf Dietsch. Als sie ihm zur Begrüßung die Hand reichte, konnte sie nicht unterlassen, ihm einen koketten Blick zuzuwerfen, auf den er jedoch nicht reagierte, sondern sich formell vor ihr verneigte. Kein Zeichen des Erkennens blitzte in seinen Augen auf.
Nachdem auch die Bekanntmachung mit den anderen Herren erfolgt war, sagte der Chef:
»Für heute sind Sie entlassen, Fräulein Runard. Finden Sie sich morgen um acht Uhr in diesem Zimmer ein, wo der Herr Prokurist Ihnen Ihren Arbeitsplatz zuweisen wird. Gehen Sie bitte durch diese Tür, dann gelangen Sie auf den Korridor, von dem aus Sie das Portal leicht finden werden.«
Der kommt sich vielleicht vor! dachte Ebba ärgerlich, als sie abtrollte. Ein wenig freundschaftlicher hätte er sich zu mir ruhig stellen können, ohne dabei seiner Würde etwas zu vergeben. Nachdem sie verschwunden war, wandte der Chef sich an den Prokuristen:
»Seien Sie so freundlich, mir in mein Zimmer zu folgen, Herr Meiber. Ich möchte etwas mit Ihnen besprechen. Guten morgen, meine Herren!«
»Guten Morgen, Herr Hadebrandt!« grüßten diese zurück.
Jetzt saß der Prokurist seinem Chef in dessen Privatzimmer gegenüber. Bedächtig steckte der Mann, der wegen seiner rosigen Rundlichkeit unter den Angestellten den Spitznamen »Nukkelchen« trug, die gute Zigarre, die sein Gebieter ihm angeboten, in Brand und tat genießerisch einige Züge. Dabei horchte er aufmerksam auf das, was sein Vorgesetzter ihm zu sagen hatte.
»Entschuldigen Sie, Herr Meiber, daß ich über ihren Kopf hinweg eine Lernende eingestellt habe, was ja gewöhnlich Ihr Amt ist. Aber die Kleine ist so arbeitswütig, daß sie anrückte, ehe ich Sie verständigen konnte.«
Meiber kreiste die Zigarre vor seiner Nase und zog mit Behagen den köstlichen Duft des Tabaks ein. Dabei ging ihm blitzschnell durch sein Hirn, was er von der neuen Angestellten wußte. Und zwar von seiner jüngsten Tochter, die mit Ebba Runard zusammen die Schulbank gedrückt hatte. Deren Urteil über ihre Klassenkameradin war folgendes: Frech, vorlaut, faul und überheblich. Ein Ärgernis der Lehrer und eine ungeliebte Mitschülerin. Dabei kokettierte sie mit allen Jungen, wie seine Kleine sich burschikos ausdrückte.
»Hm«, meinte er vorsichtig. »Somit wäre Fräulein Runard Volontärin…«
»Keineswegs, Herr Meiber. Sie hat den anderen Lehrlingen nichts voraus. Allerdings muß darauf Rücksicht genommen werden, daß sie keine kaufmännische Vorbildung hat. Sie soll mal erst auf ihre Eignung geprüft werden, daher habe ich eine vierteljährliche Probezeit vereinbart – und Sie sollen ihr Prüfer sein. Es tut mir leid, daß ich Sie damit behelligen muß, mein Getreuer, aber Sie eignen sich doch nun mal am besten dazu.«
»Das macht mir nichts aus, Herr Hadebrandt. Wenn ich auf das Fräulein keine Rücksicht zu nehmen brauche, werde ich es schon drillen.«
»Richtig, Herr Meiber, packen Sie das kapriziöse Persönchen herzhaft an. Ich glaube, es hat das nötig.«
»Will mir auch so scheinen«, schmunzelte der gemütliche Herr. »Auf mich können Sie sich jedenfalls verlassen. Am besten ist, wenn ich die Kleine in mein Büro nehme, damit ich sie ständig unter Augen habe. Da kann sie wenigstens kein Unheil anrichten.«
Nun mußte Holger lachen. »Sie scheinen ja gut im Bilde zu sein…«
»Durch meine Tochter, die auf einer Schulbank mit ihr saß.«
»Dann brauche ich Ihnen ja keine weiteren Erklärungen zu geben – auch nicht, warum ich mich mit dem Mädchen befasse…«
»Nein, Herr Hadebrandt – ich weiß Bescheid.«
»Ich danke Ihnen, Herr Meiber.«
Die Hände schlossen sich mit warmem Druck – und zufrieden kugelte »Nuckelchen« von dannen.
*
Holger war stolz auf seine schöne Mutter und hing in Liebe und Verehrung an der prächtigen Frau. Er tat nie etwas, bevor er nicht ihre Meinung gehört, ihren Rat eingeholt hatte – sehr zu seinem Nutz und Frommen.
Und so stolz, wie er auf seine Mutter, so stolz war diese auf ihren Sohn. Er hatte ihr und seinem vor vier Jahren verstorbenen Vater keine ernstlich trübe Stunde bereitet.
Nur daß er nicht heiraten wollte, das bereitete der Mutter argen Kummer. Bis zu seinem fünfunddreißigsten Jahr behauptet er, immer noch nicht die Richtige gefunden zu haben. Und als er sie denn fand, war und blieb sie ihm unerreichbar. Eine wohlbekannte Stimme, die aus dem nebenanliegenden Zimmer zu ihr drang, ließ sie aufhorchen. Sollte das etwa –?
Tatsächlich, sie hatte sich nicht getäuscht; denn gleich darauf stand Mechthild Runard vor ihr. Frau Anne hatte Mühe, ein bitteres Gefühl nicht aufkommen zu lassen. Natürlich, nun die Tochter ihren Willen durchgesetzt hatte, geruhte die Mutter gnädig zu erscheinen. Anders hätte sie wohl nie mehr den Weg hierher gefunden, wo man ihr Kind nicht himmelhoch pries, wie ihre Muttereitelkeit es verlangte.
So sehr Frau Hadebrandt sich auch bemühte, allein, es gelang ihr nicht, den herzlichen Ton