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Reisen in Westafrika. Mary Henrietta KingsleyЧитать онлайн книгу.

Reisen in Westafrika - Mary Henrietta  Kingsley


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meinte sie strahlend: »Welch eine Frage! Wer würde angesichts all der Schönheit und all des Zaubers nicht Afrikas Zwillingsbruder, die Hölle selbst, besuchen!« Und schon lenkte sie von ihrer Person ab und verwickelte die Zeitungsleute in einen Diskurs über Afrika. Auf ihren Reisen nutzte sie die Möglichkeiten des britischen Empire und nahm den Schutz dieser Autorität gern in Anspruch, zu Hause aber legte sie sich völlig vogelfrei mit der Politik an.

      Sie begann, im ganzen Land Vorträge zu halten, und wurde darin so gut, dass jedes Mal bis zu zweitausend Zuhörer kamen. Eine Zeitzeugin beschreibt ihre öffentlichen Auftritte als großes Erlebnis, lobt ausdrücklich Kingsleys Humor und ihren Hang zur Selbstironie: »Wenn sie sprach oder lachte, war sie unwiderstehlich attraktiv und dass sie den Buchstaben H nicht aussprechen konnte, war erst befremdlich, aber schon bald vergessen.«

      Mary Kingsley nutzte den Ruhm, den das vorliegende, 1897 erstmals erschienene Buch »Reisen in Westafrika« auslöste, um auch über Zeitungsbeiträge ihre konkreten Ansichten zur Kolonialpolitik kundzutun und als Fürsprecherin der Schwarzen aufzutreten. Ihre Biographin Katherine Frank schreibt, dass »ihr wichtigstes Verdienst als Ethnographin ihre Haltung in der Kolonialpolitik war, nämlich ihr Beharren darauf, dass die afrikanische Kultur vor der ›Zerschlagung‹ durch die britische Kolonialpolitik geschützt werden müsse«.

      Jahrelang kämpfte sie als politische Aktivistin gegen eine umstrittene »Haussteuer« in Sierra Leone, traf sich mit Henry Morton Stanley und war in regem Briefkontakt mit Minister Chamberlain, der gern von der »herrschenden Rasse der Angelsachsen« sprach. Auch Kingsley war ein Kind ihrer Zeit und hatte – aus heutiger Perspektive – entsprechende rassistische Tendenzen. Zu den Überlegungen, Kontinente wie Indien und Afrika nach und nach in die Selbstverwaltung zu entlassen, schrieb sie an Chamberlain: »Ich glaube nicht an schwarze Parlamente, seien sie von Negern oder halbgebildeten indischen Bürokraten geführt«. So stellte sie auch nicht den Anspruch Großbritanniens in Frage, Afrika zu regieren, verteidigte aber enthusiastisch die Schwarzen und deren eigenen Gesetze, die die Weißen ohne Grund störten. Diese Menschen würden nicht »vor sich hin vegetieren«, seien nicht einfach »Rohmaterial«, das von Politikern und Missionaren geformt werden müsse.

      Privat aber ist Mary Kingsley in den Jahren nach der Rückkehr nicht annähernd so standfest und streitlustig wie als Lobbyistin und Politikerin. Sie leidet unter Kopfschmerzen und Rheuma, versinkt in Depressionen und kämpft als alleinstehende Frau mit der herrschenden Etikette. Als sie einmal auf einer Teeparty mit dem Dschungelbuch-Autor Rudyard Kipling so ins Gespräch vertieft ist, dass er die Unterhaltung unbedingt zu Hause fortführen möchte, stimmt sie erst zu und berichtigt sich dann erschrocken: »Oh, ich habe vergessen, dass ich eine Frau bin. Tut mir leid, ich kann nicht.« Brav trägt sie ihre Röcke, in Briefen an Freunde aber benutzt sie Formulierungen wie »wir einfachen Seeleute«, oder »ich bin ein solider Buschmann«.

      Zu ihren Geschlechtsgenossinnen hatte Kingsley ein zwiespältiges Verhältnis. Einerseits entwickelte sie auf ihren Reisen intensive Freundschaften zu Vertreterinnen der britischen Krone, zu den Frauen der Händler oder zu Missionarinnen, andererseits distanzierte sie sich klar von den »schrillen Feministinnen« der Suffragettenbewegung, die in England für das Frauenwahlrecht kämpften. So fühlte sie sich in ihrer Ehre gekränkt, als man sie nach ihrer Rückkehr als »new woman« bezeichnete. Schließlich wollte sie »lieber auf dem Schafott enden«, als lange Hosen zu tragen. Solche heute absurd wirkenden Diskussionen müssen in der prüden viktorianischen Gesellschaft eine enorme Bedeutung gehabt haben, drohte doch – ironischerweise – auch die große Reisende Isabella Bird einem Redakteur Prügel an, der ihr unterstellte, in Hosen unterwegs zu sein. Ganz sicher war Mary Kingsley eine »neue Frau«, eine intelligente und selbstständige Frau. Aber die Jahre ihrer Erziehung hatten Spuren hinterlassen. Frauen waren dazu da, um Männern zu dienen, und auch eine Frau wie Mary Kingsley konnte sich nicht vollkommen von den Geschlechterrollen und Klischees ihrer Zeit befreien, weshalb sie eben als »Mann« so viel geleistet hatte.

