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Heimatkinder Staffel 4 – Heimatroman. Kathrin SingerЧитать онлайн книгу.

Heimatkinder Staffel 4 – Heimatroman - Kathrin Singer


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      Im Schatten war es angenehm kühl. Die junge Bäuerin feixte sich eins, daß sie wieder einmal dem Martin ein Schnäppchen geschlagen hatte! Sie hatte den Hirschbichl bereits hinter sich gelassen, als vor ihr der Weg plötzlich zu Ende war. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als den steilen Hang zwischen den Baumstämmen hinunterzurutschen und irgendwie Halt zu suchen. Zurück wollte sie nicht mehr.

      Marianne nahm allen Mut zusammen, ließ sich vorsichtig hinabgleiten. Immer wieder versuchte sie, an kräftigen Wurzeln oder Sträuchern Halt zu finden, doch sie rutschte immer schneller auf dem Waldboden dahin.

      In ihrem Kopf drehte sich alles, die Hände bluteten bereits von ihren vergeblichen Bemühungen. Sie hatte das Gefühl, in ein Nichts zu fallen, wollte um Hilfe rufen, doch kein Laut kam über ihre Lippen. Schließlich schlug sie irgendwo auf und blieb besinnungslos liegen.

      »He, Toni, da war doch grad was!« rief einer der Männer, die nur wenige Meter von der Unglücksstelle entfernt eine Pause eingelegt hatten.

      »Hat sich wie ein dumpfer Schlag angehört!« nickte der Angesprochene.

      »Ihr hört schon Gespenster!« frotzelte ein anderer und biß herzhaft in sein Brot.

      »Ich schau mal nach!« Der Holzknecht Toni und sein Kumpan entfernten sich von dem Felsplateau, auf dem die Kollegen unbeirrt ihre Brotzeit genossen. Sie brauchten nicht lang zu suchen. Direkt unterhalb des Plateaus entdeckten sie die verkrümmte Gestalt, die es arg erwischt zu haben schien. »Komm!«

      Als sie erkannten, wen sie da halb tot aufgelesen hatten, wurden sie bleich. »Jessas! Die Marianne vom Achnerhof.«

      Die herbeigerufenen Männer halfen schweigend, die junge Frau ins Dorf zu bringen. Sie schnitten ein paar Baumstämme zurecht, banden sie mit dicken Seilen zusammen und schnürten mit ihren Riemen die leichenblasse Marianne fest. Die kräftigen Männer ließen die Nottrage hinabgleiten, bis sie sie vom Tal aus gemeinsam ins Dorf tragen konnten.

      Der Holzknecht Toni hatte sein Hemd zerrissen und der jungen Frau einen notdürftigen Kopfverband um den blutenden Schädel gelegt.

      Beim Anblick des blutdurchtränkten Hemdes geriet selbst der hartgesottene Doktor Baumann leicht aus der Fassung. »Schwester Monika! Sofort alles für eine Notoperation herrichten!« brüllte er, während er den Männern half, die Schwerverletzte auf die Liege zu betten. »So, und nun raus mit euch.«

      Bedrückt verließen die Holzknechte die Arztpraxis. Toni brach als erster das Schweigen. »Sollt net jemand hinauf zum Achnerhof? Ich mein, der Doktor hat jetzt doch keine Zeit.«

      Unschlüssig blieben die Männer vor dem Haus stehen.

      »Also gut, dann mach ich’s. Ihr gebts dem Xandl Bescheid, damit er uns nix vom Lohn abzieht, war schließlich ein Notfall!« bestimmte Toni, nachdem er keine Antwort erhalten hatte und machte sich auf den Weg zum Hof.

      Der pflichtbewußte Holzknecht fragte sich während des Aufstiegs immer und immer wieder, warum die junge Bäuerin am Berg gewesen war. Niemand außer den Arbeitern verirrte sich jemals in diesen Teil des Waldes, weil es einfach viel zu gefährlich war. Was mochte sie nur dorthin getrieben haben?

      Diese Frage stellten sich wenig später auch Anna und Franzl Achner, als sie von dem Unglück erfuhren.

      Erschüttert flüsterte die Bäuerin: »Wieviel Leid soll es noch auf dem Achnerhof geben, heilige Mutter Maria?«

      *

      »Ich möcht Ihnen noch einmal recht herzlich danken, Mutter Oberin! Darf ich Sie ab und an einmal besuchen kommen?« Josepha Schwarzenberger nahm mit tränenverschleiertem Blick Abschied von der geistlichen Frau, der sie so viel zu verdanken hatte.

