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Das Dekameron. Giovanni BoccaccioЧитать онлайн книгу.

Das Dekameron - Giovanni  Boccaccio


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es wäre Sünde und Schande, ihn so krank aus dem Hause zu schaffen, nachdem die Leute gesehen haben, dass wir ihn bei gesunden Tagen gut aufgenommen und ihn hernach mit aller Sorgfalt haben pflegen lassen; und nun, da er uns keine Ursache zum Missvergnügen kann gegeben haben, sollten wir ihn plötzlich, und noch dazu todkrank, fortschicken? Andererseits aber ist er ein so gottloser Bursche gewesen, dass er jetzt nicht wird beichten oder irgendein Sakrament gebrauchen wollen, und wenn er ohne Beichte stirbt, so wird man seinen Leichnam in keiner Kirche aufnehmen, sondern ihn wie einen Hund in eine Grube werfen. Ja, wenn er auch beichtete, so sind seine Sünden so groß und abscheulich, dass es ihm nicht besser gehen wird, denn weder Mönch noch Priester werden ihn lossprechen wollen oder können, um zu verhüten, dass er nicht ebenso ohne Absolution auf den Anger geworfen werde. Wenn aber dieses geschähe, so würden die Leute in dieser Stadt (die uns nicht nur wegen unseres Gewerbes, das ihnen verhasst ist, Böses nachreden, sondern auch die größte Lust haben, uns bis aufs Hemd auszuplündern) einen Auflauf erregen, würden über die lombardischen Hunde schreien, welche die Kirche abgewiesen hat, und würden uns nicht länger das Brot gönnen, sondern uns das Haus stürmen und vielleicht nicht nur unsere Güter rauben, sondern auch unser Leben antasten, sodass es auf alle Weise misslich mit uns steht, wenn er sterben sollte.“ Ciappelletto, der wie gesagt nicht weit davon lag, wo jene miteinander flüsterten, hatte ein feines Gehör, wie es die Kranken oft haben, und verstand alles, was sie von ihm sprachen. Er ließ sie zu sich rufen und sagte zu ihnen: „Ich wünschte nicht, euch auf irgendeine Weise um meinetwillen in Verlegenheit zu wissen, oder euch die Besorgnis zu verursachen, dass ihr meinetwegen in Schande und Unglück geraten solltet. Ich habe alles gehört, was ihr von mir gesprochen habt, und ihr habt freilich Recht, dass es so kommen würde, wie ihr fürchtet, wenn das geschähe, was ihr voraussetzt; allein es soll schon anders gehen. Ich habe in meinem Leben an unserem Herrn Gott so vieles gesündigt, dass eine Sünde mehr oder weniger am Rande des Grabes nichts verschlimmern oder verbessern wird. Lasst mir demnach nur den frömmsten und besten Pater herkommen, den ihr finden könnt (wenn ein solcher zu haben ist), und lasst mich nur machen, so sollt ihr sehen, dass ich eure und meine Angelegenheit in Ordnung bringen will, wie sich‘s gebührt. Ihr sollt mit mir zufrieden sein.“ Die beiden Brüder bauten zwar nicht viel auf diese Versicherung, nichtsdestoweniger gingen sie nach einem Kloster und begehrten einen klugen und frommen Mann, um die Beichte eines Lombarden zu hören, der in ihrem Hause krank läge. Man gab ihnen auch einen alten Klosterbruder von sehr erbaulichem, frommem Wandel mit, einen in der Schrift wohlgelehrten und sehr ehrwürdigen Mann, der bei allen Bürgern in der Stadt in besonderem Ansehen und Hochachtung stand, und sie führten ihn nach ihrem Hause. Wie er in die Kammer des Ciappelletto kam und sich neben sein Bett gesetzt hatte, fing er zuerst an, ihn mit Sanftmut zu trösten, und fragte ihn dann, wie lange es wäre, seitdem er zum letzten Mal gebeichtet hätte.

      Ciappelletto, der nie zur Beichte gegangen war, gab ihm zur Antwort: „Mein Vater, es ist immer meine Gewohnheit gewesen, wöchentlich wenigstens einmal zu beichten, wiewohl ich es auch oft mehrmals getan habe, aber die Wahrheit zu sagen, seit meiner Krankheit, die nun schon über acht Tage dauert, habe ich noch gar nicht gebeichtet; so sehr hat sie mir zugesetzt.“

      „Recht getan, mein Sohn“, sprach der Pater, „und nur immer so fortgefahren! Ich merke wohl, da du so oft beichtest, so werde ich wenig Mühe haben, dich zu vernehmen und zu befragen.“

      „Sagt das nicht, lieber Vater“, sprach Ciappelletto. „Ich habe nie so oft und so viel gebeichtet, dass ich nicht wünschen sollte, eine allgemeine Beichte meiner Sünden abzulegen, soweit ich mich ihrer von dem Tage meiner Geburt an bis an den Tag meiner Beichte erinnern kann. Darum bitte ich Euch, bester Pater, mich über alle Dinge so streng zu befragen, als ob ich noch nie gebeichtet hätte. Und kehrt Euch nur nicht daran, dass ich so krank bin; denn ich will weit lieber mein Fleisch und Blut kreuzigen, als ihnen zu Gefallen etwas tun, das meiner Seele zum Verderben gereichen könnte, die mein Heiland mit seinem teuren Blute erkauft hat.“

      Diese Worte gefielen dem frommen Geistlichen überaus und schienen ihm ein Beweis eines christlich gesammelten Gemüts zu sein, daher er denn, nachdem er ihm darüber sein Wohlgefallen bezeugt hatte, den Anfang damit machte, dass er ihn fragte, ob er sich jemals der Wollust mit dem weiblichen Geschlecht schuldig gemacht hätte.

