Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
hin. Ich setzte mich. Und er lehnte sich an die Wand mir gegenüber.
»Herr Doktor, Sie wurden um viertel sieben Uhr hier erwartet,« begann er jetzt plötzlich mit einer kühlen Sachlichkeit, die mich fast abstieß. Das weiche aus seiner Stimme war verschwunden. »Ihre Braut ist Ihnen bereits um halb sechs, kurz bevor der Regen begann, bis hierher entgegengegangen.«
»Wir hatten uns verabredet,« warf ich ein.
»Das hörte ich schon von der Frau Geheimrat, die Ihrer Braut des drohenden Regens wegen abriet, Sie hier zu erwarten. Aber Fräulein Heliante ließ sich nicht zurückhalten. Sie ist dann hier durch einen Dolchstoß ins Herz getötet worden, und zwar von einer Person, die auf dem Fußboden des Pavillons nur wenige und sehr verschwommene Fußstapfen zurückgelassen hat. Wir haben diese Spuren sämtlich abgezeichnet, auch photographiert. Sie geben einen gewissen Aufschluß über den Vorgang selbst, wenn auch nicht über den Verbrecher – leider!«
Wie entsetzlich mich diese Sachlichkeit marterte! – Aber ich blieb still, blieb geduldig. In meinen Ohren klang als Begleitung zu Gunolts Worten stets ein anderer mit: »Rache – Rache –!! Du wirst Heliante rächen –!!«
»Im Park haben wir keine Spuren finden können,« sprach der Kommissar weiter »der Regen, der erst um acht Uhr nachließ, hat alles weggewaschen. So konnten wir uns nur an das halten, was hier zu sehen war. – Danach scheint Ihre Braut dem Mörder bis zur Tür dieses Pavillons entgegengeeilt zu sein. Und dort etwa,« – er zeigte auf die Stelle, wo Heliantes zierliche Lackschuhchen unter dem Kleidersaum hervorragten – »hat sie den tödlichen Stoß erhalten, worauf der Mörder die Umsinkende auffing und auf den Bastteppich so hinlegte, wie Sie sie noch jetzt sehen. Der Tod ist fast augenblicklich eingetreten. – Ich behaupte nun, daß dieser Täter Ihrer Braut nicht fremd gewesen sein kann, möchte sogar die Behauptung aussprechen, daß sie – dem Mörder ob seiner Tat nicht zürnte. – Die Tote lächelt wie in stiller Glückseligkeit. So ist sie hinübergegangen in ein besseres Jenseits. – Gerade dieses Lächeln ist von großer Bedeutung. Und dann noch – die Rosen, die roten Rosen –!«
Wieder deutete er auf Heliante, auf die Rosen, die ich jetzt erst wahrnahm.
Sie hielt sie in der rechten Hand, die etwas vom Körper weggestreckt war, – vier langstielige, dunkelrote, erst halb erblühte Rosen …
Was folgerte Gunolts spitzfindiges Hirn aus diesen zarten, duftenden Kindern des Sommers? – Seltsam: Rosen in der Hand – dunkelrot – Blumen der Liebe –.
»Der Mörder hat sie nach der Tat von einem Strauch dicht am Pavillon abgeschnitten, mit einem sehr scharfen Instrument, vielleicht mit der Mordwaffe,« sagte Gunolt wieder in seiner bedächtigen Art. »Er hat sie dann der Toten in die erstarrten Finger gedrückt. Als Ihre Braut die Villa verließ und hierher eilte, hatte sie weder die Rosen noch ein Taschenmesser bei sich. Die Rosen sind auch erst nach Beginn des Regens abgeschnitten worden. Ihre Kelche sind voll von Regentropfen. Dort, wo sie auf dem Bastteppich liegen, ist ein nasser Fleck entstanden. – Es ist so – der Mörder brachte seinem Opfer Blumen, und –«
Ich merkte, daß er noch mehr hinzufügen wollte.
Weshalb schwieg er?! Weshalb schaute er leicht verlegen an mir vorbei –?!
Eine seltsame Unruhe überkam mich. Schon Heliantes glückliches Todeslächeln war für mich die Ursache zu argwöhnischem Grübeln gewesen. Und jetzt noch die Rosen –!!
Seliges Lächeln und Blüten der Liebe –!!
Hatte man mir nicht vor kurzem noch einen anonymen Brief ins Haus geschickt –?! Hatte nicht in diesem Schandwisch das gestanden, was ich schon von anderer Seite gehört hatte, – von einer Neigung Heliantes zu einem armen Künstler, einem Maler?!
