Im Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
sich kaum noch beherrschen.
Aber im letzten Augenblick hielt er sich doch zurück, weil er sich in eine recht prekäre Situation gedrängt hatte.
»Sie hatte sich so aufgeregt wegen des Jungen«, sagte er. »Ich mache mir Sorgen!«
Ja, er machte sich welche, wegen Janus und wegen des Geldes, das Lucia mitgenommen hatte, und auch wegen des Autos, über das er nun nicht verfügen konnte.
»Ob sie zur Klinik gefahren ist?«, überlegte er laut.
Fränzi verriet nichts von ihren Gedanken. Sie zuckte die Schultern.
»Ja, sie muss zur Klinik gefahren sein«, murmelte er. »Wo bekomme ich jetzt einen Wagen her?«
»Nehmen Sie doch den Bus. Er fährt in fünf Minuten. Da unten ist die Haltestelle. Sie können es schaffen«, erklärte Fränzi, die darauf bedacht war, ihn erst mal loszuwerden.
Er setzte sich schon in Bewegung und verschwand grußlos. Gottfried kam von den Ställen.
»Brennt er etwa durch?«, fragte er brummig.
»Er sucht seine Frau«, erwiderte Fränzi mit anzüglicher Betonung. »Sie scheint durchgebrannt zu sein. Sie muss in der Nacht weggefahren sein. Ich habe Motorengeräusch gehört. Na, uns soll das gleich sein.«
»Und wenn sie die Rechnung nicht bezahlen?«
»Wir werden es überleben«, entgegnete sie frohgemut. »Es ist immer noch besser, als sie länger auf dem Hals zu haben. So ein Fiasko!«
»Wir können uns doch von den Gästen kein polizeiliches Führungszeugnis schicken lassen«, murmelte er. »Fränzi, es war mir ernst. Wir geben die Pension wieder auf. Ich werde wieder Bauer. So etwas müssen Leute machen, die mehr vom Geschäft verstehen.«
»Wenn es dir ernst ist? Aber ob wir einen Käufer oder Pächter finden?«
»Versuchen können wir es doch mal.«
»Na, darüber können wir noch sprechen, wenn sich der Sturm gelegt hat«, meinte Fränzi.
*
Ursula hatte sich von Hartmut verabschiedet. Er hatte ihr versprochen, am Nachmittag mit Maxi zu kommen.
Sein Auto verschwand, und der Bus nahte. Er brachte jeden Morgen die beiden Reinmachefrauen aus Hohenborn und die Zeitungen. Er nahm die Post mit, mit der Leo Thewald jetzt nahte.
Ursula hatte die Thewalds mittlerweile flüchtig kennengelernt, die so zurückhaltend waren, dass man sie kaum spürte. Die beiden Reinmachefrauen gingen mit freundlichem Gruß an Ursula vorbei.
Leo Thewald nahm die Zeitungen in Empfang und gab dem Fahrer die Posttasche. Doch da stieg hinten Walter Pohl aus.
Von düsteren Gedanken geplagt, hatte er Ursula nicht gleich bemerkt, und auch sie hatte ihn nicht gesehen.
Sie wurde erst aufmerksam, als der Busfahrer sagte: »Heute bekommen Sie schon früh Besuch.«
Ursula wurde es übel, als sie in Walter Pohls Gesicht blickte.
Er stand zur Bildsäule erstarrt und schnappte sichtlich nach Luft.
Leo Thewald blickte verwirrt zwischen ihm und Ursula hin und her.
Dann fragte er: »Möchten Sie zur Sternseeklinik?«
Walter Pohl fuhr sich über die Stirn, als könne er damit Ursulas Anblick verwischen. Tatsächlich meinte er, von einem Trugbild genarrt zu werden.
Er trat einen Schritt vor, dann wieder zurück, und es sah so aus, als wolle er wieder in den Bus steigen. Doch da nahte ein schwerer dunkler Wagen und hielt mit kreischenden Bremsen dicht neben Walter Pohl.
Ein Mann sprang heraus und packte ihn am Arm.
Bertold Busch war ein vierschrötiger Mann und bedeutend kräftiger als der schlanke Walter Pohl, auf dessen Gesichtszügen sich jetzt Furcht breitmachte.
