Parerga und Paralipomena. Arthur SchopenhauerЧитать онлайн книгу.
sie eine vernünftige ist, Persönlichkeit heißt, denken läßt. Dies bestätigt auch der Ausdruck so wahr Gott lebt: er ist eben ein Lebendes, d. h. mit Erkenntniß Wollendes. Sogar gehört eben deshalb zu einem Gotte auch ein Himmel, darin er thront und regiert. Viel mehr dieserhalb, als wegen der Redensart im Buche Josua, wurde das Kopernikanische Weltsystem von der Kirche sogleich mit Ingrimm empfangen, und wir finden, dem entsprechend, 100 Jahre später den Jordanus Brunus als Verfechter jenes Systems und des Pantheismus zugleich. Die Versuche, den Theismus vom Anthropomorphismus zu reinigen, greifen, indem sie nur an der Schaale zu arbeiten wähnen, geradezu sein innerstes Wesen an: durch ihr Bemühen, seinen Gegenstand abstrakt zu fassen, sublimiren sie ihn zu einer undeutlichen Nebelgestalt, deren Umriß, unter dem Streben die menschliche Figur zu vermeiden, allmälig ganz verfließt; wodurch denn der kindliche Grundgedanke selbst endlich zu nichts verflüchtigt wird. Den rationalistischen Theologen aber, denen dergleichen Versuche eigenthümlich sind, kann man überdies vorwerfen, daß sie geradezu mit der heiligen Urkunde in Widerspruch treten, welche sagt: Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde: zum Bilde Gottes schuf er ihn. Also weg mit dem Philosophieprofessoren-Jargon! Es giebt keinen andern Gott, als Gott, und das A. T. ist seine Offenbarung: besonders im Buche Josua. Dem Gott, der ursprünglich Jehovah war, haben Philosophen und Theologen eine Hülle nach der andern ausgezogen, bis am Ende nichts, als das Wort, übrig geblieben ist.
In einem gewissen Sinne könnte man allerdings, mit Kant, den Theismus ein praktisches Postulat nennen, jedoch in einem ganz andern, als den er gemeint hat. Der Theismus nämlich ist in der That kein Erzeugniß der Erkenntniß, sondern des Willens. Wenn er ursprünglich theoretisch wäre, wie könnten denn alle seine Beweise so unhaltbar seyn? Aus dem Willen aber entspringt er folgendermaaßen. Die beständige Noth, welche das Herz (Willen) des Menschen bald schwer beängstigt, bald heftig bewegt und ihn fortwährend im Zustande des Fürchtens und Hoffens erhält, während die Dinge, von denen er hofft und fürchtet, nicht in seiner Gewalt stehn, ja, der Zusammenhang der Kausalketten, an denen solche herbeigeführt werden, nur eine kurze Spanne weit von seiner Erkenntniß erreicht werden kann; – diese Noth, dies stete Fürchten und Hoffen, bringt ihn dahin, daß er die Hypostase persönlicher Wesen macht, von denen Alles abhienge. Von solchen nun läßt sich voraussehen, daß sie, gleich andern Personen, für Bitte und Schmeichelei, Dienst und Gabe, empfänglich, also traktabler seyn werden, als die starre Nothwendigkeit, die unerbittlichen, gefühllosen Naturkräfte und die dunklen Mächte des Weltlaufs. Sind nun Anfangs, wie es natürlich ist und die Alten es sehr zweckmäßig durchgeführt hatten, dieser Götter, nach Verschiedenheit der Angelegenheiten, mehrere; so werden sie später, durch das Bedürfniß, Konsequenz, Ordnung und Einheit in die Erkenntniß zu bringen, Einem unterworfen, oder gar auf Einen reducirt werden, – der nun freilich, wie mir Goethe ein Mal bemerkt hat, sehr undramatisch ist; weil mit Einer Person sich nichts anfangen läßt. Das Wesentliche jedoch ist der Drang des geängsteten Menschen, sich niederzuwerfen und Hülfe anzuflehen, in seiner häufigen, kläglichen und großen Noth und auch hinsichtlich seiner ewigen Seeligkeit. Der Mensch verläßt sich lieber auf fremde Gnade, als auf eignes Verdienst: Dies ist eine Hauptstütze des Theismus. Damit also sein Herz (Wille) die Erleichterung des Betens und den Trost des Hoffens habe, muß sein Intellekt ihm einen Gott schaffen; nicht aber umgekehrt, weil sein Intellekt auf einen Gott logisch geschlossen hat, betet er. Laßt ihn ohne Noth, Wünsche und Bedürfnisse seyn, etwan ein bloß intellektuelles, willenloses Wesen; so braucht er keinen Gott und macht auch keinen. Das Herz, d. i. der Wille, hat in seiner schweren Bedrängniß das Bedürfniß, allmächtigen, folglich übernatürlichen Beistand anzurufen; weil also gebetet werden soll, wird ein Gott hypostasirt; nicht umgekehrt. Daher ist das Theoretische der Theologie aller Völker sehr verschieden, an Zahl und Beschaffenheit der Götter: aber daß sie helfen können und es thun, wenn man ihnen dient und sie anbetet, – Dies haben sie alle gemein; weil es der Punkt ist, darauf es ankommt. Zugleich aber ist Dieses das Muttermal, woran man die Abkunft aller Theologie erkennt, nämlich, daß sie aus dem Willen, aus dem Herzen entsprungen sei, nicht aus dem Kopf, oder der Erkenntniß; wie vorgegeben wird. Diesem entspricht auch, daß der wahre Grund, weshalb Konstantin der Große und eben so Chlodowig der Frankenkönig ihre Religion gewechselt