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Gesammelte Werke. Джек ЛондонЧитать онлайн книгу.

Gesammelte Werke - Джек Лондон


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wie sie gedacht, als er in dem Buch, das dort auf dem Tische lag, dieses Mädchen, die Iseult, schilderte. Dies ganze Übermaß an Sinneseindrücken und Gedanken bestürmte ihn in einem Augenblick. Die wirklichen Dinge, zwischen denen er sich bewegte, geboten ihnen keinen Halt. Er sah, wie sie die Hand ausstreckte und ihm gerade in die Augen blickte, wobei sie ihm die Hand so freimütig schüttelte, als wäre sie ein Mann. Die Frauen, die er bisher gekannt hatte, schüttelten die Hand nicht auf diese Weise. Die meisten von ihnen gaben überhaupt nicht die Hand. Eine Flut von Gedankenverbindungen und Erinnerungen daran, wie er die Bekanntschaft von Frauen gemacht hatte, schlug über seinem Bewußtsein zusammen und drohte es unter sich zu begraben. Aber er schüttelte sie ab und betrachtete das Mädchen. Noch nie hatte er ein solches weibliches Wesen gesehen. Die Frauen, die er gekannt hatte! Sofort stellten sich die Frauen, die er gekannt hatte, zu beiden Seiten neben ihr auf. Eine ewig währende Sekunde stand er mitten in einer Bildnisgalerie, deren Mittelpunkt sie bildete, und um sie scharten sich viele Frauen, die alle mit blitzschnellem Blick gewogen und gemessen werden sollten, während sie selbst die Gewichts- und Maßeinheit darstellte. Er sah die blassen, kränklichen Gesichter der Fabrikarbeiterinnen und die albernen, lauten Mädchen südlich der Market Street, Mädchen aus den Viehdistrikten und dunkelhäutige zigarettenrauchende Mexikanerinnen. Aber die wurden wieder verdrängt von puppenhaften Japanerinnen, die auf Holzklötzen einhertrippelten, von Eurasierinnen, deren feine Züge vom Verfall der Rasse gezeichnet waren, von vollblütigen blumengeschmückten, braunhäutigen Südseeinsulanerinnen. Sie alle wurden ausgelöscht durch eine lächerliche und doch furchtbare Brut – tückische, schmutzige Geschöpfe aus den Straßen Whitechapels, branntweinduftende Hexen der Gassen und der ganze große Höllenschwarm von Harpyen, bösmäulig und dreckig, Ungeheuer in Weibergestalt, die auf Seeleute lauerten, der Abschaum der Häfen, der Bodensatz der Menschheit.

      »Wollen Sie nicht Platz nehmen, Herr Eden?« sagte das Mädchen. »Seit Arthur uns von Ihnen erzählte, habe ich mich so darauf gefreut, Sie kennenzulernen. Es war tapfer von Ihnen –«

      Er machte eine abwehrende Handbewegung und murmelte, das, was er getan habe, sei nicht der Rede wert. Jeder andere hätte genau so gehandelt. Sie bemerkte, daß seine Hand von frischen, in der Heilung begriffenen Hautabschürfungen bedeckt war, und ein Blick auf die andere Hand zeigte ihr, daß sie sich in derselben Verfassung befand. Ihr schneller prüfender Blick entdeckte auch eine Narbe an seinem Kinn, eine zweite unter den Haaren verschwindende Narbe auf seiner Stirn und eine dritte am Halse, wo sie unter dem steifen Kragen verschwand. Sie unterdrückte ein Lächeln beim Anblick des roten Strichs, den der Kragen in die sonnenverbrannte Haut gerieben hatte. Er war offenbar nicht gewohnt, steife Kragen zu tragen. Ihr weiblicher Blick schweifte auch über seine Kleidung und bemerkte den schlechten, ungeschickten Schnitt, den Rock, der sich an den Schultern beutelte, und die Falten in den Ärmeln, die seine mächtigen Muskeln ahnen ließen.

      Während er die Handbewegung machte und murmelte, daß er nichts getan hätte, kam er ihrer Aufforderung, sich zu setzen, nach. Er hatte gerade noch Zeit, die Leichtigkeit zu bewundern, mit der sie sich setzte, dann taumelte er nieder auf einen Stuhl, der dem ihren gegenüberstand, überwältigt von dem Bewußtsein seiner eigenen Ungeschicklichkeit. Das war ihm etwas ganz Neues. Sein ganzes Leben, bis zu diesem Tage, hatte er nicht darüber nachgedacht, ob er gewandt oder linkisch war. Er war gar nicht auf derartige Gedanken gekommen. Er setzte sich vorsichtig auf die Stuhlkante und wußte durchaus nicht, wo er mit seinen Händen bleiben sollte. Wohin er sie auch steckte, waren sie im Wege. Arthur verließ das Zimmer, und Martin Eden sah ihm mit sehnsüchtigen Blicken nach. Wie er allein mit diesem blassen Mädchen hier saß, kam er sich ganz verloren vor. Hier gab es keinen Kellner, bei dem er sich etwas zu trinken bestellen, keinen Jungen, den er nach einer Kanne Bier um die Ecke schicken konnte, um mit Hilfe eines gemeinsamen Trunkes die Grundlage für eine freundschaftliche Verständigung zu schaffen.

