Gesammelte Werke. Джек ЛондонЧитать онлайн книгу.
war, die auf Daylights Schultern ruhte, die Sonntage hielt er sich frei, um in die Berge zu reiten. Selbst der regnerische Winter machte seinen Ritten mit Dede kein Ende. Eines Sonnabends nachmittags aber sagte sie ihm ganz unerwartet ab, und als er auf eine Erklärung drang, berichtete sie:
»Ich habe Mab verkauft.«
Daylight war sprachlos. Ihre Handlungsweise konnte so ernste Folgen haben, daß sie fast nach Verrat schmeckte. Sie konnte große pekuniäre Verluste erlitten haben. Sie konnte ihm auf diese Weise mitteilen wollen, daß sie seiner überdrüssig war. Oder ... »Was ist los?« brachte er schließlich hervor.
»Ich konnte sie nicht mehr halten, wo das Heu jetzt fünfundvierzig Dollar die Tonne kostet«, antwortete Dede.
»Ist das der einzige Grund?« forschte er und sah ihr gerade in die Augen, denn er erinnerte sich, von ihr gehört zu haben, daß sie das Pferd einen ganzen Winter behalten hatte, obgleich das Heu sechzig Dollar kostete.
»Nein. Die Ausgaben für meinen Bruder haben sich gesteigert, so daß ich sie nicht mehr beide durchbringen könnte, und so trennte ich mich lieber vom Pferde und behielt den Bruder.«
Daylight wurde von unsagbarer Traurigkeit erfaßt. Er gewahrte plötzlich eine große Leere in seinem Innern. Was war ein Sonntag ohne Dede? Und Sonntag über Sonntag ohne sie? Verstört trommelte er mit den Fingern auf dem Schreibtisch.
»Wer hat das Pferd gekauft?« fragte er.
Dedes Augen funkelten ihn durchaus nicht freundlich an, gerade so, wie er sie kannte, wenn sie böse war.
»Wagen Sie nicht, sie mir zurückzukaufen«, rief sie. »Und leugnen Sie nicht, daß Sie das im Sinne hatten.«
»Nein, ich leugne es nicht. Es war meine Absicht. Aber ich hätte es nicht getan, ohne Sie erst gefragt zu haben, und da ich nun weiß, wie Sie drüber denken, frage ich Sie nicht einmal. Aber Sie hingen so an dem Tier, und es ist hart für Sie, daß Sie es verlieren müssen. Es tut mir wirklich leid. Und es tut mir auch leid, daß Sie morgen nicht mit mir reiten können. Ich bin ganz verzweifelt. Ich weiß nicht, was ich anstellen soll.«
»Das weiß ich auch nicht,« räumte Dede traurig ein, »es wäre denn, daß ich etwas nähte.«
»Aber ich hab' ja nichts zu nähen.«
Daylights Ton war halb scherzend, halb klagend, aber im geheimen war er entzückt über ihr Geständnis, daß auch sie sich einsam fühlte. Sie das sagen zu hören, wog fast den Verlust des Pferdes auf. So bedeutete er also doch etwas für sie. Er war ihr nicht ganz gleichgültig.
»Ich möchte, daß Sie es sich noch einmal überlegten, Fräulein Mason«, sagte er weich. »Nicht allein des Pferdes, sondern meinetwegen. Das Geld spielt doch wirklich keine Rolle. Wenn ich das Pferd kaufe, so bedeutet das für mich nicht mehr als für die meisten Männer, wenn sie einer jungen Dame einen Blumenstrauß oder eine Schachtel Konfekt schicken. Und ich habe Ihnen nie Blumen oder Konfekt geschickt.« Er bemerkte den warnenden Schimmer in ihren Augen und beeilte sich, ihre Ablehnung zu parieren. »Ich will Ihnen sagen, was wir tun werden. Was meinen Sie, wenn ich das Pferd kaufe und Ihnen leihe, wenn wir ausreiten wollen? Dabei ist doch nichts. Ein Pferd kann man doch von jedem leihen, nicht wahr?«
Wieder las er die Ablehnung in ihren Augen und kam ihr zuvor:
»Es gibt doch massenhaft Männer, die Frauen im Buggy mitnehmen. Dabei ist doch nichts. Und der Mann liefert stets Pferd und Wagen. Schön, was für ein Unterschied ist es dann, ob ich mit Ihnen ausfahre und Pferd und Wagen liefere oder mit Ihnen ausreite und das Pferd stelle?«
Sie schüttelte den Kopf, ohne zu antworten, und sah gleichzeitig zur Tür, als wäre es Zeit, das Gespräch zu beenden. Er machte noch eine Anstrengung.
