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Heimatkinder Staffel 4 – Heimatroman. Kathrin SingerЧитать онлайн книгу.

Heimatkinder Staffel 4 – Heimatroman - Kathrin Singer


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nicken, da holte sie tief Luft und fuhr ihn an. »Du lügst schon wieder, Frank. Du gaukelst mir etwas vor, was nie eintreffen wird! Denn du wirst deine Kinder, sooft es geht, zu uns holen. Und sie werden von ihrer Mutter sprechen, sodass die Frau, die ich für tot hielt, auch noch zwischen uns stehen wird. Du hast sie doch einmal sehr geliebt …! Und das soll ich ertragen? Das willst du mir antun?! Und dafür soll ich alles aufgeben? Meine Familie, meine Schüler in Altendorf, meine Freunde, den Kirchenchor, nur, damit du in der Nähe deiner Kinder leben kannst und – wenn sie dich nicht sehen wollen, weil es ihnen bei ihrer Mutter und den kleinen Zwillingen besser ­gefällt nicht ganz allein zu­rückbleibst?« Sie rang direkt nach Luft.

      Frank war fassungslos. Noch nie hatte Anette so hastig geredet. Er wusste nicht, was ihn mehr verletzte. Ihre heftigen Worte oder die Kälte, die daraus sprach. War das die Frau, die ihm bewiesen hatte, dass er doch wieder zur Liebe fähig war? Begriff sie nicht, wie ungern er ihr sein privates Unglück verheimlicht hatte, und wie froh er war, sich ihr nun endlich anvertraut zu haben?

      Wie gelähmt blieb er sitzen, als sie von der Couch aufsprang. Schweigend beobachtete er, wie sie an seinen Schreibtisch trat, um noch einmal die Fotos von Ben und Sara zu betrachten.

      »Wer von den beiden ähnelt deiner Frau?«, fragte sie leise, aber in dem strengen Tonfall einer Lehrerin, die damit rechnete, etwas vorgeschwindelt zu bekommen.

      Frank schloss die Augen. Er dachte nach, aber er wusste es nicht mehr. Seine Liebe zu Anette hatte die Erinnerung an Sylvias Gesicht ausgelöscht. Und wenn er Ben und Sara vermisste, betraf es Sylvia bestimmt nicht.

      »Wahrscheinlich sehen sie ihr beide ähnlich!«, hörte er Anette bitter sagen. »Sie sehen ja wirklich sehr, sehr gut aus.«

      Und damit warf Sylvia, die Frau, an deren Gesicht er sich kaum noch erinnern konnte, tatsächlich einen Schatten über das Glück, das er sich mit Anette erträumt hatte. Er beugte sich vor und schlug die Hände vors Gesicht. Ja, er war ein Versager. Er hatte zu lange gezögert und damit alles, wovon er gerade zu träumen wagte, zerstört.

      Nach einer Weile hörte er die Wohnungstür zuschlagen. Kurz darauf sprang der Motor von Anettes Wagen an. Er sprang auf und wusste, er hätte sie nicht gehen lassen dürfen. Versagte er etwa schon wieder? Nein, das durfte er nicht. Er musste sie zurückerobern, um ihr zu beweisen, wie fest entschlossen er war, ein neues Leben mit ihr zu beginnen.

      *

      Reserl verstand die Welt nicht mehr. Während sie die winzigen Knöpfchen ihres Nachthemdes schloss, sah sie aus dem Fenster ihres Zimmers in den noch taghellen Frühlingsabend hinaus. Fast sehnsüchtig blickte sie zum Neubau mit den Wohnungen der Angestellten hinüber. Der alte Sepp hatte Besuch von seiner Nichte. Und die hatte ihre beiden Söhne mitgebracht, die jetzt auf dem Hof herumtobten.

      »Blöd!«, stieß Reserl wütend aus. Und damit meinte sie die frühe Abendstunde, in der sie und ihre Geschwister heute schon zu Bett mussten.

      Sie hörte ihren Papi die Treppe hochkommen und im Elternschlafzimmer verschwinden. Der schaute heute nicht wie sonst in ihr Zimmer! Es war echt ätzend!

      »Typisch!«

      Nebenan, wo Jossi und Dany sich das Zimmer teilten, flog ein Gegenstand durch die Luft. Dany krähte empört, und das bedeutete, die beiden stritten schon wieder. Mit einem Seufzer ging sie hinüber. Sofort sprang Jossi nach oben aufs Stockbett, zog sich die Decke bis ans Kinn und rief Reserl zu: »Er hat’s geworfen, Reserl. Weil er kein Bilderbuch will. Dany will, dass er vorgelesen bekommt!«

      »Jaa, aber nur von Mami!«, schmollte Dany.

      Reserl seufzte wieder. Es war manchmal wirklich schwer, die Älteste der Weißenberg-Kinder zu sein. »Mami hat keine Zeit. Sie geht heute mit Papi aus.«

      »Schon wieder?«, riefen Jossi und Dany wie aus einem Mund, und der Kleine strampelte wütend mit den Beinen.