Ich blickte scheu zu Gunolt hinüber. Unsere Augen begegneten sich.
Dann formten seine Lippen ein Wort:
»Eifersucht!« – Er betonte es ganz eigen.
Er hatte dasselbe gedacht wie ich …!!
Und leise fügte er hinzu: »Eifersucht – Verlobungsfeier heute – vielleicht vorher ausspioniert, daß Ihre Braut Sie hier öfters erwartete –.« Es war, als ob ein Schachspieler die ersten Züge tut, die den Sieg vorausahnen lassen –.
Dann fragte er: »Wie heißt er doch?«
Ich blickte wie gebannt auf die Rosen im hellen Licht der Strahlenkegel. Sie wuchsen, wuchsen, wurden ein tiefrotes Meer, eine wogende See von Blut.
Und ganz unbewußt hob ich die Schultern als einzige Antwort.
»Sie wissen es nicht –? – Ach – richtig – Egon Wallner, der Maler hellblauer Landschaften mit violetten Bäumen und Menschen mit grünen Gesichtern.«
Er wußte mehr als ich, der berühmte Gunolt.
Eine Weile Schweigen –.
Das rote Meer wogte noch immer vor meinen Augen – darüber mußte sich ein Nachthimmel ausspannen –. Sternschnuppen durchkreuzten das Rot – Fünkchen, die ich zu sehen glaubte.
Abermals Gunolts Stimme – wie aus weiter, weiter Ferne, jetzt wie die eines Menschen, vor dem ich langsam zurückweiche, – immer leiser – verschwommener –.
»Ihre Schwägerin Beatrix hat die Tote zuerst entdeckt. Sie kam mit Schirm und Umhang für Ihre Braut hierher, wahrscheinlich kurz nachdem der Mörder sich entfernt hatte –.«
Arme Beatrix –! Sie war ja Heliantes Zwillingsschwester – ihr zum Verwechseln ähnlich – bis auf das dunkle Haar. Heliante war aschblond –
»Arme Beatrix!« – Das war das letzte, was ich dachte, bevor ich ohnmächtig vom Stuhl sank –.
3. Kapitel
Egon Wallner
»Es war doch zu viel für Ihre Nerven –.«
Gunolt saß neben mir auf der Treppe zum Pavillon. Vorsorglich ins Freie geschafft, hatte mir die kühle Abendluft schnell die Besinnung zurückgegeben.
Ich schaute noch etwas verwirrt um mich, stand dann auf, stützte mich auf das Geländer, atmete tief, ganz tief – und roch den Duft von Rosen, – vielen roten Rosen, die dicht neben der Treppe ihre regenfeuchten Blüten graziös nach unten beugten und sich im Abendwind langsam bewegten, – – als ob sie mir zunickten – ja – verständnisinnig zunickten: »Wir wissen Bescheid, wir wissen vielleicht mehr, als du ahnst –.«
Rosen – Rosen und das Lächeln –!! Da stand die Wirklichkeit vor mir in greller, furchtbarer Klarheit.
Ich wandte mein Gesicht Gunolt zu.
»Wünschen Sie, daß ich mir die Tote nochmals ansehe?«
»Nein, danke. Sie sind der Mörder nicht, Herr Doktor.«
Ich stierte ihn an wie einen Menschen, den man plötzlich für wahnsinnig hält.
»Ich – Mörder –?!« Ich brachte nur die beiden Worte über die schwere Zunge.
»Wir müssen jeden für den Täter halten, der uns auch nur im Bereich eines noch so geringfügigen Verdachtes zu stehen scheint. Sie, Herr Doktor, verschliefen Ihre Verlobungsfeier und eine Verabredung. Als ich hier am Tatort eintraf, fehlten gerade Sie, eine der beiden Hauptpersonen des heutigen Festes, das so düster enden mußte, bevor es noch begonnen hatte. Ihre Schwiegereltern wollten zu Ihnen schicken, Sie holen lassen. Ich verbot dies. Einer meiner Beamten ging zu Frau Meißler. Er heißt Heller, ist mein zuverlässigster Gehilfe. Er hat dann vom Flur aus durch das Schlüsselloch in Ihr Arbeitszimmer geschaut. Sie schliefen in dem Klubsessel am Fenster, den Rücken der Tür zugekehrt. Sie waren bereits im Frack. Die weiße Hemdbrust spiegelte sich im Fenster wieder. Heller ist ein sehr gewissenhafter Mensch. Volle zehn Minuten hat er Sie im Auge behalten. Man kann ja auch Schlaf