Moonlight Romance Staffel 2 – Romantic Thriller. Scarlet WilsonЧитать онлайн книгу.
übernommen. Als Fachanwalt für internationales Steuerrecht war er ein gefragter Gutachter gewesen. Als die Zwillinge zur Schule gingen, hatte Ellen ihren Mann auf seinen Geschäftsreisen öfter begleitet. Kurz vor dem zehnten Geburtstag der Kinder war das Ehepaar dann bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.
Sarah erinnerte sich noch gut an ihre schreckliche Angst vor der Zukunft. Sie war überzeugt gewesen, dass sie nun in ein Heim kamen, denn schließlich hatten sie kaum Verwandte. Doch dann waren Alice und Gregory Tumbrill aufgetaucht. Alice war die Tante von Ellen Chapman und sie hatte selbst keine Kinder. Die überaus kultivierte und zugleich warmherzige Frau des Diplomaten im Ruhestand hatte das Herz der Kinder im Handstreich erobert.
Als sie Harper-Island zum ersten Mal betreten hatte, war es Sarah wie das Paradies erschienen. Der Großonkel, der seinen Ruhestand nutzte, um sein Hobby, die Pferdezucht zu intensivieren, hatte die Insel einst gekauft und seiner Frau als späteren Ruhesitz zur Hochzeit geschenkt. Neben dem Herrenhaus gab es große Volieren, in denen Tante Alice Pfauen züchtete, Stallungen für Pferde und auch ein wenig Nutzvieh und unendlich viel Platz, um eine Kindheit wie im Bilderbuch zu erleben.
Die Zwillinge lernten reiten und jeder bekam sein eigenes Pony. Sie wurden von einem Privatlehrer unterrichtet, denn der Weg zur nächsten Schule war zu weit. Gregory Tumbrill besaß auch eine Cessna, mit der er regelmäßig über den Kanal flog. David war bald sein begeisterter Copilot.
Die Tumbrills boten den Kindern alles, was man sich nur denken konnte, vor allem aber zwei Dinge, die von unschätzbarem Wert waren: Sicherheit und Freiheit.
Als Gregory vor ein paar Jahren an einem Herzinfarkt starb, trauerte Alice lange und intensiv, denn ihre Ehe war sehr glücklich gewesen. Sarah hatte ihr beigestanden, doch David schien der Tod des Großonkels kaum zu berühren. Seit sie beide erwachsen waren, hatten sie sich in ganz verschiedene Richtungen entwickelt.
Während Sarah schon als Teenager davon träumte, Medizin zu studieren, hatte David sich treiben lassen. Und das schien bis zum heutigen Tag so zu sein. Die Geschwister, die sich früher gut verstanden hatten, waren einander fremd geworden, hatten nur noch gestritten. Das war auch der Grund, weshalb Sarah die Großtante schon so lange nicht mehr besucht hatte. Und nun war es zu spät, nun konnte Sarah nur noch an ihrem Grab stehen.
Dieser bedrückende Gedanke ließ die junge Ärztin leise seufzen. Sie beschloss, sich eine Kleinigkeit zu kochen und zeitig schlafen zu gehen. Ihr Zug ging am nächsten Morgen gegen neun Uhr von der King’s Cross Station.
Als Sarah gerade ihre Mahlzeit beendet hatte, klingelte es.
Vor der Tür stand Rita. »Ich wollte mal nach dir sehen. Wie geht es dir so?«
»Es geht. Komm doch rein, trinken wir noch ein Glas zusammen. Ich bin froh, dass du da bist, jetzt allein zu sein ist nicht gerade angenehm.« Sarah holte eine Flasche Wein und zwei Gläser aus der Küche und setzte sich dann zu ihrer Freundin und Kollegin auf die Couch.
»Was sagt denn David? Für ihn muss es doch ein harter Schlag sein«, merkte Rita an und bedankte sich, als Sarah ihr einschenkte.
»Ich kann ihn nicht erreichen. Sein Handy ist abgeschaltet. Vermutlich ist er mal wieder auf Abwegen.«
»Was meinst du denn damit?« Rita trank einen Schluck. »Dein Bruder ist vielleicht ein bisschen leichtlebig. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er einfach verreist, wenn es Alice schlecht geht. Schließlich haben die beiden sich doch auch sehr nahe gestanden. Das hat er mir jedenfalls erzählt.«
Sarah seufzte. »Ja, Tante Alice hatte einen Narren an ihm gefressen, das stimmt schon. Er konnte einfach alles von ihr haben. Leider war das umgekehrt nicht der Fall. David denkt nie viel an andere. Er kennt nur sich selbst.«
»Du meinst, er hat sie allein gelassen?« Ritas Stimme klang skeptisch.
