Leni Behrendt Staffel 1 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
wie häßlich ausgedrückt, Rosita.«
»Stimmt aber, Detlef.«
»Gebe Gott, daß du ihr das nicht einmal direkt sagst«, tat er einen Stoßseufzer, worüber die andern nun wieder herzlich lachen mußten. So trennte man sich in bester Stimmung.
Es war ein herrlicher Winterabend, durch den die drei Trutzger schritten. Rosita schob ihre Hand unter den Arm des Vaters und schaute zum sternklaren Himmel empor. Plötzlich hob sie den Finger, zeigte hinauf in die unermeßliche Ferne.
»Detlef, was würdest du machen, wenn ich von dir verlangte, mir einen der Sterne vom Himmel zu holen?«
Zuerst war er verdutzt, dann antwortete er:
»Ich würde dich bedauern, da ich dir den unvernünftigen Wunsch niemals erfüllen könnte.«
»Du bist ja auch kein bißchen poetisch.«
»Dafür bin ich ja Landwirt, mein Kind, kein Dichter.«
»Schade.«
»Warum denn, soll ich dich etwa andichten?«
»O ja.«
»Bei den Knüppelversen würde dir wohl die Poesie vergehen«, lachte er amüsiert, wobei der Vater mittat.
»Röslein, seit wann schwärmst du für Poesie?« erkundigte er sich jetzt neckend.
»Seitdem ihr ein poetisches Wesen in mir sehen wollt«, gab sie schlagfertig zurück. »Bitte sehr, sollt ihr haben. Dann verlange ich aber, daß mein Mann mich andichtet.«
Das tat er denn auch. Denn als Rosita am nächsten Morgen am Frühstückstisch erschien, reichte sie dem Vater ein Blatt, auf dem geschrieben stand:
Wilde Rose, scharfe Schere, schwapp, ist sie ab – da sehen zu die Sterne, sie funkeln in der Ferne auf das Malheur herab.
Rasmus lachte Tränen über den poetischen Erguß.
»Na, das ist doch mal was anderes als dieses ewige: Liebe und Triebe, scheiden und meiden, die Tomate ist rot, den Teufel schlagt tot.«
»Paps, du dichtest ja!« wollte Rosita sich ausschütten vor Lachen. »Genauso schauerlichschön wie Detlef. Und ich poetische ›Wilde Rose‹ muß mich damit abfinden, mitten unter Disteln zu stehen.«
»Da dürftest du dich ja in der richtigen Gesellschaft befinden«, schmunzelte der Vater. »Denn Stachel bleibt Stachel, ob Distel oder Rose.«
An einem Tag Ende Februar saß Rosita am Flügel und spielte Liebeslieder. Sie konnte das ruhig tun, da der Vater und Detlef zur Stadt gefahren waren und sie sich daher unbelauscht fühlte. Zwar schämte sie sich vor sich selbst dieser »Sentimentalität«, allein das Verlangen, diese innigen Liedchen zu spielen, war größer als die Scham.
Flott war das Spiel nicht, weil Rosita zu wenig Übung besaß. Zwar hatten die Erzieherinnen sie mit Klavier- und Gesangstunden geplagt, doch wenig Erfolg damit gehabt, weil bei dem Zögling die Lust zum Musizieren fehlte. Rosita machte es viel mehr Spaß, in Brandungen herumzustrolchen, im Sattel zu sitzen, im Segelboot über die Wellen zu flitzen oder wie eine kleine Otter in der kühlen Flut zu schwimmen. Das alles bedeutete für sie Leben, das andere blieb Nichtigkeit.
Lernen, das mußte sie natürlich, das sah sie selbst ein, daher wurde sie sogar eine vorzügliche Schülerin. Denn Paps wußte viel, Detlef auch, also wollte sie auch viel wissen. Aber Musik, nein, dabei stand sie mit ihren Gouvernanten in ständigem Streit. Und seitdem sie diesen entwuchs, rührte sie keine Taste mehr an.
Es tat ihr jetzt leid, daß sie sich so kläglich durch die Noten stümpern mußte. Doch sie ließ nicht nach, verbiß sich förmlich darin. So huschten die Finger zuletzt schon ganz schön flott über die Tasten.
»Fräulein von Kyrt wünscht der Frau Gräfin ihre Aufwartung zu machen«, meldete Jan in ihren Eifer hinein. Da sprang sie auf und eilte dem Gast entgegen, der sporenklirrend eintrat.