»Wo ist Lucia?«, brüllte Bertold Busch. »Los, reden Sie!«
Da nahm Walter Pohl seine ganze Frechheit zusammen und erklärte: »Was wollen Sie eigentlich? Ich bin wegen dieser Dame hier. Ursula, sag es ihm.«
Die Lähmung wich von ihr. Sie legte den Kopf in den Nacken.
»Ich habe mit diesem Mann nichts zu schaffen!«, stieß sie hervor. »Nicht das Geringste. Ich bin hier Krankenschwester und nehme an, dass Sie Olivers Vater sind«, fuhr sie, zu Bertold Busch gewendet, fort.
»Stimmt. Aber dieser Bursche entkommt mir nicht!«, sagte Bertold Busch grimmig. Und dann traf Walter Pohl, der sich losreißen wollte, ein Boxhieb genau unter dem Kinn. Es war ein klassischer Knockout.
»Oh, du meine Güte!«, bemerkte Leo Thewald. »Wir haben doch nur eine Kinderklinik.«
*
Jedenfalls befand sich nun auch Walter Pohl in der Sternseeklinik, denn er kam erst wieder zu sich, als Bertold Busch ihn mit Hilfe von Leo Thewald dorthin verschleppt hatte.
Dr. Allard staunte nicht schlecht. Die Ankunft von Bertold Busch vollzog sich recht dramatisch.
Er sah Ursula an, und sie konnte zu ihrem eigenen Erstaunen ein Lächeln nicht unterdrücken.
»Herr Busch und Herr Pohl«, sagte sie ironisch.
»Interessant«, bemerkte Dr. Allard. »Ihnen geht es gut, Ursula?«
»Gewiss«, erwiderte sie gelassen.
»Sollten Sie nicht eigentlich schlafen?«
»Ich werde mich besser zur Verfügung halten.«
Dr. Allard atmete sichtbar auf. Sie hat es überwunden, dachte er. Sie hat ihren Schatten übersprungen.
Bertold Busch verlangte zuerst seinen Sohn zu sehen, aber Oliver schlief noch.
»Er hatte eine gute Nacht«, erklärte Dr. Allard. »Ihre Anwesenheit wird ihm helfen. Wir sollten uns wohl erst mit diesem Herrn befassen.«
»Sie müssen mich vor ihm schützen!«, stieß Walter Pohl hervor. »Er ist gewalttätig! Seine Frau hat das Sorgerecht für den Jungen.«
»Wir haben es beide«, entgegnete Bertold Busch. »Ich war ein Idiot, dass ich mich damit einverstanden erklärte. Das werde ich mir nie verzeihen.«
»Wir können uns später noch unterhalten«, meinte Dr. Allard. »Wo ist Frau Busch?«
Walter Pohl zuckte die Schultern.
»Sie ist fort. Sie ist mit dem Wagen und ihrem Gepäck verschwunden.«
»Sie soll bleiben, wo der Pfeffer wächst!«, sagte Bertold Busch wütend. »Mit dir rechne ich noch ab, Bürschchen! Entschuldigen Sie, Herr Doktor, wenn ich Ihnen Unannehmlichkeiten bereite, aber er wird sich für das verantworten müssen, was er meinem Jungen angetan hat.«
*
Es hatte ein wildes Wortgefecht gegeben, denn Walter Pohl versuchte nun, seine Haut zu retten. Aber er hatte niemanden, der ihm beistand.
Als er Ursula hineinziehen wollte, bekam er eine eiskalte Dusche von Dr. Allard. Dann erschien die Polizei und nahm ihn in Gewahrsam.
Bertold Busch hatte es gefordert, und Dr. Allard sah keine Veranlassung, ihn daran zu hindern.
Sie sollten noch eine Überraschung erleben, denn sie erfuhren, dass Walter Pohl schon lange wegen Heiratsschwindels und Betrugs gesucht wurde.
Mochte es für Ursula auch deprimierend sein, überraschen konnte sie es nicht mehr.
Während Schwester Dorle völlig verdattert war, sagte Schwester Selma: »Der Krug geht so lange zum Wasser, bis er bricht.«
Als Walter Pohl weggebracht wurde, saß Ursula an Dagmars Bett.
Sie war dankbar, dass das Kind von alldem nichts wusste und es nie erfahren würde.
Dagmar