      »Sie haben eine Narbe am Hals, Herr Eden«, sagte das Mädchen. »Wie haben Sie die bekommen? Das ist sicher ein ganzes Abenteuer.«

      »Ein mexikanisches Messer, Fräulein«, antwortete er, indem er sich die trockenen Lippen anfeuchtete und sich räusperte. »Es war nur eine Schlägerei. Als ich ihm das Messer weggenommen hatte, versuchte er mir die Nase abzubeißen.«

      So nüchtern er das sagte, stand doch vor seinem Auge das farbenprächtige Bild jener heißen, sternenklaren Nacht in Salina Cruz, der schmale weiße Strand, die Lichter der Zuckerdampfer im Hafen, die Stimmen der betrunkenen Seeleute in der Ferne, die fleißigen Güterpacker, die flammende Leidenschaft im Gesicht des Mexikaners, das Funkeln seiner Raubtieraugen im Sternenlicht, der Stich in den Hals, das hervorschießende Blut, die schreiende Menge, die beiden Körper – seiner und der des Mexikaners –, die, ineinander verschränkt, wütend über den Sand rollten, und weit in der Ferne das weiche Klimpern einer Gitarre. Das war das Bild, das er sah, und das ihn völlig in Anspruch nahm, während er darüber nachdachte, ob der Mann, der den Lotsenkutter an der Wand gemalt hatte, auch das wohl malen könnte. Der weiße Strand, die Sterne, die Lichter auf dem Zuckerdampfer müßten ein prachtvolles Bild ergeben, dachte er, und mitten auf dem Strand dazu die dunkle Gruppe, die die Kämpfenden umgab. Das Messer würde auch seinen Platz auf dem Bilde haben, entschied er, und es würde großartig aussehen, wie es im Sternenlicht funkelte. Aber von alledem wurde seine Erzählung nicht berührt. »Er versuchte, mir die Nase abzubeißen«, schloß er.

      »Oh!« sagte das junge Mädchen mit leiser, ferner Stimme, und er bemerkte den erschrockenen Ausdruck in ihren beweglichen Zügen.

      Er erschrak selbst, und eine schwache Röte der Verlegenheit stieg ihm in die sonnenverbrannten Wangen, aber er hatte das Gefühl, daß sie ebenso stark brannten, wie wenn er vor der offenen Heizungstür im Feuerungsraum gestanden hätte. Derartige schmutzige Dinge wie Messerstechereien waren offenbar kein Unterhaltungsgegenstand für eine Dame. In den Büchern sprachen Menschen ihres Standes nicht über derlei – wußten vielleicht gar nichts davon.

      Eine kurze Pause trat in dem Gespräch ein, das sie gerade in Gang zu setzen versuchten. Dann fragte sie nach der Narbe an seiner Wange. Als sie fragte, merkte er, daß sie sich bemühte, so zu sprechen, wie er zu sprechen gewohnt war, und er beschloß, in ihrer Sprache zu antworten.

      »Das war nur ein Unfall«, sagte er und legte die Hand an die Wange. »Eines Nachts, bei stillem Wetter und schwerer See, sprang die Großbaumtopnant und gleich darauf die Talje. Die Topnant war aus Stahldraht und fuhr wie eine Schlange hin und her. Die ganze Wache versuchte sie einzufangen, und ich kriegte beim Zupacken mächtig eins in die Fresse.«

      »Oh!« sagte sie, diesmal in einem Ton, als hätte sie alles verstanden, obwohl seine Sprache das reine Griechisch für sie gewesen war und sie gern gewußt hätte, was eine Topnant war und was Fresse bedeutete.

      »Dieser Mann, der Swineburne«, begann er mit einem Versuch, seinen Plan zur Ausführung zu bringen.

      »Wer?«

      »Swineburne,« sagte er mit derselben falschen Aussprache, »der Dichter.«

      »Swinburne«, berichtigte sie.

      »Ja, das meine ich auch«, stammelte er wieder mit heißen Wangen. »Wann ist er gestorben?«

      »Wie bitte? Ich habe nie gehört, daß er tot ist!« Sie betrachtete ihn neugierig. »Wo haben Sie seine Bekanntschaft gemacht?«

      »Ich habe ihn nie gesehen«, lautete die Antwort. »Aber ich habe einige von seinen Gedichten in dem Buch dort auf dem Tisch gelesen, ehe Sie hereinkamen. Wie finden Sie seine Gedichte?«

      Und jetzt begann sie schnell und leicht über den Gegenstand zu sprechen, den er aufs Tapet gebracht hatte. Er fühlte sich wohler und setzte sich etwas mehr auf den Stuhl, stützte sich aber immer noch fest mit den Armen auf die Lehnen, als fürchtete er, daß er unter ihm hinwegschlüpfen würde. Es war ihm geglückt, sie zum Sprechen zu bringen. Und während sie drauflos redete, strengte er sich an, ihr zu folgen, verwundert über all das Wissen, das in dem reizenden Köpfchen steckte, und freute sich über die blasse Schönheit ihres Gesichts. Er folgte ihr auch, obwohl ihn unbekannte Worte, die leicht von ihren Lippen glitten, und kritische Bemerkungen und Gedanken störten, die ihm fremd waren, die aber doch seinen Geist reizten und entflammten. Hier war geistige Regsamkeit, dachte er, und hier war Schönheit,


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