      Sie will unbedingt wieder heraus aus diesem Dilemma. In ihrem letzter Winter zum Jahr 1900 ist sie erschöpft, häufig krank, wahrscheinlich auch unglücklich verliebt. »Ich bin eine wirklich melancholische Person«, schreibt sie einem Bekannten. »Ich zeige das aber nicht, ich habe kein Recht auf die Sympathie irgendeines Menschen«.

      Mary Kingsley fügt der Rolle der ausgebeuteten Tochter, der großen Reisenden, der erfolgreichen Autorin und Politikerin noch die der Krankenpflegerin hinzu. Eine entsprechende Ausbildung im Gepäck, fährt sie mit einem Militärschiff nach Südafrika, um die Verletzten im Zweiten Burenkrieg zu pflegen. Vielleicht, erzählt sie Freunden, werde sie ja auch einen Abstecher zum Fluss Oranje schaffen, um neue Fischarten zu finden, und außerdem könne sie ja Zeitungsberichte über den Kriegsverlauf schreiben. Ihr bleiben nicht einmal drei Monate im Lazarett von Simonstown. Sie steckt sich mit Typhus an und stirbt am 3. Juni 1900 mit 37 Jahren.

      Nach Ihrem Tod schrieb man in der »Morning Post«: »Sie war eine besondere Frau, gleichzeitig gelehrt und humorvoll, abenteuerlich und weise.« In anderen Nachrufen wurde Mary Kingsley als »unsere kluge Frau in westafrikanischen Angelegenheiten« bezeichnet, ausgestattet mit dem »Geist eines Staatsmanns«. Alle erinnerten an ihren »köstlichen Humor« und ihre schriftstellerische Begabung und nickten zustimmend über die Schlagzeile: »Sie war der Joker unter den Reisenden«.

       Magdalena Köster

      Die Zitate in diesem Vorwort stammen aus den Büchern von Mary Kingsley »Travels in West Africa (1897)«, »West African Study (1899)« und »Notes on Sport and Travel« (Aufzeichnungen ihres Vaters): ferner aus A. J. Green-Armytage, »Maids of Honour« (1906); Dorothy Middleton, »Victorian Lady Travellers« (1965); Robert D. Pearce, »Mary Kingsley« (1990); Catherine B. Stevenson, »Victorian Women Travel Writers in Africa« (1982).

      EINFÜHRUNG

      Über die vielfältigen Gründe der Autorin,

      sich auf eine weite Reise zu begeben

      Im Jahr 1893 gab es zum ersten Mal in meinem Leben fünf oder sechs Monate, die nicht bereits im Vorfeld völlig verplant waren. Mich wie ein Junge mit einer frisch geprägten Half Crown fühlend, rang ich mit mir, was mit jener Zeit anzustellen sei. »Geh und lerne die Tropen kennen«, riet die Wissenschaftlerin in mir. »Und wo soll ich hin?«, fragte ich mich, denn die Tropen sind überall Tropen, aber nicht überall gleich. Ich schlug einen Atlas auf und erkannte, dass Südamerika oder Westafrika mein Ziel sein musste, weil die Malaiische Halbinsel zu abgelegen und zu teuer ist. Dann nahm ich Die Geographische Verbreitung der Thiere von Wallace zur Hand, und nach der Lektüre seines meisterhaften Artikels zu Äthiopien fasste ich mir ein Herz und entschied mich für Westafrika. Der Entschluss fiel mir leicht, denn obwohl ich nichts über die praktischen Probleme wusste, wusste ich durch Überlieferung und Erzählungen eine Menge über Südost-Amerika. So erinnerte ich mich, dass Gelbfieber dort weit verbreitet war und ein bekannter, mir körperlich und mental überlegener Naturforscher beinahe verhungert wäre, als er mit einer deprimierenden Expedition, die nach und nach an Mangel und diversen Fiebern zugrunde ging, die Panamaregion bereiste.

      Meine Unkenntnis betreffend Westafrika endete rasch. Und obwohl die große Leere, die jener Weltteil in meinem Kopf einnahm, bis heute nicht einmal zur Hälfte gefüllt ist, lassen sich dort doch eine Menge sehr ausgefallener Informationen finden. Ich benutze das Wort »ausgefallen« mit Bedacht, denn ich fürchte, manch einer missverstand meine Bitte um praktische Tipps und Ratschläge als Aufforderung, herauszustellen, welch vielfältigen Arten von Unbill man dort begegnen könne. Obwohl ich größte Anstrengungen unternommen habe, diese Aussagen zu ordnen, sind sie noch immer sehr unsortiert. Meinem Eindruck nach lassen sich aber fast alle unter den folgenden Überschriften einsortieren:

      ·Die Gefahren Westafrikas

      ·Die Unannehmlichkeiten Westafrikas

      ·Die Krankheiten Westafrikas

      ·Was man nach Westafrika mitnehmen muss

      ·Was man in Westafrika besonders praktisch finden wird

      ·Was man in Westafrika auf keinen Fall tun sollte

      Für


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