haben, dieser war, daß sie von dem neuen Gott bessere Unterstützung im Kriege hofften. Einige wenige Völker giebt es, welche, gleichsam das Moll dem Dur vorziehend, statt der Götter, bloß böse Geister haben, von denen durch Opfer und Gebete erlangt wird, daß sie nicht schaden. Im Resultat ist, der Hauptsache nach, kein großer Unterschied. Dergleichen Völker scheinen auch die Urbewohner der Indischen Halbinseln und Ceylons, vor Einführung des Brahmanismus und Buddhaismus, gewesen zu seyn, und deren Abkömmlinge sollen zum Theil noch eine solche kakodämonologische Religion haben; wie auch manche wilde Völker. Daher stammt auch der dem Cingalesischen Buddhaismus beigemischte Kappuismus. Imgleichen gehören hieher die von Layard besuchten Teufelsanbeter in Mesopotamien. – Mit dem dargelegten wahren Ursprung alles Theismus genau verwandt und ebenso aus der Natur des Menschen hervorgehend ist der Drang seinen Göttern Opfer zu bringen, um ihre Gunst zu erkaufen, oder, wenn sie solche schon bewiesen haben, die Fortdauer derselben zu sichern, oder ein Uebel ihnen abzukaufen. (S. Sanchoniathonis fragmenta, ed. 0relli, Lips. 1826. p. 42.) Dies ist der Sinn jedes Opfers und eben dadurch der Ursprung und die Stütze des Daseyns aller Götter; so daß man mit Wahrheit sagen kann, die Götter lebten vom Opfer. Denn eben weil der Drang, den Beistand übernatürlicher Wesen anzurufen und zu erkaufen, wiewohl ein Kind der Noth und der intellektuellen Beschränktheit, dem Menschen natürlich und seine Befriedigung ein Bedürfniß ist, schafft er sich Götter. Daher die Allgemeinheit des Opfers, in allen Zeitaltern und bei den allerverschiedensten Völkern, und die Identität der Sache, beim größten Unterschiede der Verhältnisse und Bildungsstufe. So z. B. erzählt Herodot (IV, 152), daß ein Schiff aus Samos, durch den überaus vortheilhaften Verkauf seiner Ladung in Tartessos einen unerhört großen Gewinn gehabt habe, worauf diese Samier den zehnten Theil desselben, der sechs Talente betrug, auf eine große eherne und sehr kunstvoll gearbeitete Vase verwandt und solche der Here in ihrem Tempel geschenkt haben. Und als Gegenstück zu diesen Griechen sehn wir, in unsern Tagen, den armsäligen, zur Zwerggestalt eingeschrumpften, nomadisirenden Rennthierlappen sein erübrigtes Geld an verschiedenen heimlichen Stellen der Felsen und Schlüchte verstecken, die er keinem bekannt macht, als nur in der Todesstunde seinem Erben, – bis auf eine, die er auch diesem verschweigt, weil er das dort Hingelegte dem genio loci, dem Schutzgott seines Reviers, zum Opfer gebracht hat. (S. Albrecht Paneritius, Hägringar, Reise durch Schweden, Lappland, Norwegen und Dänemark im Jahre 1850. Königsberg 1852. S. 162.) – So wurzelt der Götterglaube im Egoismus. Bloß im Christenthum ist das eigentliche Opfer weggefallen, wiewohl es in Gestalt von Seelenmessen, Kloster-, Kirchen-und Kapellen-Bauten noch da ist. Im Uebrigen aber, und zumal bei den Protestanten, muß als Surrogat des Opfers Lob, Preis und Dank dienen, die daher zu den äußersten Superlativen getrieben werden, sogar bei Anlässen, welche dem unbefangenen wenig dazu geeignet scheinen: übrigens ist dies Dem analog, daß auch der Staat das Verdienst nicht allemal mit Gaben, sondern auch mit bloßen Ehrenbezeugungen belohnt und so sich seine Fortwirkung erhält. In dieser Hinsicht verdient wohl in Erinnerung gebracht zu werden, was der große David Hume darüber sagt: Whether this god, therefore, be considered as their peculiar Patron, or as the general sovereign of heaven, his votaries will endeavour, by every art, to insinuate themselves into his favour; and supposing him to be pleased, like themselves, with praise and flattery, there is no eulogy or exaggeration, which will be spared in their addresses to him. In proportion as men’s fears or distresses become more urgent, they still invent new strains of adulation; and even he who outdoes his predecessors in swelling up the titles of his divinity, is sure to he outdone by his successors in newer and more pompous epithets of praise. Thus they proceed; till at last they arrive at infinity itself, beyond which there is no farther progress. (Essays and Treatises on several subjects, London 1777, Vol. II. p. 429.) Ferner: It appears certain, that, though the original notions of the vulgar represent the Divinity as a limited being, and consider him only as the particular cause of health or sickness; plenty or want; prosperity or adversity; yet when more magnificent ideas are urged upon them, they esteem it dangerous to refuse their assent. Will you say, that your deity is finite and bounded in his perfections; may be overcome by a greater force; is subject to human Passions, pains and infirmities; has a beginning and may have an end? This they dare not affirm; but thinking it safest to comply