Liebesbriefe großer Frauen. ОтÑутÑтвуетЧитать онлайн книгу.
vieler faszinierender Frauen vergangener Jahrhunderte. Häufig waren solche Briefe die einzige Möglichkeit für die liebende Frau, zu ihrem Angebeteten Kontakt aufzunehmen und das Verhältnis aufrechtzuerhalten – manchmal über bloße räumliche Entfernung, aber oft auch angesichts unüberwindlich erscheinender gesellschaftlicher Widerstände. Frauen hatten, bis auf einige Ausnahmen, wenig Freiraum, ob als junges Mädchen an den Willen der Familie gebunden, als Verheiratete an den Ehemann oder im Allgemeinen als Frau an die Normen sozialer Respektabilität. Was da im Herzen einer Liebenden brannte und nach Außen drängte, konnte und durfte oft nicht anders Ausdruck finden als in Form eines Liebesbriefes. Nicht selten wurde so der Brief auch zum Mittel der Verführung und stellte nicht zuletzt für die Frau die einzige Möglichkeit dar, den Geliebten zu halten; weder konnte sie räumliche Entfernung leicht überwinden, da kaum eine Frau vergangener Zeiten über ähnliche Reisefreiheit verfügte wie die oft sehr mobilen Männer, noch konnte sie es sich in den meisten Fällen vom gesellschaftlichen Standpunkt aus gesehen leisten, für einen Mann zu kämpfen, der sich ihr zu entziehen drohte. Dies mag erklären, warum sich unter den ›Liebesbriefen großer Frauen‹ so viele zutiefst rührende, verzweifelte oder auch verzichtsreiche Texte finden, in denen die Verfasserin um den Geliebten ringt oder ihn schweren Herzens loslässt. Doch auch Zeugnisse tiefer und standhafter Liebe bieten sich dem Leser dar, kokettes Getändel genauso wie Ausbrüche glühender Leidenschaft und eheliche Vertrautheit – kurz: alle Variationen der Liebe, wie sie Frauen in der Vergangenheit wohl kaum je im gleichen Maße öffentlich ausleben konnten.
Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein war der Brief neben dem Tagebuch die häufigste literarische Form, derer sich Frauen bedienten – und bedienen konnten. Schriftstellerei galt besonders für Frauen lange als ein ›anstößiger‹ Beruf; bis auf wenige, herausragende Ausnahmen, die sich Anerkennung und Respekt erkämpften, veröffentlichten weibliche Literatinnen oft anonym oder unter einem (männlichen) Pseudonym – oder beschränkten sich auf die persönlichen, ›weiblichen‹ Gattungen Brief und Tagebuch. In manchen Fällen wurden diese Schriften, oft posthum, veröffentlicht, in anderen wurden sie zerstört oder verschwanden, um erst nach Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten, wiedergefunden zu werden. Andere harren auf irgendeinem Dachboden oder Trödelmarkt immer noch der zufälligen Entdeckung. Und so sind, was angesichts der Charakterisierung der Gattung als ›weiblich‹ geradezu paradox erscheint, mehr Briefe von den großen Männern der Geschichte erhalten oder wenigstens bekannt als von großen Frauen. Das gilt besonders für die so intimen Liebesbriefe, die nicht selten Gefühle – und Begierden – in Worte fassen, wie sie Frauen lange nicht anstanden, oder auf Beziehungen schließen lassen, die alles andere als ›legitim‹ oder ›akzeptabel‹ waren. Und so geschieht es häufig, dass von den Liebesbriefen eines berühmten Paares die seinen in ihrer Vollzahl veröffentlich wurden – und die ihren spurlos verschwanden. Hinzu kommt, dass bis zum 18. Jahrhundert viele Frauen des Schreibens schlicht nicht mächtig waren. – Diesen widrigen Umständen zum Trotz lässt sich ein Reichtum an gefühlvollen Dokumenten in Liebesbriefform finden, ganz besonders aus dem 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als nicht nur die weibliche Briefkultur einen Höhepunkt erreichte. Doch man stößt auch immer wieder auf briefliche Schätze aus früheren Jahrhunderten. Heloisa, Katharina von Aragon, Anne Boleyn, Ninon de Lenclos – sie alle gehören zu diesen frühen Liebesbriefschreiberinnen, deren Geschichten uns auch heute noch bewegen. Das 18. und 19. Jahrhundert wiederum sind wahre Fundgruben großer weiblicher Liebesbriefe, oft aus der Feder von Schriftstellerinnen oder solchen, die es hätten werden können, hätte ihnen ihr soziales Umfeld größere – literarische wie persönliche – Freiheit gewährt. Die zweite große Gruppe von Briefeschreiberinnen besteht aus Frauen, die auf politischer oder sozialer Bühne aktiv waren und sich aller männlicher Vorherrschaft zum Trotz als große, hervorstechende Einzelfiguren in die Geschichte einschrieben; eröffnet wird diese Reihe bereits im 11. Jahrhundert von der Ordensgründerin Heloisa und führt über Frauen wie die Kaiserin Maria Theresia und deren Tochter Marie Antoinette oder die Frauenrechtlerin Mary Wollstonecraft bis hin zu Rosa Luxemburg. Doch auch anrührende wie beeindruckende Zeugnisse von den Frauen ›hinter‹ den großen Männern der Geschichte finden sich hier, die ahnen lassen, wie viel so manche Geistesgröße der starken Frau an seiner Seite verdankte. Und nicht zuletzt sind Liebesbriefe aus jener Zeit oft Dokumente des eher indirekten, schwer fassbaren Einflusses der beeindruckenden Salon- und Gesellschaftsdamen, deren Vorreiterin die große Liebende Ninon de Lenclos war und ohne die die bedeutenden Kreise von Literaten und Philosophen des 18. und 19. Jahrhunderts kaum denkbar sind. Jene Texte lassen die eindrucksvollen ›sozialen Kunstwerke‹, die jene Frauen schufen, die im Moment verhaftet sind und in der Geschichte fast untergingen, zumindest erahnen. – All diese Liebesbriefe von Frauen, die über die Jahrhunderte im Vordergrund wie im Hintergrund der Geschichte standen, haben eines gemeinsam: Sie erzählen große Frauen- und Liebesgeschichten gleichermaßen.
