Leni Behrendt Staffel 1 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
hättest du Lust, mit mir durch den herrlichen Maiabend zu reiten? Und zwar nach Lindgau, das seine Herrin schon lange entbehrt. Du siehst, auch ich kann poetisch werden.«
»Du und poetisch«, lachte sie kurz auf. »Spotten kannst du – und das aus dem Effeff. Reite allein nach Lindgau, wenn du magst. Ich bin zu müde, um dich zu begleiten. Die Tage mit Jo waren recht anstrengend.«
»Hauptsächlich dann, wenn du sie aus dem Schlaf reißen mußtest. Gestern mit einer Federpose ihren Nacken kitzelnd, heute mit einem nassen Schwamm.«
»Woher weißt du das?«
»Von der charmanten Baronin, die es mir in lachender Entrüstung erzählte. Sie meinte, du wärest doch gar zu übermütig geworden, ich müßte da so ein wenig abstoppen.«
Gott sei Dank –! dachte Doro inbrünstig. Ich fürchtete schon, daß er das unerquickliche Gespräch, das ich am Pfingstmorgen mit Jo führte, belauscht haben könnte.
Und was dann –! sann sie weiter, als sie später im Bett lag. Wäre das so schlimm gewesen? Ja – und nein. Auf jeden Fall wäre die Entscheidung gefallen, die herbeizuführen sie viel zu feige war. Es hätte dann nur noch ein Entweder – Oder gegeben. Entweder sie hätte sich mit Almosen begnügt – oder sie hätte die Ehe lösen müssen.
Und sie konnte doch weder eins noch das andere. Großer Gott, wie war doch das Leben schwer!
Und der große Gott schaute lächelnd herab auf das ratlose junge Menschenkind, dessen Herzrädchen sich heißgelaufen hatten, die nur eine ganz besondere Mechanikerin wieder flottmachen konnte. Und diese Mechanikerin hieß Liebe.
*
Als Doro am nächsten Morgen erwachte, regnete es rieselnd sacht, wie es einem Mairegen zukommt. Dankbar empfing die Natur dieses köstliche Naß und ließ den Duft ihrer Frühlingskinder verschwenderisch verströmen. Er drang durch die geöffnete Altantür bis zu Doros Bett, umschmeichelte das junge Herz und erfüllte es mit Sehnsucht.
Wozu bin ich überhaupt nütze auf der Welt – sann die Dörth ihrem Leben nach. Meinen Eltern habe ich bisher noch wenig Freude gemacht. Trotzdem lieben sie mich und möchten mich nicht missen. Sie würden bitterlich weinen, wenn ich nicht mehr wäre.
Aber so richtig ihres Lebens Inhalt bin ich trotzdem nicht. Das ist Jörn, der intelligente Knabe und Nachfolger des Vaters. Der Sohn ist ihnen Lebensbedürfnis, die Tochter nur der lieben Gewohnheit Kind.
Und was bin ich hier in Rautenau? Nichts weiter als eine Staffage. Man braucht ja jetzt nicht einmal mehr mein Geld.
Und was bin ich der Jo? Viel, gewiß – aber nicht alles. Das ist ihr Bertie.
Weiter kam Doro in ihren trübseligen Betrachtungen nicht, weil die Zofe eintrat. Frisch gewaschen und frisch geplättet, wie ihre Herrin feststellte. Alles an dem zierlichen Persönchen blitzte nur so vor Sauberkeit.
»Guten Morgen, Frau Gräfin!« grüßte es. »Heute gibt’s keine Dusche, heute gibt’s ein Bad bei dem kühlen Wetter.«
»Jawohl, mein Herr Feldwebel!« lachte Doro hellauf. »Da ich unter Ihrer Fuchtel stehe, werde ich mich wohl fügen müssen.«
Sie huschte ins Badezimmer, und Tina sah ihr verklärt nach.
Heute nahm man im Frühstückszimmer das Frühstück ein, wobei die beiden Herren sich Zeit lassen konnten, weil das Regenwetter ihren Arbeitseifer hemmte. Sie trauten alle ihren Augen kaum, als Jo auf der Schwelle stand, ihr entzückendes Spitzbubenlächeln auf dem pikanten Gesichtchen. Über ihrem Kopf ragte ein anderer, männlicher…
»Da sind wir…«, erklärte Jo einfach. »Dem Köder, den ich meinem besessenen Gestüter mit Evalist zuwarf, konnte er denn doch nicht widerstehen.«
Das gab nun ein freudiges Hallo. Die Begrüßung, welche die sonst so zurückhaltenden Sölgerthurns für diese Gäste hatten, wurde bestimmt nicht allen zuteil. Und Doro? Die war einfach aus dem Häuschen, wie man so sagt.
