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Parerga und Paralipomena. Arthur SchopenhauerЧитать онлайн книгу.

Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer


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auf ein Mal überblickt, Mögliches, d. i. als ein Werk der höchsten Weisheit. Hierüber verweise ich auf meine Abhandlung vom Willen in der Natur, besonders S. S. 43—62 der l. Aufl. (S. 35—54 der 2. Aufl. und S. 37—58 der 3. Aufl.), unter der Rubrik vergleichende Anatomie, und auf mein Hauptwerk Bd. 2, Kap. 26 am Anfang.

      Der zweite theologische Beweis, der ontologische, nimmt, wie gesagt, nicht das Gesetz der Kausalität, sondern den Satz vom Grunde des Erkennens zum Leitfaden; wodurch denn die Nothwendigkeit des Daseyns Gottes hier eine logische ist. Nämlich durch bloß analytisches Urtheilen, aus dem Begriffe Gott, soll sich hier sein Daseyn ergeben; so daß man diesen Begriff nicht zum Subjekt eines Satzes machen könne, darin ihm das Daseyn abgesprochen würde; weil nämlich Dies dem Subjekt des Satzes widersprechen würde. Dies ist logisch richtig, ist aber auch sehr natürlich und ein leicht zu durchschauender Taschenspielerstreich. Nachdem man nämlich mittelst der Handhabe des Begriffs Vollkommenheit, oder auch Realität, den man als terminus medius gebraucht, das Prädikat des Daseyns in das Subjekt hineingelegt hat, kann es nicht fehlen, daß man es nachher daselbst wieder vorfindet und nun es durch ein analytisches Urtheil exponirt. Aber die Berechtigung zur Aufstellung des ganzen Begriffs ist damit keineswegs nachgewiesen: vielmehr war er entweder ganz willkürlich ersonnen, oder aber durch den kosmologischen Beweis eingeführt, bei welchem Alles auf physische Nothwendigkeit zurückläuft. Chr. Wolf scheint Dies wohl eingesehen zu haben; da er in seiner Metaphysik vom kosmologischen Argument allein Gebrauch macht und Dies ausdrücklich bemerkt. Den ontologischen Beweis findet man in der 2. (und 3.) Auflage meiner Abhandlung über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde §. 7 genau untersucht und gewürdigt; dahin ich also hier verweise.

      Allerdings stützen beide theologische Beweise sich gegenseitig, können aber darum doch nicht stehn. Der kosmologische hat den Vorzug, daß er Rechenschaft giebt, wie er zum Begriff eines Gottes gekommen ist, und nun durch seinen Adjunkt, den physikotheologischen Beweis, denselben plausibel macht. Der ontologische hingegen kann gar nicht nachweisen, wie er zu seinem Begriff vom allerrealsten Wesen gekommen sei, giebt also entweder vor, derselbe sei ungeboren, oder er borgt ihn vom kosmologischen Beweis und sucht ihn dann aufrecht zu halten durch erhaben klingende Sätze vom Wesen, das nicht anders als seiend gedacht werden könne, dessen Daseyn schon in seinem Begriffe läge u. s. w. Inzwischen werden wir der Erfindung des ontologischen Beweises den Ruhm des Scharfsinns und der Subtilität nicht versagen, wenn wir Folgendes erwägen. Um eine gegebene Existenz zu erklären, weisen wir ihre Ursache nach, in Beziehung auf welche sie dann als eine nothwendige sich darstellt; welches als Erklärung gilt. Allein dieser Weg führt, wie genugsam gezeigt, auf einen regressus in infinitum kann daher nie bei einem Letzten, das einen fundamentalen Erklärungsgrund abgäbe, anlangen. Anders nun würde es sich verhalten, wenn wirklich die Existenz irgend eines Wesens aus seiner Essenz, also seinem bloßen Begriff, oder seiner Definition, sich folgern ließe. Dann nämlich würde es als ein nothwendiges (welches hier, wie überall, nur besagt ein aus seinem Grunde Folgendes) erkannt werden, ohne dabei an etwas Anderes, als an seinen eigenen Begriff gebunden zu seyn, mithin, ohne daß seine Nothwendigkeit eine bloß vorübergehende und momentane, nämlich eine selbst wieder bedingte und danach auf endlose Reihen führende wäre, wie es die kausale Nothwendigkeit allemal ist. Vielmehr würde alsdann der bloße Erkenntnißgrund sich in einen Realgrund, also eine Ursache, verwandelt haben und so sich vortrefflich eignen, nunmehr den letzten und dadurch festen Anknüpfungspunkt für alle Kausalreihen abzugeben: man hätte also dann, was man sucht. Daß aber das Alles illusorisch ist haben wir oben gesehn, und es ist wirklich, als habe schon Aristoteles einer solchen Sophistikation vorbeugen wollen, als er sagte: το δε ειναι ουκ ουσια ουδενι (ad nullius rei essentiam pertinet existentia) (Analyt. post. II, 7). Unbekümmert hierum stellte, nachdem Anselmus von Canterbury zu einem dergleichen Gedankengange die Bahn gebrochen hatte, nachmals Kartesius den Begriff Gottes als einen solchen, der das Geforderte leistete, auf, Spinoza aber den der Welt, als der allein existirenden Substanz, welche danach causa sui wäre, i. e. quae per se est et per se concipitur, quamobrem nulla alia re eget ad existendum: dieser so etablirten Welt ertheilt er sodann, honoris causa, den Titel Deus, – um alle Leute zufrieden zu stellen. Es ist aber eben noch immer derselbe tour de passepasse, der das logisch Nothwendige für ein real Nothwendiges uns in die Hände spielen will, und der, nebst andern ähnlichen Täuschungen, endlich Anlaß gab zu Locke’s großer Untersuchung des Ursprunges der Begriffe, mit welcher nunmehr der Grund zur kritischen Philosophie gelegt war. Eine speciellere Darstellung des Verfahrens jener beiden Dogmatiker enthält meine Abhandlung über den Satz vom Grunde, in der 2. (und 3.) Auflage, §§. 7 und 8.