Wer ›Liebesbriefe großer Frauen‹ sammelt, muss zuweilen ein wenig genauer hinsehen als bei der Suche nach Liebesbriefen großer Männer, die für den korrespondierenden Band Ewig Dein, ewig mein, ewig uns zusammengetragen wurden. Das geht nicht immer ohne Hilfe, vor allem im Bereich fremdsprachiger Texte, die der Übersetzung harren. Daher möchten wir an dieser Stelle Elżbieta Baraniecka für ihre tatkräftige Unterstützung danken.
Sabine Anders Katharina Maier
Heloisa
(um 1095-1164)
an Abaelard
Die Liebesgeschichte der beiden französischen Ordensgründer Petrus Abaelardus und Heloisa, oder Héloïse, ist eine der berühmtesten des Mittelalters und gehört wohl zu den dramatischsten aller Zeiten. Der leidenschaftliche Theologe, Philosoph, Poet und Musiker Abaelard, der sich wegen seiner progressiven und provokanten Ansichten und nicht zuletzt seiner ›blasphemischen‹ Tendenz, alles und jeden in Frage zu stellen, bereits einige Feinde unter dem Klerus seiner Zeit gemacht hatte, begegnete der jungen, gebildeten Heloisa im Haus ihres Onkels und Vormunds Fulbert. Abaelard wurde als Heloisas Hauslehrer angestellt, und zwischen den beiden entwickelte sich schnell eine leidenschaftliche, sinnliche Affäre. Während manche Heloisa als das bloße Opfer des (gewaltbereiten) Verführers Abaelard sehen, vermuten andere in dem Mädchen, welches in späteren Briefen als sexuell selbstbewusste Frau auftritt, den eigentlichen Ursprung des Verhältnisses; so nennt Hans-Wolfgang Krautz Abaelards Verhalten eine »tragische Verblendung vor überlegener weiblicher Einsicht« (Stuttgart 1989, S. 390). Nur zu bald wurde die Affäre entdeckt; Heloisa floh vor ihrem wutentbrannten Onkel und brachte Abaelards Sohn zur Welt. In der Zwischenzeit kamen der junge Theologe und Fulbert zu einer Einigung, und Abaelard und Heloisa schlossen entgegen den Wünschen der jungen Frau den Bund der Ehe, zu allem Überfluss auch noch heimlich, um Abaelards Chancen, in der kirchlichen Hierarchie aufzusteigen, nicht zu beeinträchtigen (nur niedrigrangige Kleriker durften zu dieser Zeit heiraten, wenn auch selbst das nicht gerne gesehen wurde). Der chronisch eifersüchtige Abaelard zwang seine Frau, als scheinbare Novizin in das Kloster Argentueil, in dem sie erzogen worden war, einzutreten. Ihre Verwandten empfanden dies als Akt der Verstoßung, lauerten Abaelard auf und kastrierten ihn aus Rache. Die öffentliche Schande trieb den Theologen ins Kloster – und er zwang seine Frau, ihm zu folgen und den Schleier zu nehmen, vermutlich um eine eventuelle Wiederverheiratung Heloisas zu verhindern.
Es sollte über zehn Jahre dauern, bis die beiden Liebenden nach diesem unrühmlichen Verhalten Abaelards wieder in Kontakt traten. Das Kloster Argentueil, das als Auffangbecken für ›gefallene Frauen‹, verstoßene Ehefrauen und mittellose Mädchen diente und zu dessen Priorin Heloisa aufgestiegen war, wurde vom örtlichen Abt kurzerhand geschlossen. Die heimatlosen Nonnen unter Heloisa wandten sich an Abealard, der vergeblich versucht hatte, sein humanistisches Ideal klösterlichen Lebens unter den Mönchen in Paraklet, zu deren Abt er ernannt worden war, durchzusetzen. Gemeinsam mit Heloisa gründete er nun ein Nonnenkloster in Paraklet. Die Aufgabe, die Grundsätze des Benediktinerordens und Abaelards humanistisches Ideal an ein weibliches Klosterleben anzupassen, bildete den Anlass zu einem regen Briefwechsel zwischen den beiden einstigen Eheleuten, die nun in eine neue Beziehung als ›Bruder‹ und ›Schwester‹ und als gemeinsame Ordensgründer treten konnten. In diesem Briefwechsel arbeiten Heloisa und Abaelard zum einen die Geschichte ihrer Liebe auf; zum anderen