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Reisen in Westafrika. Mary Henrietta KingsleyЧитать онлайн книгу.

Reisen in Westafrika - Mary Henrietta  Kingsley


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große Teile der Insel selbst bereits kennengelernt. Doch obwohl ich viel über den Gouverneur gehört hatte, traf ich ihn erstmals in Begleitung von Lady MacDonald und dem Generalkonsul. Er ist eine außerordentlich angenehme Person. Als spanischer Marineoffizier hatte er einige Zeit in Kuba gelebt und dort recht gut Englisch gelernt, wenn auch mit starkem amerikanischen Akzent. Er erzählte sehr bewegend, als seine Ernennung zum Gouverneur bekannt wurde, hätten all seine Freunde ihm vorsichtig erklärt, seine Ernennung käme letztlich einer Exekution gleich – lediglich der Ablauf sei ein wenig unbequemer. Während seiner Anreise wurde diese Einschätzung täglich von den Geschichten der Seeleute und Händler bestätigt, die ihre Berichte mit Daten und Details über den Tod von Opfern des Klimas ausschmückten.

      Er war dennoch frohen Mutes, doch bei seiner Ankunft auf der Insel musste er entdecken, dass sein Vorgänger an Fieber gestorben war, und er selbst erlitt bereits am ersten Tag nach dem Anlegen eine schwere Fieberattacke. Man legte ihn in ein Bett und informierte ihn, dies sei dasselbe Bett, in dem der vorige Gouverneur seine letzten Stunden verbracht habe. In jenem elenden Zustand glaubte er endlich all die Geschichten, die man ihm erzählt hatte, und im Delirium gesellten sich ihrem Horror noch einige selbst kreierte Visionen des Todes und Fegefeuers hinzu. Glücklicherweise erwiesen sich sowohl Prophezeiungen wie auch eigene Überzeugung als Irrtum, und der Gouverneur entwand sich den Klauen des Todes. Doch er zog sich nun umgehend aus Port Clarence9 nach Basilé zurück, in die Nähe des höchstgelegenen Eingeborenendorfs, wo er für sich ein Haus bauen ließ.

      Dort wohnt der Gouverneur umgeben von einem Dorf der unglücklichsten Menschenwesen, die mir je zu Gesicht gekommen sind. Es sind die Übriggebliebenen einer Gruppe spanischer Kolonisten, die man ursprünglich irgendwo in den spanischen Besitzungen in Marokko angesiedelt hatte. Doch der Platz hatte sich als für menschliches Leben ungeeignet erwiesen, und die Kolonisten hatten die spanische Regierung gebeten, ihnen einen anderen Ort zuzuweisen. Die spanische Regierung hatte gerade einen ihrer gelegentlichen Anfälle von Interesse an ihrer Kolonie Fernando Po, und so schaffte man die Kolonisten dorthin. Der Gouverneur, ein überaus freundlicher und großzügiger Mann, der für jedes Land einen Gewinn darstellen würde, siedelte sie und ihre Familien in seiner Nähe an, damit sie dort gemeinsam mit ihm die Vorteile der Höhenlage von Basilé genießen konnten. Er glaubte fest an diese Vorteile, die er auch jedem erkrankten Weißen auf der Insel zukommen ließ, welcher Nation oder Religion auch immer. Unzweifelhaft sind die Fieberprobleme in Basilé auch geringer als in den tieferen Lagen, doch man muss dafür die üblichen Nachteile afrikanischer Höhenlagen in Kauf nehmen, vor allem den Überfluss an Regen, dichtem Nebel, sowie die häufigen und extremen Temperaturschwankungen. Und so schwindet die Zahl der Kolonisten noch immer, und ihre Kinder sterben regelmäßig an einer der vielen Varianten des auf der Insel sehr verbreiteten Entozoa-Wurms.

      Als der Gouverneur sich auf dem Berg niederließ, war er für Regierungsgeschäfte zunächst sehr schwer zu erreichen, und folglich installierte man für ihn eine Telefonleitung von Port Clarence durch den Wald bis zu seiner Residenz, und ganz Spanien war stolz auf dieses gewagte Stück moderner Technik. Doch oh je! Die Urwälder Fernando Pos waren von dem neuen Spielzeug ebenfalls fasziniert, und die Blätter und Zweige der Bäume tuschelten miteinander über das neue Ding so laut, dass die Menschen an den beiden Enden der Leitung kein Wort des anderen verstanden. Daraufhin ließ der Gouverneur entlang des Kabels eine Straße bauen, um die Bäume fernzuhalten, doch leider ist das Telefon noch immer ein höchst unzuverlässiges Kommunikationsmittel: Ein weitere Störungsquelle ist leider noch nicht ausgeräumt, nämlich die Angewohnheit der Eingeborenen, Teile des Kabels zu stehlen. Sie sind völlig überzeugt, ihrer Raubzüge nicht überführt werden zu können, solange man sie nur nicht auf frischer Tat ertappt. Der Gouverneur muss daher jederzeit befürchten, mitten im Gespräch mit Port Clarence unterbrochen zu werden. Schrecklich sich vorzustellen, wie viele Hallo?– Bist du noch da? – Sprich bitte lauter! ungehört im Wald verschwinden, bis die Unterbrechung bemerkt und irgendein Unglücksrabe als Bote losgeschickt wird.