      Nachdem nun Kant, durch seine Kritik der spekulativen Theologie, dieser den Todesstoß gegeben hatte,16 mußte er den Eindruck hievon zu mildern suchen, also ein Besänftigungsmittel, als Anodynon, darauf legen; analog dem Verfahren Hume’s, der, im letzten seiner so lesenswerthen, wie unerbittlichen Dialogues on natural religion, uns eröffnet, das Alles wäre nur Spaaß gewesen, ein bloßes exercitium logicum. Dem also entsprechend gab Kant, als Surrogat der Beweise des Daseyns Gottes, sein Postulat der praktischen Vernunft und die daraus entstehende Moraltheologie, welche, ohne allen Anspruch auf objektive Gültigkeit für das Wissen, oder die theoretische Vernunft, volle Gültigkeit in Beziehung auf das Handeln, oder für die praktische Vernunft, haben sollte, wodurch denn ein Glauben ohne Wissen begründet wurde, – damit die Leute doch nur etwas in die Hand kriegten. Seine Darstellung, wenn wohl verstanden, besagt nichts Anderes, als daß die Annahme eines nach dem Tode vergeltenden, gerechten Gottes ein brauchbares und ausreichendes regulatives Schema sei, zum Behuf der Auslegung der gefühlten, ernsten, ethischen Bedeutsamkeit unsers Handelns, wie auch der Leitung dieses Handelns selbst; also gewissermaaßen eine Allegorie der Wahrheit, so daß, in dieser Hinsicht, auf welche allein es doch zuletzt ankommt, jene Annahme die Stelle der Wahrheit vertreten könne, wenn sie auch theoretisch, oder objektiv, nicht zu rechtfertigen sei. – Ein analoges Schema, von gleicher Tendenz, aber viel größerm Wahrheitsgehalt, stärkerer Plausibilität und demnach unmittelbarerem Werth, ist das Dogma des Brahmanismus von der vergeltenden Metempsychose, wonach wir in der Gestalt eines jeden von uns verletzten Wesens einst müssen wiedergeboren werden, um alsdann die selbe Verletzung zu erleiden. – Im angegebenen Sinne also hat man Kants Moraltheologie zu nehmen, indem man dabei berücksichtigt, daß er selbst nicht so unumwunden, wie hier geschieht, über das eigentliche Sachverhältniß sich ausdrücken durfte, sondern, indem er das Monstrum einer theoretischen Lehre von bloß praktischer Gültigkeit aufstellte, bei den Klügeren auf das granum salis gerechnet hat. Die theologischen und philosophischen Schriftsteller dieser letzteren, der Kantischen Philosophie entfremdeten Zeit haben daher meistens gesucht, der Sache das Ansehn zu geben, als sei Kants Moraltheologie ein wirklicher dogmatischer Theismus, ein neuer Beweis des Daseyns Gottes. Das ist sie aber durchaus nicht; sondern sie gilt ganz allein innerhalb der Moral, bloß zum Behuf der Moral und kein Strohbreit weiter.

      Auch ließen nicht ein Mal die Philosophieprofessoren sich lange daran genügen; obwohl sie durch Kants Kritik der spekulativen Theologie in bedeutende Verlegenheit gesetzt waren. Denn von Alters her hatten sie ihren speciellen Beruf darin erkannt, das Daseyn und die Eigenschaften Gottes darzulegen und ihn zum Hauptgegenstand ihres Philosophirens zu machen; daher, wenn die Schrift lehrt, daß Gott die Raben auf dem Felde ernährt, ich hinzusetzen muß: und die Philosophieprofessoren auf ihren Kathedern. Ja, sogar noch heutigen Tages versichern sie ganz dreist, das Absolutum (bekanntlich der neumodische Titel für den lieben Gott) und dessen Verhältniß zur Welt sei das eigentliche Thema der Philosophie, und dieses näher zu bestimmen, auszumalen und durchzuphantasiren sind sie nach wie vor beschäftigt. Denn allerdings möchten die Regierungen, welche für ein dergleichen Philosophiren Geld hergeben, aus den philosophischen Hörsälen auch gute Christen und fleißige Kirchengänger hervorgehn sehn. Wie mußte also den Herren von der lukrativen Philosophie zu Muthe werden, als, durch den Beweis, daß alle Beweise der spekulativen Theologie unhaltbar und daß alle, ihr auserwähltes Thema betreffenden Erkenntnisse unserm Intellekt schlechterdings unzugänglich seien, Kant ihnen das Koncept so sehr weit verrückt hatte? Sie hatten sich anfänglich durch ihr bekanntes Hausmittel, das Ignoriren, dann aber durch Bestreiten


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