Leni Behrendt Staffel 1 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.
Pelz und ziehe mir die Mütze über die Ohren.«
Sie tat’s, und ihr Gesicht lachte aus der Pelzumrandung heraus. Der Onkel besah sich schmunzelnd sein Pflegetöchterlein, das mit den geröteten Wangen und leuchtenden Augen direkt hübsch aussah. Auch Detlef lächelte sie an.
Und das gab Rosita einen Stich ins Herz. Der Einspänner, den Grandt kutschierte, klingelte ab, und die beiden Grafen gingen, Rosita in der Mitte, durch den Park dem Schloß zu. Der Schnee knirschte unter den Füßen, der Rauhreif glitzerte auf den Bäumen. Die Sonne ging blaurot unter, ein Zeichen, daß der nächste Tag wieder Frost bringen würde.
Schweigend schritten die drei Menschen dahin, bis Rosita ihre im Fäustling steckende Hand unter den Arm des Vaters schob. Lächelnd schaute er auf sie nieder.
»So ein mißmutiges Gesichtchen, Kleines? Wer hat dich denn geärgert?«
»Ich mich selbst.«
»Nanu, gibt’s denn auch so was?« sagte er scherzend, doch sie winkte verdrossen ab.
»Ich könnte mich ohrfeigen, weil ich dir zugeredet habe, das Waldhaus an Grandts zu vermieten. Können wir das nicht rückgängig machen?«
»Nein, Rosita«, wehrte er sich entschieden. »Ich kann den Mann doch nicht zum Narren halten. Warum deine plötzliche Sinnesänderung, mein Kind?«
»Weil es mir jetzt erst recht zum Bewußtsein kommt, was für eine Nachbarschaft wir uns aufzuhalsen gedenken.«
»Welch ein sonderbarer Ausdruck«, rügte der Vater. »Wir kennen die Grandts doch wohl lange genug, daß von ›Aufhalsen‹ keine Rede sein kann. Solche Menschen können nie unangenehme Nachbarn werden.«
»Wir kennen aber Fräulein Grandt nicht, Paps«, beharrte sie.
»Nun, dieses nette Mädchen macht bestimmt nicht den Eindruck, als ob es zänkisch wäre. Außerdem liegt das kleine Haus so isoliert, daß wir die Menschen direkt aufsuchen müssen, wenn wir mit ihnen zusammenkommen wollen. Du weißt doch wohl, daß wir den Oberförster oft wochenlang nicht zu Gesicht bekamen.
Und nun Schluß mit dem Unsinn, Rosita! Ich breche ein gegebenes Wort nicht – soweit müßtest du mich kennen. Außerdem habe ich jetzt keine Lust mehr, deinen Launen ständig nachzugeben, das war einmal.«
Es war in einem Ton gesagt, wie der Vater ihn seinem verwöhnten Töchterlein gegenüber nur selten anschlug und dem selbst dieses eigenwillige Persönchen sich nicht zu widersetzen wagte. Nur die Hand zog es schroff aus dem Arm des Vaters.
Detlef war dem allen schweigend gefolgt, was Rosita empörte. Wozu war er denn ihr Mann, wenn sie gar keinen Beistand an ihm fand?
Als sie sich später zum Abendessen umkleiden wollte, stieg verbissener Trotz in ihr auf. Nun gerade nicht! Also erschien sie bei Tisch im gewohnten Aufzug, wirr und ungepflegt.
*
Trotz des Winterwetters ging auf Betreiben des ungeduldigen Papa Grandt die Renovierung im Waldhaus hurtig voran. Allerdings nur die Innenarbeiten, weil die instandgesetzten Öfen geheizt werden konnten. Mit den Außenarbeiten wollte man bis zum Frühling warten. So kam es denn, daß die kleine Familie Grandt schon Mitte Februar ihren Einzug halten konnte.
»Jetzt haben wir es endlich geschafft«, sagte Grandt befriedigt zu den beiden Grafen, die erschienen waren, um die Bewohner in ihrem neuen Heim zu begrüßen. »Weiß der Kuckuck, ich war von einer Ungeduld wie ein kleines Mädchen, dem man die heißersehnte Puppe versprach.«
»Und hast mich und Marlene damit angesteckt«, warf
Frau Grandt vergnügt ein. »Uns wollte es auch kein bißchen mehr in der Stadtwohnung gefallen, stimmt’s, mein Kind?«
»Genau, Tantchen«, strahlte das Mädchen alle der Reihe nach an, hauptsächlich den jungen Grafen.