      »Lass sie doch!«, meinte Reserl hochnäsig. »Sollen sie doch sehen, wie es ist, wenn sie Rabeneltern sein wollen und uns vergessen haben!« Sie trat an das Regal mit den Büchern und griff nach der Geschichte vom ›Zambo, dem Schneckenhäuptling‹. Die liebte Dany besonders.

      Aber kaum hatte sie sich an sein Bett gesetzt und die ersten Zeilen vorgelesen, begann er wieder mit den Füßen zu strampeln. Und die bekam sie so zu spüren, dass sie das Buch zur Strafe sofort zuklappte.

      »Das kenn ich doch schon!«, verteidigte er sich.

      Jossi beugte sich von oben herab. »Gestern warst du schon auf Seite fünf.«

      »Nee, Seite drei!«, tat Dany sich wichtig, obwohl er noch gar nicht lesen und nur bis zehn zählen konnte, und streckte Jossi noch frech die Zunge heraus. Das ließ die sich nicht gefallen. Ihr linkes Bein kam herunter, ihr nackter Fuß berührte erst das Buch und dann Danys Kopf.

      »Auaa!«, jammerte er dramatisch.

      »Schluss mit lustig!«, entschied Reserl. »Jetzt reicht’s aber wirklich!« Sie erhob sich, steckte das Buch zurück und verließ mit erhobenem Kopf das Zimmer, um nur wenige Meter weiter ins Schlafzimmer der Eltern zu stürmen.

      Das war leer. Ihr Eltern unterhielten sich nebenan im Bad. »Es soll eine Überraschung sein, mein Schatz!«, hörte sie ihre Mami sagen. »Mal etwas anderes, ein kleines Abenteuer, sozusagen eine Entführung in fremde Welten … Du wirst staunen! Aber eine Krawatte muss sein.«

      Reserl verhielt sich mucksmäuschenstill. Was ihre Mami da Komisches laberte?

      »Marie …, nach fast zehn Stunden Arbeit …, muss es wirklich eine Krawatte sein?« Das war die Stimme ihres Papis, und die hörte sich schon normaler an.

      »Sicher! Krawatten machen dich so sexy. Tu’s mir zuliebe, mein Schatz.«

      Reserl rollte mit den Augen. Ihre Mami faselte Zeugs wie im Fernsehen. Und da kam sie schon ins Schlafzimmer. Sie trug ein enges schwarzes Kleid ohne Ärmel und befestigte gerade das zweite der diamantenen Ohrgehänge, die Reserl immer so bewunderte. Ihre Mami hatte sie von der Oma Weißenberg zur Hochzeit bekommen und trug sie nur zu besonderen Anlässen.

      »Reserl!«, rief Marie überrascht. »Schlaft ihr noch nicht?«

      »’s ist doch gerade kurz nach sieben, Mami! Und Dany will, dass du ihm was vorliest.«

      »Heute nicht. Papi und ich gehen aus, mein Engel.«

      »Das sagst du immer!«, schmollte Reserl. Damit hatte sie sogar recht. Marie und Stefan gingen natürlich nicht jeden Abend, aber viel häufiger aus als sonst. Mal war es das Dorftheater in Altendorf, mal eine feierliche Einladung bei Irma Osterloh, und wenn Stefan in den ›Seehof‹ zum Stammtisch fuhr, begleitete Marie ihn neuerdings auch.

      »Wilma kann auch vorlesen.« Marie tupfte sich Parfüm hinters Ohr.

      »Das hat sie schon einmal in dieser Woche. Und sauer ist sie auch«, gab Reserl zu bedenken.

      »Wilma ist sauer? Warum?« Stefan trat aus dem Bad. Er trug ein hellblaues Hemd mit einer noblen Krawatte und griff nach seinem Jackett, das über der Sessellehne hing.

      »Also, Papi! Das weißt du doch! Weil sie jetzt immer so gesunde Sachen kochen soll, nur damit du fit und schlank bleibst.«

      »Na, so was! Bin ich etwa nicht fit und schlank?« Mit komisch naiver Miene strich Stefan sich über seine Mitte, und sofort schlang Marie ihre Arme um ihn und schwärmte: »Du bist ein Traum, Stefan!«

      »Mamiii«, stöhnte Reserl. Das war ja nicht auszuhalten, wie die sich benahm!

      »Reserl, mein Engel, deine Eltern lieben sich nun mal von ­ganzem Herzen. Sei dankbar dafür.«

      »… aber wenn ihr so oft weggeht? Und Dany sich so aufführt, weil du ihm lange nicht mehr vorgelesen hast? Wieso soll ich dafür dankbar sein?«

      Sie bemerkte den wachen Blick ihres Papis. Ob der sie verstand? Stefan spürte, was seine Reserl da von sich gab, hatte ja Hand und Fuß. Sie war eben ein aufgewecktes Mädchen, seine Älteste. Und schon setzte sie noch eins drauf: »Lucias Eltern haben sich auch lieb.


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