      Aber nichts kann den Gouverneur bewegen, sich auch nur einen Kilometer Richtung Port Clarence zu bewegen, bis der Tag kommt, an dem er dort ein Schiff Richtung Heimat besteigen wird, und ich muss zugeben, dass dieses Vorgehen vernünftig erscheint, denn er war ein außerordentlich gesund und fröhlich wirkender Mann.

      Man sagt, Fernando Po sei eine vergleichsweise junge Insel und vor noch nicht allzu langer Zeit mit dem Festland verbunden gewesen. Immerhin ist die Wasserstraße nur rund dreißig Kilometer breit und nicht besonders tief10, doch mir ist dennoch unklar, welche Grundlagen für solche Ideen bestehen könnten. Die Vulkane Fernando Pos sind noch nicht erloschen, sondern ruhen lediglich, doch auf der anderen Seite ist die Insel alt genug, damit sich einige einzigartige Tier- und Pflanzensorten entwickeln konnten, und so etwas braucht Zeit. Ich denke, dass die Insel nie mit dem Festland verbunden war, sondern sich als Teil jener Kette von Vulkanen vom Meeresboden erhob, die sich von den Bergen Kameruns in südsüdöstlicher Richtung über den Atlantik bis Annobón erstreckt und eventuell noch weiter bis Tristan da Cunha auf halbem Wege zwischen dem Kap der Guten Hoffnung und Südamerika.

      Zu jener Kette an Vulkaninseln gehören Fernando Po (3106 Meter), Príncipe (914 Meter), São Thomé (2107 Meter) und Annobón (411 Meter)11, sie alle sind außerordentlich schön und sehr fruchtbar. São Thomé und Príncipe sind portugiesische Besitzungen, Fernando Po und Annobón spanisch. Allesamt sind sie außerordentlich ungesund. São Thomé nennt man noch immer den »Friedhof der Holländer« in Erinnerung an die schrecklichen Verluste, die die Holländer während ihrer kurzen Besatzung der Insel allein durch das Klima erlitten. Während des langen Krieges, den diese beiden Mächte gegeneinander in jener Region um eine Vorherrschaft austrugen, die schließlich keine der beiden gewann, scheinen die Holländer praktisch jede portugiesische Besitzung irgendwann einmal besetzt zu haben. Príncipe ist angeblich die ungesündeste der Inseln, und der Unterschied zwischen ihr und Annobón dürfte darin liegen, dass Príncipe im warmen Guineastrom liegt, Annobón jedoch im Äquatorialstrom, der im Durchschnitt zehn Grad kühler ist als sein Nachbar.

      Die Küsten São Thomés berühren beide Ströme, und die Gewässer rund um Fernando Po sind durchmischt und ihre Zugehörigkeit ungewiss. Für jemanden, der nie diese Meere bereiste, dürfte die Bedeutung, die wir den dortigen Meeresströmungen beimessen, schwer verständlich sein. Doch sie ist erheblich, insbesondere, wenn man ein kleines Segelschiff navigiert, wie ich dies notgedrungen zum Fischen öfters tat. Auch ihr Einfluss auf das Klima ist deutlich spürbar. Wenn wir nur irgendein Großereignis auf dem Grund des Atlantik auslösen könnten, das die so innig geliebte Guineaströmung dorthin zurückschickte, wo sie offenbar herkommt, und stattdessen den kühlen Äquatorialstrom entlang der Festlandküste lenkte, wäre Westafrika wohl kaum wiederzuerkennen.

      Fernando Po ist die größte Insel der westafrikanischen Küste und zugleich eine der schönsten der Welt. Der Höhepunkt der großartige Vulkanformation mit vielen Kratern ist der gewaltige Kegel des Clarence Peak12, den die Spanier Pico de Santa Isabel und die Einheimischen der Insel O Wassa nennen. Von See oder vom Kontinent aus betrachtet erscheint die Insel wie ein einzelner riesiger Berg, der sich aus dem Meer erhoben hat. Seewärts kann man den Vulkan bei klarem Wetter (und insbesondere in der seltsam klaren Luft nach einem Tornado) aus über hundertfünfzig Kilometer Entfernung erkennen. Manchmal ist es möglich, Fernando Po vom weit entfernten Strand Bonnys aus zu betrachten, und ich kann mir keinen perfekteren Anblick der Insel vorstellen, scheinbar schwebend im Sonnenuntergang wie ein Werk der Feen aus Gold und Amethyst. Fast dieselbe Begeisterung stellt sich ein, wenn man die Insel aus der Nähe betrachtet, insbesondere vom Festland bei Victoria aus, lediglich dreißig Kilometer von der Insel entfernt. Die Variationen ihrer Schönheit sind grenzenlos, meist weich und farbenprächtig, doch ich sah die Insel auch als scharf gezeichnete Silhouette vor dunklen Tornadowolken und großartig düster von den oberen Regionen seines großen Bruders Mungo13 aus. Und was Fernando Po im Licht des Vollmonds angeht – nun, reisen Sie hin und schauen Sie es sich an!

      Die gesamte Insel ist – oder besser gesagt war – bis fast zu den Gipfeln hinauf von einem dichten Mischwald bedeckt, reich bestückt mit Ölpalmen und Baumfarnen und einem Unterholz, das einen immensen Artenreichtum an Farnen und Moosen aufwies. Ungewöhnlich für Westafrika wächst hier sogar Zuckerrohr wild. Die letzte bedeutende botanische Sammlung in diesen


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