Der Baron Friedbert von Salte, ein großer, hagerer Herr mit guten blauen Augen, der so verschmitzt lächeln konnte, tat es auch jetzt.
»Gegen die List einer Eva kann ich natürlich nicht an. Und darum bin ich hier. Willkommen?«
»Aber sehr«, neckte die Hausherrin. »Denn mit Ihnen brauchen wir ja gar kein Federlesen zu machen, Herr Baron. Wir sperren Sie in den Pferdestall – und dann sind Sie selig.«
»Wunderbar, Frau Gräfin. Fangen wir gleich damit an.«
Wie gut doch der Mann mit dem trockenen Humor und der bedächtigen Art zu seiner quicklebendigen Gattin paßte. Hier hatte sich wieder einmal ein ideales Paar zusammengefunden.
»Nun, habe ich das gut gemacht, mein Dörthlein?« fragte Jo zärtlich, als die junge Gräfin sie in das Fremdenzimmer geführt hatte. »Dein Gesichtchen war aber auch beim Abschied gar zu kläglich. Doch das bemerkte nur ich, die ich dich ja so gut kenne.«
»Sag mal, Jo, was hast du eigentlich vor?« forschte Doro mißtrauisch. »Gedenkst du mich etwa meinem Herrn Gemahl warm ans Herz zu legen?«
»Ich werde mich hüten!«
»Aber irgend etwas planst du, sonst müßte ich dich nicht kennen.«
»Ich weiß gar nicht, was du hast«, wurde Jo jetzt scheinheilig. »Friedbert will sich die Pferdezucht ansehen, deshalb sind wir hier.«
»Na – tru de Düwel dem Ap’theker! Du, ich paß scharf auf, das laß dir nur gesagt sein.«
»Aber natürlich, mein mißtrauisches Marjellchen. Sei ja wachsam – und hüte dein Herz.«
»Worauf du dich verlassen kannst!«
Damit stürmte sie hinaus – und Jo bewegte sich fortan auf Schleichpfaden als Spionin der Liebe. Aber das war nicht so einfach, wie sie bald erkennen mußte. Sie hatte sogar das unangenehme Gefühl, von dem jungen Grafen durchschaut zu werden. Denn dieses amüsierte Lächeln, das blitzartig seinen harten Mund umzuckte, wenn sie Doro so himmelhoch pries, konnte bestimmt nicht von ungefähr kommen.
»Der Mann ist ja noch klüger, als ich annahm«, gestand sie an einem Abend kläglich dem Gatten, als sie sich mit ihm zurückgezogen hatte. »Du kannst ihm auch noch so geschickt die Falle stellen, er geht einfach nicht hinein. Nun sei mal ehrlich, Bertie. Was würdest du tun, wenn du so eine Frau hättest wie Doro?«
»Ich würde sie an die Kandare nehmen wie meine störrischen Rassegäulchen.«
»Sie ist aber doch kein Pferd, Bertie.«
»Und das ist schade. Dann hätte dieser Prachtkerl Edzard sie schon längst unter der Hand. Du hättest mal sehen sollen, wie er diese Stute Ira, ein kleiner Satan an Eigensinn, unter die Faust bekam. Donner noch eins, da konnte einem das Herz aufgehen vor Entzücken.«
»Nun redet dieser Mensch natürlich wieder von Pferden!« fuhr sich Jo buchstäblich in die Haare. »Zum roten Kuckuck mit deinen Gäulen!«
»Sag das nicht, mein süßes Ponychen, damit versündigst du dich. Diese Ira in meiner Zucht, das wäre noch so was.«
»Wollen Sölgerthurns sie denn abgeben?« fragte Jo jetzt interessiert, und er zuckte resigniert die Achsel.
»Danach habe ich nicht erst gefragt, weil ich die Stute gar nicht bezahlen könnte. Die ist nämlich ein Vermögen wert. Rasse und Klasse – gerade so wie unsere kleine Dörth. Aber laß man, mein Ponychen, die bändigt der Edzard schon mit der gleichen Nonchalance, mit der er auch die Ira gebändigt hat. Die ließ er nämlich ihre Kapriolen machen, ohne sich dabei aufzuregen. Doch bei der ersten Unvorsichtigkeit des sonst so wachsamen Teufelchens packte er blitzschnell zu – und so wird er es auch bei der Dörth tun.«
»Hör bloß auf«, nahm Jo ihn lachend bei den Ohren und beutelte ihn. »Daß du nicht als Pferd auf die Welt gekommen bist, wird mir ewig ein Rätsel bleiben.«
*
Es war am Donnerstag, einen Tag vor Doros Geburtstag