Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
Bau einer Volkslungenheilstätte, ohne jedoch meinen Namen als den des nachher in den Zeitungen vielgepriesenen Spenders zu nennen.
Da erwähnte Dreßler vor etwa einem halben Jahre ganz beiläufig im Gespräch mir gegenüber einen gewissen, in Mexiko wohnenden Albert Wenzel, bei dem er sich durch Vermittlung dessen Bruders, den Trödlers Jakob Wenzel, eine Miniatur-Statue irgend einer mexikanischen Gottheit bestellt hatte. Du kannst Dir meinen Schreck vorstellen, als dieser Name so urplötzlich wie ein Schreckgespenst abermals nach so vielen Jahren vor mir auftauchte.
Es kostete mich wirklich meine ganze Energie, damals meine Bestürzung auch nur einigermaßen vor Dreßler zu verbergen. Jedenfalls war meine Ruhe von dem Augenblick an dahin. Meine Angst war nicht unnötig gewesen, wie es sich dann herausstellte: Eines Tages erhielt ich einen in Dirschau aufgegebenen Brief mit dem Geheimzeichen der Roten Hand. Er lautete folgendermaßen:
»In Europa hätte ich Sie allerdings nie vermutet, Franz Schönberg. Desto angenehmer war ich überrascht, als mir mein in Danzig wohnender Bruder in einem sehr ausführlichen Brief mitteilte, ich solle ihm alte mexikanische Handschriften besorgen, die er vielleicht sehr günstig an einen Liebhaber derartiger Urkunden, einen alten Herrn namens Durgassow, verkaufen könne. Um nun unsere – nicht durch meine Schuld! – in Mexiko unterbrochenen freundschaftlichen Beziehungen wieder aufzufrischen, werden Sie sich innerhalb von drei Tagen an einem von Ihnen zu bestimmenden Orte in Danzig einfinden und liebenswürdigst die kleine Summe von 50 000 Mark in Banknoten mitbringen worauf ich Sie nie wieder zu belästigen feierlichst verspreche. – Mit Gruß Ihr alter Bekannter A. W., der sorgfältigst aufpassen wird, daß Sie dem Rendezvous nicht etwa wieder wie seinerzeit in Mexiko durch – Verduften aus dem Wege gehen.«
Auf diesen Brief hin tat ich zunächst nichts. Ich war eben so niedergeschmettert, daß ich keinen klaren Gedanken, erst recht keinen Entschluß fassen konnte. Denn wo sollte ich wohl die verlangte Summe hernehmen? Ich besaß nur noch gerade so viel, daß ich noch einige Jahre davon bescheiden leben konnte. – Völlig verstört irrte ich umher, nur immer von der Furcht gepeinigt, daß Albert Wenzel meine einstige Verfehlung aufdecken und mich dadurch härter bestrafen könnte, als ich es vielleicht je verdient habe.
So verging die mir gestellte dreitägige Frist. Am vierten Tage erhielt ich einen zweiten Brief mit dem Geheimzeichen, in dem Wenzel mir drohte, er würde mich öffentlich bloßstellen, falls ich ihm nicht innerhalb 24 Stunden die verlangte Summe beschaffe.
Da gab mir die Verzweiflung einen letzten Ausweg ein: Ich wollte, ohne irgend einem zu sagen, wohin ich mich wandte, verschwinden und mir in der Einsamkeit das Leben nehmen, möglichst so, daß auch meine Leiche nicht gefunden würde.
Meine Flucht hier nach Berent gelang wider Erwarten gut. Dir, Maria, ließ ich nach reiflichem Überlegen doch eine Nachricht zurück. Ich hoffe, Du hast die beiden Briefumschläge mit dem Geheimzeichen. Daraus wirst Du ersehen haben, was mich von Dir getrieben hat – eben dasselbe unheilvolle Zeichen, vor dem ich Dich schon früher einmal warnte.
Damit ist meine Beichte beendet. In dem Hotel ist alles totenstill geworden. Meine Uhr zeigt die zweite Morgenstunde an. Ich bin doch müde und abgespannt nach dieser Arbeit, die so vieles in mir aufwühlte.
Und nun – lebe wohl, mein Kind! Mag Dir an der Seite Deines geliebten Gatten ein frohes, gesegnetes Dasein beschieden sein. Dies wünscht Dir Dein Vater, der nur einen Lebenszweck gekannt hat: Dich glücklich zu sehen. – Ich küsse Dich in Gedanken mit aller Innigkeit. Franz Schönberg.«
»Nachschrift. Fünf Tage später, am Montagabend, hinzugefügt:
Meine geliebte Maria! Noch immer habe ich mich zur Ausführung meines Vorhabens nicht aufraffen können. Ich hänge doch mehr, als ich anfänglich dachte, am Leben. Und langsam ist in meinem Herzen wieder die Hoffnung erwacht, ob sich nicht Mittel und Wege finden lassen sollten, um meinem Schicksal auf andere Weise eine Wendung zum Besseren zu geben. Da fiel mir heute in der Montag-Morgenausgabe des Danziger Kuriers die Annonce in die Augen, die ich ihrer Fassung wegen als von Dir herrührend sofort erkannte und in möglichst vorsichtiger Weise beantwortete. Nun werde ich abwarten, was von Deiner Seite weiter geschehen wird. Wie unendlich würde ich mich freuen, wenn ich Dich nun doch noch wiedersehen könnte und mein Lebensabend sich zu einer Reihe friedlicher Tage gestalten würde. – Lebe wohl für heute, meine Maria! Welch köstlich Ding ist doch die Hoffnung! – Dein Vater.«
– – – – – – – –
Dies waren die letzten Worte des Schriftstückes. Die Hoffnung, an die der alte Mann sich geklammert hatte, war trügerisch gewesen. –
Maria Wieland hatte die Tränen bei so manchen Stellen dieses schlichten Bekenntnisses nicht unterdrücken können. Jetzt, da ihr Gatte die Blätter des Briefes wieder in den Umschlag schob, schaute sie mit banger Frage in ihrem Blick zu ihm hinüber. Ihre Augen begegneten sich. Karl Wieland verstand, welche Zweifel ihre Seele nunmehr quälen würden. Schnell erhob er sich, eilte zu ihr und nahm ihre beiden Hände in die seinen.
»Maria,« sagte er warmen Tones, »wenn jetzt Dein Vater in mein Herz blicken könnte, so würde er sehen, daß ich ihm vollständig verziehen habe. Stets werden meine Gedanken an unseren lieben Toten nur die besten sein.«
Das Dogmoore-Wappen