»Mein Bruder ist ein Egoist, er kümmert sich nur um sich selbst«, stellte Sarah da deutlich klar. »Und es waren ja auch noch andere Menschen in ›Ivy-House‹, da hat er sich vermutlich wie immer aus der Verantwortung gestohlen. Tut mir leid, wenn ich das so offen sage, Rita, aber David ist kein angenehmer Zeitgenosse, das war er nie. Er kann sehr charmant sein, doch sein wahres Ich sieht ganz anders aus.«
Die Freundin schien anderer Meinung zu sein, denn sie ging nicht auf Sarahs Worte ein, wechselte stattdessen das Thema und fragte: »Wann fährst du denn los?«
»Morgen Früh. Ich werde vermutlich ein paar Tage auf Harper-Island bleiben, bis alles geregelt ist.« Sie seufzte. »Das Testament muss verlesen werden und wir müssen uns überlegen, wie es auf ›Ivy-House‹ in Zukunft weitergehen soll.«
»Denkst du, dein Bruder wird dort wohnen bleiben?«
»Keine Ahnung. Wir erben zu gleichen Teilen, das hat Tante Alice uns schon vor langer Zeit gesagt. Wenn David den Besitz erhalten will, bin ich natürlich einverstanden. Es ist schließlich so etwas wie unser Elternhaus. Aber wie ich meinen Bruder kenne, wird er seinen Anteil zu Geld machen wollen. Das ist so ziemlich das Einzige, was ihn interessiert.«
»Dann stehen dir wohl keine sehr erfreulichen Tage bevor.«
»Nicht unbedingt. Es wird schwer genug, nach Harper-Island zu kommen und zu wissen, dass Tante Alice nicht mehr da ist. Aber was meinen Bruder betrifft, da bin ich jederzeit auf einige Überraschungen gefasst. Und damit meine ich ganz bestimmt keine angenehmen Überraschungen …«
*
Auch in dieser Nacht schlief Sarah schlecht. Sie drehte sich unruhig von einer Seite auf die andere, stöhnte und seufzte im Schlaf und als sie am Morgen erwachte, war ihr Kopfkissen noch feucht von Tränen. Während sie frühstückte und sich zurecht machte, versuchte sie, sich an den Traum zu erinnern, der sie die ganze Nacht gequält hatte. Es waren nur Bruchstücke, die ihr wieder in den Sinn kamen. Unheimliche Bilder voller seltsamer Symbole, fremder Gesichter und gespenstiger Stimmen. Sarah meinte, im Traum wieder auf Harper-Island gewesen zu sein, doch alles war ihr fremd und unheimlich gewesen. Sie bemühte sich, die Erinnerung zu verdrängen, doch das ungute Gefühl blieb.
Bis zur King’s Cross Station war es von Sarahs Wohnung aus nicht weit. Sie nahm die U-Bahn und saß wenig später schon im Zug nach Land’s End. Es war ein warmer Augustmorgen, über der Stadt lag leichter Dunst, der die Sonne verhüllte.
Nachdem der Zug London verlassen hatte, ging die Fahrt beständig Richtung Kanal nach Südwesten. Vorbei an Southampton und Bournemouth bis nach Plymouth.
Die Landschaft öffnete sich und wurde lieblich, glich zeitweise fast einem Park. Der Blick über den Kanal auf die französische Küste und die Insel Wight ließ so etwas wie Urlaubsstimmung aufkommen. Doch Sarah konnte sich an dem blauen Himmel und den weißen Booten, die auf dem Kanal segelten, nicht wirklich erfreuen. Ihr Herz war voller Trauer um die geliebte Großtante. Zugleich ärgerte es sie, dass sie ihren Bruder noch immer nicht erreicht hatte.
Wo mochte David nur sein? War es ihm denn völlig gleichgültig, dass Alice gestorben war?
Die Geschwister hatten sich zwar eine Weile nicht gesehen, aber Sarah konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Bruder so gefühllos war. Auch wenn David ein oberflächlicher Mensch und Egoist war, hatte er doch an Alice gehangen, ebenso so sehr wie seine Schwester. Es erschien ihr unmöglich, dass er den Tod der Großtante einfach ignorierte. Doch wo war David und warum reagierte er nicht auf ihre Anrufe? Sie konnte sich das einfach nicht erklären.
Gegen Mittag erreicht der Zug Land’s End. Das Wetter hatte sich verschlechtert, es regnete fein und der Himmel über dem Kanal war von jenem tristen Grau, das Sarah gut kannte. Die Wetterkapriolen in diesem Landstrich waren sprichwörtlich. Eben noch strahlte die Sonne von einem klaren, tiefblauen Himmel, um sich im nächsten Moment hinter dicken Wolken zu verstecken, die vom Atlantik kamen. Meist dauerten die Regengüsse aber nicht lange. Und selbst im Sommer gab es Tage, die wetterwendisch waren wie sonst nur der April.
Sarah verließ den Bahnhof und ging hinüber zum Hafen. Sie hatte Dr. Lancaster am Vortag mitgeteilt, wann ihr Zug eintraf, und als sie sich dem Pier näherte, kam ihr bereits Dick Jones, der Verwalter von ›Ivy-House‹, entgegen.
Die