»Ich bin ja so glücklich«, gestand sie voll Inbrunst. »Und meinen Verwandten so dankbar, daß ich bei ihnen sein darf.«
»Ist schon gut, Marjellchen«, räusperte sich der Onkel gerührt. »Wie wäre es nun mit einem Willkommenstrunk, halten die Herrschaften mit?«
Man hatte nichts dagegen und nahm in den bequemen Sesseln, die in der Nähe des fauchenden Kachelofens standen, Platz. Der Trunk, den der Hausherr bald darauf kredenzte, hatte es auch in sich und gab Anlaß zu einem gemütlichen Plausch.
»Wo steckt denn unsere Frau Gräfin?« wollte Grandt wissen, und Rasmus gab Antwort:
»Sie ist zu einem Kaffeekränzchen nach Eiseln gefahren. Ich freue mich, daß Rosita sich so spontan an Fräulein von Kyrt angeschlossen hat, was bei ihrer sonstigen Unzugänglichkeit verwunderlich ist. Sind aber auch prächtige Menschen, die Kyrts, wir haben mit diesem nachbarlichen Zuwachs viel gewonnen.«
In dem Moment öffnete sich die Tür, und Rosita trat ein. Bezaubernd sah sie aus in dem Pelzmantel, dem Mützchen auf den schimmernden Locken. Das Gesicht war von der kalten Winterluft gerötet, die Augen blitzten.
»Das laß ich mir gefallen«, lachte sie in das Zimmer hinein wie ein lichter Sonnenstrahl. »Guten Tag allerseits, da bin ich.«
»Und schon geht die Sonne auf«, sagte Grandt schmunzelnd. »Potztausend, Frau Gräfin, wie schauen wir wieder einmal aus.«
Genießerisch küßte er seine Fingerspitzen und verdrehte die Augen. Dann führte er das Händchen galant an die Lippen, nahm dem Gast die Überkleider ab und brachte sie in die kleine Diele. Indes begrüßte Rosita die anderen, die gemütliche Runde nahm sie auf, und der Hausherr brachte ein gefülltes Glas, an dem sie erst mal vorsichtig nippte.
»Das scheint mir ein echter Zaubertrank zu sein«, stellte sie dann sachlich fest. »Er rinnt wie Feuer durch die Adern. Bin ich nun mit diesem Ausdruck ›zünftig‹ oder nicht?«
Man gestand es ihr schmunzelnd zu, ließ sich von dem Zauber des grazilen Persönchens förmlich einspinnen. Dazu hatte Rosita sich heute noch »schön« gemacht. Gewiß nicht aus Absicht, das lag ihr fern. Sie wählte nur aus dem Vorrat, den ihr der Weihnachtstisch beschert, ein Kleid, das ihr vortrefflich stand. Das wußte sie jedoch nicht, aber gerade die Gleichgültigkeit über ihr Aussehen verlieh ihr einen besonderen Reiz.
»War’s schön in Eiseln, Röslein?« fragte der Vater, und sie zog eine Grimasse.
»Zuerst ja. Ich habe sogar mit Dyna Kyrt Brüderschaft getrunken. Warum siehst du mich so ungläubig an?«
»Weil mich das überrascht, mein Kind. Du bist doch sonst nicht so leicht mit dem trauten Du bei der Hand.«
»Dina gefällt mir aber. Dir etwa nicht – oder?«
»Sehr sogar.«
»Na also. Wir unterhielten uns recht gemütlich.«
»Wer, wir?«
»Paps, so unterbrich mich doch nicht immer. Wir, Familie Kyrt, dazu die beiden Damen Heinboldt, unterhielten uns recht gemütlich, bis die Baronin Brunbach auftauchte. Schon war die Gemütlichkeit futsch. Wie ein Tuschkasten sah sie aus.«
»Rosita!« mahnte der Vater lachend, und sie brummte:
»Ist doch wahr. Sie fing an zu klatschen, ganz schlecht konnte einem dabei werden.«
»Und da bist du ihr dann schön in die Parade gefahren, stimmt’s, Röslein?«
»Nein, Paps, das hatte ich gar nicht nötig. Das tat das eisige Schweigen, in das wir uns hüllten. Es wurde ihr mit der Zeit so ungemütlich, daß sie abzog. Doch vorher erkundigte sie sich noch eingehend nach dir, Detlef.«
»Und was hast du darauf geantwortet?« erkundigte er sich interessiert.
»Daß du lebst, trinkst, ißt, rauchst, schläfst und arbeitest«, brachte sie so trocken heraus, daß herzliches Lachen aufklang.
»Herzchen, Sie sind aber grausam«, wischte Frau Grandt sich die Tränen aus den verschmitzten Äuglein. »Wenn sie sich aber doch so brennend für den Herrn Grafen interessiert.«