»Nett, daß du kommst, Dina«, erklärte sie lachend. »Ich habe aus Langeweile schon musiziert, da ich allein bin. Mein Vater und mein Mann sind in der Stadt. Komm, leg ab!«
Bevor Jan mit den Überkleidern des Gastes hinausging, wurde er von der Herrin beordert, den Kaffee hier zu servieren. In der Sesselecke am Kamin wollte man ihn einnehmen.
»Nimm Platz, Dina, ich freue mich ehrlich, daß du da bist.«
»Das freut mich nun wieder«, entgegnete die andere lachend. »Denn bei dir hochnäsigem Persönchen kann man nie wissen, woran man ist.«
»Hochnäsig, wenn ich das schon höre. Und wenn ich es bin, dann nur bei Menschen, die mir nicht zusagen. Und dich mag ich, genügt dir das?«
»Sehr sogar.«
Jan schob den Servierwagen herein, ordnete Tassen und Gebäck auf dem niederen Tischchen, stellte die Kaffeemaschine griffbereit und zog sich dann zurück.
»So, jetzt sind wir ungestört. Dina, lang nur tüchtig zu.«
Während sie es taten, plauderten sie angeregt. Und als
man bei der Zigarette war, kam man auf die Musik zu sprechen.
»Ich bin darin ein Stümper«, gab Rosita ehrlich zu. »Das habe ich gemerkt, als ich mich nach Jahren wieder an den Flügel setzte. Dabei haben meine Erzieherinnen sich so große Mühe mit meiner musikalischen Ausbildung gegeben, doch das war Verschwendung am ungeeigneten Objekt. Lernen, ja, das mußte ich wohl, soviel war mir klar, aber zu musizieren braucht der Mensch nicht unbedingt. Wie steht es mit dir, Dina?«
»Ich musiziere gern. Ob gut oder schlecht, wollen wir dahingestellt sein lassen.«
»Ran an den Flügel!« kommandierte Rosita lachend. »Mein strenges Urteil sei dir gewiß.«
Gleich darauf klang es unter den schlanken Mädchenhänden hervor, und Rosita lauschte wie gebannt. Dann setzte die Stimme ein, volltönend und weich. Unendlich traurig und tränenerstickt schwebte sie durch das Gemach, das von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne durchflutet war. Wie goldene Pünktchen tanzten sie über das dunkle Haar, huschten über das Mädchengesicht, das immer ein wenig herb und verschlossen wirkte, und ließen die Tränen glitzern, die unter den gesenkten Wimpern hervor über die Wangen liefen.
»Dina, um Gottes willen, was hast du denn?« fragte Rosita erschrocken. – »Komm, Dinalein, sei gut, sag, was dich quält. Mir kannst du wirklich alles sagen. Und nun komm, setzen wir uns zusammen. Schau mal, es herrscht bereits Dämmerung im Zimmer. Dabei spricht es sich besser als bei hellem Licht.«
Als sie dann in den Sesseln saßen, war es zuerst einmal unter ihnen still. Die Scheite auf dem Kamin prasselten, die Uhr auf dem Sims tickte klingend, von der nahen See rauschte und brauste es, die Eisblumen an den Fenstern blinkten wie kleine Sterne. Es war jetzt so dunkel in dem weiten Gemach, daß nur die Konturen der beiden Gestalten erkennbar waren. Der Flammenschein aus dem Kamin huschte zuckend über den Teppich, über Decke und Wände. Es herrschte eine Traulichkeit ringsum, von der man sich nur zu gern einspinnen läßt.
Und dann fing Dina an zu sprechen, mit einer Traurigkeit, die der Zuhörerin ans Herz griff.
»Verzeih, Rosita, daß ich mich so gehenließ. Es kommt nicht oft vor, das kannst du mir schon glauben. Doch diese innigen Lieder wühlten mir das Herz auf.
Ach, Rosita, du kannst ja nicht ahnen, wie es ist, wenn man einen Mann mit jeder Faser seines Herzens liebt. Und dieser Mann lebt in einer Ehe, an der er langsam aber sicher zugrunde gehen muß.«
Sie schwieg, weil Tränen ihre Stimme erstickten. Einige Herzschläge lang war es beklemmend still, dann fragte Rosita leise: »Brunbach?«
»Ja. Ich liebe ihn, Rosita.«
Das klang ganz schlicht, und doch lag eine Welt von Tragik darin. Die junge Gräfin schluckte erst einige Male kräftig, dann schalt sie aufgebracht: »Jammer und Schande, daß dieser prachtvolle Mensch nicht von dem Vamp loskommen kann! Und nur deshalb, weil er ihr