Ausgewählte Lustspiele von Ludwig Thoma (Volksstücken und Bauernschwänke). Ludwig ThomaЧитать онлайн книгу.
die Sache ordentlich arrangiert habt, warum soll’s denn nicht gehen?
Mama: Wie kann man so etwas Frivoles nur sagen? Arrangieren! Wir… du auch, nicht wahr… haben geduldet, daß er Ida die Cour machte.
Häßler im amtlichen Ton: Ja… und?
Mama: Und? Jetzt wird es sein, wie es immer ist. Wir müssen eben hoffen, daß er ernste Absichten hat.
Häßler: Soo?
Mama: Wir nehmen das an, und haben natürlich Grund dafür. Und weil er gestern beim Kränzchen Ida gefragt hat, ob er uns heute besuchen dürfe… na ja…
Häßler ganz amtlich: Nur weiter, wenn ich bitten darf…
Mama: Aus dem Ton… und allem… nicht?… weiß Ida, daß er sich heute erklären will.
Häßler streitbar: Das heißt: sie glaubt es; sie nimmt es an. Und wir schweben einstweilen in Ungewißheit. Wir haben ganz einfach abzuwarten, ob man unserer Tochter das Schnupftuch zuwirft…
Mama: Also… sei so gut…
Häßler: Ist es anders? Ist es ein Atom anders?… Ich kann dir nur sagen, wenn ich Mutter wäre, dann wäre ich heute nicht im ungewissen…
Mama energisch: Sprich nicht so daher und sieh nicht so rechthaberisch aus! Kein Mensch will dein Schwiegersohn werden, wenn du so aussiehst.
Häßler sinkt in den Lehnstuhl zurück: Ja so!
Mama: Es hängt alles davon ab, daß Herr Schmitt bei uns warm wird.
Häßler: Kann er doch meinetwegen werden.
Mama: Das ist sehr die Frage. Junge Männer haben überhaupt eine merkwürdige Scheu vor guten Familien.
Häßler: Hm…
Kleine Pause
Mama: Hast du jemals darüber nachgedacht, warum so viele junge Männer unter ihrem Stand heiraten ?
Häßler schlicht: Nein.
Mama: Ich will es dir sagen. Weil die Männer selten den Mut haben, höher zu streben. Weil ihr jeder Schwierigkeit aus dem Wege geht.
Häßler: Wir?
Mama: Ja. Nur durch eure Neigung fürs Legere machen die sonderbarsten Mädchen gute Partien.
Häßler: Schön! Aber ich vermisse wieder einmal die Logik. Der junge Herr Schmitt findet doch gar keine Schwierigkeiten bei uns!
Mama: Er bildet sie sich ein. Alle bilden sich Schwierigkeiten ein, sobald ein Mädchen von anständiger Familie ist. Die unanständige Familie ist kein solches Hindernis.
Häßler: Das können wir kaum mehr ändern.
Mama: Aber den Eindruck können wir abschwächen.
Häßler: Daß wir eine anständige Familie sind?
Mama: Du weißt recht gut, was ich sagen will, und wir haben wirklich keine Ursache, Witze zu machen. Seufzt tief auf. Heinrich, von deinem Benehmen hängt so viel ab!
Häßler unwirsch: Ja… ja! Ich werde fortwährend lächeln… ich werde ihm die Hand entgegenstrecken…
Mama korrigiert: Beide Hände…
Es läutet zweimal, lang und heftig.
Häßler: Der junge Mann scheint ja ganz beherzt zu sein.
Mama greift hastig nach ihrer Handarbeit. Nervös: Zünde dir eine Zigarre an! Und nimm die Zeitung und schlag die Beine übereinander!
Häßler zündet sich eine Zigarre an und liest in der Zeitung und rekelt sich gemütlich im Lehnstuhl. Mama arbeitet. Stille. Die Tür rechts wird langsam geöffnet, und im Rahmen erscheint Frau Babette Bonholzer. Sie ist nach der letzten Dornsteiner Mode aufgedonnert. Von ihrem zugeklappten Regenschirm rinnt ein Bach auf den Boden.
Sechste Szene
Babette mit sehr lauter, durchdringender Stimme: Da seid’s ja! Grüß Gott!
Mama sprachlos und tief erschüttert: Ba…
Häßler auch fassungslos: Ba-bett! Du?
Babette: Gelt, da schaut’s? Ich hab mein Mann mitbracht, damit’s euch doch endlich amal kenna lernt’s! Zu ihrem Mann, der zögernd unter der Tür erscheint: Geh halt rei!
Bonholzer tritt ins Zimmer. Er trägt altmodischen, ihm etwas zu weiten Gehrock. Die Hose ist etwas kurz, und man sieht, daß Bonholzer Schaftstiefel trägt. Sein ganzes Äußere verrät den ehemaligen Feldwebel, besonders der starke, durch eine Anleihe seitlich des glattrasierten Kinns buschig gemachte Schnurrbart und das gerötete Gesicht. In der rechten Hand hält Bonholzer einen altmodischen Zylinder, in der linken einen Regenschirm, von dem auch ein Bach ins Zimmer läuft.
Babette mit Stolz: Das is mein Josef!
Bonholzer macht zwei Schritte gegen Häßler und verbeugt sich: Ich habe die Ehre, den Herrn Schwager zu begrüßen. Mit Verbeugung gegen Mama: Ich habe die Ehre, die Frau Schwägerin zu begrüßen.
Babette: Ich hab zu ihm g’sagt, es is höchste Zeit, daß i ‘n herbring, daß er doch endlich amal seine nächst’n Verwandt’n siecht.
Bonholzer: Natürlicherweise, den Trieb hat der Mensch gewissermaßen, daß es ihn zu seiner Familli hinziehagt… so zu sag’n.
Häßler gibt Bonholzer die Hand und bemüht sich jovial zu sein: Da habe ich also den Mann vor mir, den sich meine Schwester erwählt hat?
Bonholzer: Jawohl. Indem daß ich in den nämlichen Haus gewohnt hab, wo die Babett befindlich war, wo sie ihren Laden g’habt hat, als Marschad Mod.
Babette: Ich hab euch doch alles g’schrieb’n…
Häßler: Freilich, du hast uns geschrieben…
Babette: Wie er Oberaufseher worn is, hat er sich erklärt… Z’erscht hat er si net traut…
Bonholzer: Als pragmatisch geht ma halt leichter in den Hafen der Ehe… gewissermaßen.
Häßler gezwungen und verlegen: Natürlich, man wünscht Sicherheit.
Bonholzer reibt den Daumen am Zeigefinger: Und der Draht, das Gerstl, der Diridari spielt halt doch sozusag’n auch eine Rolle in der Poesie des Ehelebens.
Häßler: Ja… und jedenfalls freue ich mich, den Mann vor mir zu sehen, dem sich meine Schwester für das Leben anvertraut hat.
Mama wirft, unbemerkt von Babette und Bonholzer, ihrem Mann beschwörende Blicke zu: Heinrich… verzeihe…
Häßler beschwichtigend: Gewiß, Mama… Mit Herzlichkeit zu Babette: Es ist wirklich lieb von dir, daß du uns… äh… dein Eheglück vor Augen führst…
Babette: Geh, red doch net gar so g’schwoll’n! Ma hat scho zu euch komma