»Wissen Sie, Fräulein Mason, daß ich nicht einen Freund auf der Welt habe außer Ihnen? Ich meine, einen wirklichen Freund, Mann oder Frau, einen guten Kameraden, mit dem zusammen zu sein eine Freude, getrennt zu sein ein Kummer ist. Vielleicht käme noch Hegan in Betracht, aber es liegen Millionen Meilen zwischen ihm und mir. Außerhalb der Geschäfte passen wir nicht zusammen. Er hat eine riesige Bibliothek und eine verschrobene Art von Kultur. Ich habe keinen Kameraden außer Ihnen, und Sie wissen ja selbst, wie selten wir zusammen waren – einmal wöchentlich und nur, wenn es nicht regnete. Ich bin ganz abhängig von Ihnen geworden. Sie sind mir eine Art von – von – von –«
»Eine Art von Gewohnheit«, sagte sie lächelnd.
»Ja, so was Ähnliches. Und das Pferd und Sie darauf, wie Sie unter den Bäumen oder im Sonnenschein dahergeritten kommen – ja, wenn ich das entbehren soll, dann habe ich nichts mehr, um mich die ganze Woche darauf zu freuen. Wenn Sie mir doch erlauben wollten – es Ihnen zurückzukaufen –.«
»Nein, nein, ich sage nein!« Dede erhob sich ungeduldig, aber ihre Augen waren feucht bei dem Gedanken an ihr geliebtes Pferd. »Bitte erinnern Sie mich nicht mehr an Mab. Wenn Sie denken, daß es mir leicht geworden ist, mich von ihr zu trennen, so irren Sie sich. Aber ich habe sie zum letztenmal gesehen und will sie vergessen.«
Daylight erwiderte nichts, und die Tür schloß sich hinter ihr.
Eine halbe Stunde später konferierte er mit Jones, einem früheren Liftboy und wütenden Proletarier, den Daylight ein Jahr lang unterhalten hatte, damit er sich der Literatur widmen konnte. Das Ergebnis, ein Roman, war ein Fehlschlag gewesen. Weder Redakteure noch Verleger hatten ihn auch nur ansehen wollen, und Daylight benutzte den enttäuschten Autor jetzt als eine Art Privatdetektiv. Jones, der gern so tat, als ob er durch nichts zu verblüffen sei, zeigte auch keine Überraschung, als ihm der Auftrag gegeben wurde, herauszufinden, wer eine gewisse Stute gekauft hätte.
»Wie hoch soll ich gehen?« fragte er.
»Zahlen Sie jeden Preis. Sie haben sie herzuschaffen, das ist die Hauptsache. Drücken Sie den Preis soviel wie möglich, um keinen Verdacht zu erregen. Dann liefern Sie das Pferd an diese Adresse in Sonoma ab. Der Mann ist Verwalter auf einer kleinen Ranch, die ich gekauft habe. Sagen Sie ihm, daß er gut für das Pferd sorgen soll. Und nachher vergessen Sie die ganze Geschichte wieder. Erzählen Sie mir nicht den Namen des Mannes, von dem Sie das Tier bekommen haben, nur daß sie es abgeliefert haben. Savvy?«
Nach einigen Tagen bemerkte Daylight einen unheilverkündenden Schimmer in Dedes Augen.
»Ist etwas los – was?« fragte er kühn.
»Mab«, sagte sie. »Der Mann, der sie gekauft hatte, hat sie schon wieder verkauft. Wenn ich wüßte, daß Sie dahinter steckten – –.«
»Ich weiß nicht einmal, wer sie gekauft hat«, lautete Daylights Antwort. »Und mehr noch: Ich will mir nicht den Kopf darüber zerbrechen. Es war Ihr Pferd, und was Sie damit machen, hat nichts mit meinem Geschäft zu tun. Sie haben sie nicht mehr, das ist sicher, und das ist ein Jammer. Aber da wir gerade mal dabei sind, möchte ich eine Sache mit Ihnen besprechen. Und Sie dürfen sich nicht davon verletzt fühlen, denn es geht Sie eigentlich gar nichts an.«
Es trat eine Pause ein, in der sie ihn beinahe mißtrauisch betrachtete.
»Wie steht es mit Ihrem Bruder? Der Verkauf Ihres Pferdes wird wohl kaum genügen, ihn nach Deutschland zu schicken. Und dahin muß er ja, wie seine eigenen Ärzte sagen – zu dem großen deutschen Spezialisten, der den Leuten Knochen und Fleisch herausreißt. Grütze daraus macht und sie ihnen dann neu wieder einsetzt. Schön, ich will ihn nach Deutschland schicken und diesem Wunderkerl eine Chance geben, das ist alles.«
»Ach, wenn das möglich wäre«, sagte sie fast atemlos und ganz ohne Ärger. »Aber Sie wissen ja selbst, daß es nicht möglich ist. Ich kann kein Geld von Ihnen annehmen – –«
»Warten Sie«, unterbrach er sie. »Würden Sie einen Schluck Wasser von einem der zwölf Apostel annehmen, wenn Sie am Verdursten wären? Oder wären Sie bange, daß er unlautere Absichten hätte,« – sie machte eine abwehrende Handbewegung – »oder was die Leute darüber sagen würden?«
»Aber das ist doch etwas ganz anderes«, begann sie.
»Sehen Sie mal, Fräulein