      Ciappelletto antwortete ihm mit einem Seufzer: „Lieber Pater, ich schäme mich, Euch über diesen Punkt die Wahrheit zu sagen, weil ich fürchte, in die Sünde der Ruhmredigkeit zu verfallen.“

      „Redet frei heraus“, sprach der Pater, „denn wenn man die Wahrheit sagt, so sündigt man nicht, weder in der Beichte noch anderswo.“

      „Nun, weil Ihr mich denn darüber beruhigt“, sprach Ciappelletto, „so will ich‘s Euch sagen: Ich bin noch so rein, wie ich aus dem Mutterleibe gekommen bin.“ „Gott segne dich!“ sprach der Pater. „Ach, wie wohl hast du getan, und wie viel größer war dabei dein Verdienst als das unsrige, da es in deiner Willkür stand, anders zu handeln, da es hingegen mir und meinen andern Ordensbrüdern durch unsere Regeln verboten ist!“

      Hierauf fragte der Pater, ob er auch wohl durch die Sünde der Schwelgerei dem Himmel missfällig geworden wäre. „Ach, leider mehr als zu oft!“ versetzte Ciappelletto und seufzte abermals sehr stark dabei. „Denn obgleich ich außer den großen Fasten, welche die gottseligen Leute jährlich beobachten, noch wöchentlich wenigstens drei Tage bei Brot und Wasser zu fasten gewohnt bin, so habe ich doch, besonders nach irgendeiner mühsamen Arbeit, oder während derselben, oder auf einer Wallfahrt das Wasser oft mit eben der Wollust getrunken, womit die Trinker den Wein genießen, und nicht selten war ich nach einem leckeren Krautsalat lüstern, wie ihn die Weiber auf dem Lande machen, auch hat mir bisweilen das Essen nachher weit besser geschmeckt, als es, wie ich glaube, demjenigen schmecken sollte, der aus Bußfertigkeit fastete.“ „Lieber Sohn!“ sprach der Pater, „dergleichen Sünden sind so natürlich und leicht, dass du dein Gewissen damit nicht mehr als nötig beschweren musst. Es begegnet wohl einem jeden Menschen, sei er so heilig wie er wolle, dass ihm nach langem Fasten das Essen und ein Trank nach schwerer Arbeit herzlich wohlschmeckt.“

      „Ach, bester Pater!“ antwortete Ciappelletto, „sprecht doch nicht so, um mich zu trösten, bedenkt nur, dass ich wohl wissen muss, eine jede Sache, die man tut, um Gott wohlgefällig zu sein, müsse aus reinem Herzen und ohne Widerwillen geschehen, und dass ein jeder, der anders handelt, sündigt.“

      Entzückt gab ihm der Pater zur Antwort: „Es freut mich, mein Sohn, dass du es so betrachtest, und ich erkenne mit großem Wohlgefallen daraus die Zartheit deines Gewissens. Sage mir noch, hast du dich des Geizes schuldig gemacht und gewünscht, mehr zu besitzen als dir beschieden war, oder dir etwas zugeeignet, das dir nicht gebührte?“

      Ciappelletto versetzte: „Ehrwürdiger Pater! Es wäre mir leid, wenn Ihr übel von mir dächtet, weil ich hier bei diesen Wucherern wohne. Ich habe nichts mit ihnen zu schaffen, sondern ich halte mich vielmehr bloß deswegen bei ihnen auf, damit ich sie warne und ermahne, von dieser abscheulichen Gewinnsucht zu lassen. Ich glaube auch wirklich, es wäre mir gelungen, wenn mich Gott nicht auf diese Weise heimgesucht hätte. Allein ich muss Euch sagen, dass mein Vater mir einst ansehnliche Reichtümer hinterließ, wovon ich nach seinem Tode den größten Teil den Armen gab und hernach, um mein eignes Leben zu fristen und um den Armen in Christo beizustehen, einen kleinen Handel trieb, bei dem ich freilich nach Gewinn trachtete, aber immer mit der lieben Armut teilte, sodass ich die eine Hälfte für meine Bedürfnisse verwandte, die andere Hälfte den Armen gab; dabei hat mich der Beistand meines Schöpfers dergestalt gesegnet, dass meine äußeren Umstände sich von Tag zu Tag verbessert haben.“

      „Du hast wohl getan“, sprach der Pater. „Aber hast du dich wohl oft vom Zorn hinreißen lassen?“

      „Leider ja“, sprach Ciappelletto, „ich kann Euch versichern, dass mir dies oft genug begegnet ist. Aber wer könnte sich dessen auch enthalten, wenn man sieht, wie die Leute täglich Werke der Finsternis ausüben, die Gebote Gottes nicht halten und sein Gericht nicht fürchten? Wie manchen lieben Tag hätte ich mir nicht lieber den Tod gewünscht als das Leben, wenn ich sehen musste, wie die Jünglinge dem eitlen Tand und Wesen nacheifern, wie sie fluchen und schwören, wie sie in den Weinkneipen umherschwärmen und die Kirche nicht besuchen und viel eher auf den


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