      »Freilich, Sepherl! Nun heul net, du bist ja net aus der Welt, gell?« Obwohl es der Mutter Oberin schwerfiel, sich von einem ihrer liebsten »Schäfchen« zu trennen, wünschte sie ihr von ganzem Herzen Gottes Segen für ihr neues Leben auf dem Achnerhof. »Möge der Herr dir beistehen, meine Tochter!«

      Martin war bereits vorausgegangen, um den Abschied der beiden Menschen nicht zu stören. Er spürte, daß es für das Mädchen schwer sein mußte, aus der Geborgenheit des Klosters herausgerissen zu werden.

      Mit gesenktem Kopf verließ Josepha das vertraute Gebäude, ging langsam auf ihren ersten Brotherrn zu, der unter dem Portal auf sie wartete.

      »Verzeih, Bauer, aber es hat doch etwas länger gedauert.« Verständnisheischend sah sie ihn an.

      Martin lauschte gebannt dem weichen Klang ihrer Stimme. Es waren die ersten Worte, die sie zu ihm sagte. Verwirrt wich er ihrem Blick aus und öffnete umständlich das Portal.

      »Das macht nix. Ich versteh das«, bemerkte er endlich, nachdem sie das Klostergelände längst verlassen hatten.

      »Dann ist’s ja gut. Magst mir vielleicht ein bisserl was über dein Töchterl erzählen?«

      Überrascht warf er ihr einen kurzen Seitenblick zu. »Hm. Da gibt’s net viel zu erzählen. Roserl ist drei Jahre alt, blondlockig, hat ein Engelsgesichterl, spricht schon recht gut für ihr Alter, ist ein lebhaftes, kleines Ding. Das wär’s.«

      Josepha lachte leise. »Das reicht für den Anfang!«

      Dem Burschen fiel plötzlich auf, daß das Dirndl kaum seinen weit ausholenden Schritten folgen konnte. Sie trippelte in ihren flachen Lackschuhen neben ihm her, eifrig bemüht, neben ihm zu bleiben. »Verzeih, Sepherl, ich bin ein rechter Flegel! Warum sagst denn net, daß ich zu schnell geh!«

      »Wenn’s nimmer gangen wär, hätt ich schon was gsagt!« erwiderte sie lächelnd.

      Wie weich und schön geschwungen ihre Lippen sind! dachte Martin leicht irritiert. Ihr Lächeln erreichte selbst die Augenwinkel und gab ihr etwas Bezauberndes. Die goldblonden langen Haare fielen weich über ihre schmalen Schultern, die von einem einfachen baumwollenen Tuch verdeckt wurden.

      »Was ist mit deiner Frau, Bauer? Ist sie krank?« Josepha hatte den Ring an seiner Hand wohl gesehen.

      »Krank? Nein, nein! Sie hat nur soviel am Hals mit dem großen Haus und den Gästen.« wehrte Martin unwirsch ab. Grad jetzt mußte sie ihn an Marianne erinnern!

      »Hat sie denn das Roserl gar net lieb?« Es klang traurig.

      »Ich weiß es net, Sepherl! Ich weiß es wirklich net! Manchmal kann sie recht lieb zu ihr sein, dann wieder ist Roserl einfach Luft für sie!«

      Sie hatten den Bahnhof erreicht. Eine Gruppe Jugendlicher machte die Fortsetzung der Unterhaltung zu Martins Erleichterung unmöglich. Die jungen Leute scherzten und lachten, balgten und riefen lauthals durcheinander. Wie es ausschaute, wollten sie wohl auf den nächsten Campingplatz, vollbepackt wie sie waren!

      Während der Fahrt mußte Martin sein neues Kindermädchen immer wieder anschauen. Er fragte sich, wie Marianne wohl reagieren würde, wenn er ihr das Dirndl präsentierte. Auch wenn er es nicht wahrhaben wollte, wünschte er sich doch zutiefst, daß sich seine Frau ändern möge und wieder so sanft und liebevoll wäre, wie sie es mit zwanzig Jahren war, als sie sich kennengelernt hatten!

      An der nächsten Station stiegen die jungen Leut aus und beklemmende Stille breitete sich im Abteil aus.

      »Sepherl«, begann Martin ganz behutsam, »darf ich dich was fragen?«

      »Freilich. Frag nur.«

      »Wie kommt es, daß du im Kloster aufgewachsen bist?«

      »Eigentlich ist’s gar kein richtiges Kloster, eher ein Kinderheim für die verlorenen Schafe, so hat es die Mutter Oberin immer genannt. Meinen Vater hab ich nie gekannt, nur meine Mutter. Sie ist Küchenmagd auf einem Hof. Die Bäuerin wollt kein uneheliches Balg auf dem Hof und so kam ich in das Heim.« Josepha schien unberührt von ihrem Schicksal zu sein.

      »Warst niemals mit deinem Leben unzufrieden?« Martin konnte sich nicht vorstellen, daß das Mädchen mit dem zufrieden war, was ihm das Leben gegeben hatte.

      »Nein, war ich nicht. Ich hatte


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