Butler Parker Jubiläumsbox 6 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
die wahrscheinlich hinaus auf einen Korridor führen mußte. Er öffnete sie vorsichtig und zuckte fast zurück. Es lag nicht am Licht, das auf sein Gesicht fiel. Es hing mit der Chinesin May Tai Hing zusammen, die dicht an dieser Tür vorbeischritt und das leere Tablett unter den Arm geklemmt hatte.
Sie hatte nichts bemerkt.
Sie ging die Treppe hinunter und verschwand unten in der Halle.
Rander riskierte einen Blick auf die Galerie.
Es gab einige Türen, die sich ihm anboten. Hinter welcher aber wurde Jane Morefield festgehalten? Aus welchem Zimmer mochte die Chinesin gekommen sein?
Rander huschte hinaus auf die Galerie. Von hier aus konnte er hinunter in die große Wohnhalle des Bungalows sehen. Er preßte sich eng gegen die Wand und hielt auf einen Vorhang zu, der die Galerie unterteilte. Hinter diesem Vorhang befand sich nur noch eine einzige Tür. Sein Gefühl sagte ihm, daß er das Ziel erreicht hatte.
Vorsichtig drückte er die Türklinke herunter. War die Tür verschlossen? Ließ sie sich sofort aufstoßen? Mike Rander schwitzte Blut und Wasser. Im Öffnen von versperrten Türen besaß er nämlich keineswegs jene Fertigkeit, die seinen Butler auszeichnete.
Erleichtert atmete er auf.
Die Tür ließ sich aufziehen.
Er roch sofort das süßliche, schwere Parfüm, das auf eine Frau hindeutete.
*
Josuah Parker wußte inzwischen, daß die Gelben Drachen ihn nicht belogen hatten. Ein Anruf im »Queens« hatte gezeigt, daß Anwalt Mike Rander das Hotel verlassen hatte und zum Flugplatz Kaitak gefahren war.
Der Butler sparte sich weitere Anrufe.
Für ihn war es klar, daß Mike Rander Hongkong verlassen hatte. Was hätte der Anwalt sonst auch tun sollen, wenn er das Leben seines Butlers hatte retten wollen? Er war schamlos erpreßt worden. Josuah Parker fand die Handlungsweise seines jungen Herrn als vollkommen richtig. Er hatte es überdies nicht besonders gern, wenn Mike Rander sich allzu heftig mit Gangstern einließ. In solchen Fällen kam er sich stets wie eine Glucke vor, die auf ihr Lieblingsküken aufpassen muß.
Ja, Parker war eigentlich recht froh, daß er nun allein handeln konnte. Er brauchte keine Rücksichten mehr zu üben, er konnte sich frei entfalten.
Es war klar, daß er den Kampf mit den Gelben Drachen nicht aufsteckte. Diese Burschen hatten ihn unnötig gereizt. Sie bestanden auf einer Kraftprobe, sie sollten sie frei Haus geliefert bekommen …
Parker verzichtete darauf, sich mit Inspektor McParish in Verbindung zu setzen. Offizielle Hilfe brauchte er nicht. Sie hätte ihm nur Beschränkungen auferlegt. Nein, Josuah Parker wollte weiterhin als Einzelgänger auftreten und wirken.
Wie Mike Rander überlegte auch er, wo er den Hebel ansetzen konnte.
Der geheimnisvolle Bungalow an der Repulse-Bay bot sich ihm freundlichst an. Dort war tatsächlich noch nicht genügend nachgeforscht worden. Dort schien Miss Jane Morefield auch festgehalten zu werden, falls sie wirklich noch lebte.
Nach den Zwischenfällen in der Kleiderfabrik war nicht mehr damit zu rechnen, daß die Gelben Drachen dort ihren Stützpunkt unterhielten. Sie mußten schließlich mit der Möglichkeit rechnen, daß Parker die Polizei alarmierte und daß dort dann eine Razzia stattfand.
Blieb als Alternative der gut informierte Chinese Li Wang.
Übrigens ein undurchschaubarer, rätselhafter Mann, der für, zwei Seiten zu arbeiten schien. Hatte es irgendeinen Sinn, sich mit ihm in Verbindung zu setzen? Konnte er echte Informationen über Miss Jane Morefield und die Gelben Drachen liefern?
Butler Parker entschied sich, nach Repulse-Bay zu fahren. Der Bungalow zog ihn magnetisch an. Dort hoffte er des Rätsels Lösung zu finden. Nachdem er sich entschieden hatte, machte er sich sofort an die Arbeit. Er brauchte einen Wagen, um die Insel schnell zu durchqueren. Er brauchte einige zusätzliche Ausrüstungsgegenstände, um den Kampf mit den Gelben Drachen aufnehmen zu können …
*
Anwalt Mike Rander trat vorsichtig in das dunkle Zimmer, wartete, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten und nutzte die Zwangspause, um sich mit seinen Ohren zu informieren. Tiefe, feste, ein wenig rasselnde Atemzüge wiesen ihm den Weg ans Bett.
Es stand seitlich am Fenster.
Rander ging darauf zu. Er war sicher, Jane Morefield anzutreffen. Er malte sich bereits aus, wie er die junge Amerikanerin retten wollte. Er lachte in sich hinein, wenn er an den Butler dachte. Es ging also auch ohne ihn, ja, jetzt hatte er es in der Hand, ihn zu erreichen. Für Mike Rander war es sicher, daß auch Josuah Parker in diesem Bungalow festgehalten wurde. Es war ein Aufwaschen, auch ihn zu befreien.
Rander hatte das Bett erreicht und beugte sich über die schlafende Person. Noch wußte er nicht, mit wem er es zu tun hatte. Daß es eine Frau sein mußte, sah er an dem langen Haar, das auf dem Kopfkissen zu sehen war.
»Miss Morefield …«, flüsterte er leise und rüttelte die Frau an der Schulter. »Miss Morefield, wachen Sie auf …«
Die Frau reagierte ungewöhnlich.
Sie schrie schrill auf, setzte sich vehement hoch und warf sich im gleichen Moment auf den reichlich verdutzten Anwalt. Sie klammerte sich an seinem Jackett fest und stieß unregelmäßige, spitze Schreie aus, die auf des Anwalts Ohren wie Alarmsirenen wirkten.
»Seien Sie doch still!« flüsterte Rander verzweifelt. »Ich bin ein Landsmann von Ihnen, Miss Morefield, ich will Sie befreien …!«
Die Frau schrie weiter.
Mike Rander tastete mit der freien Hand nach der Nachttischlampe, schaltete das Licht ein und … hätte beinahe selbst einen irren Schrei ausgestoßen.
Eine Art Mumie schien sich an ihm festgeklammert zu haben. Das zerknitterte Gesicht einer uralten Chinesin hatte sich zu einem einzigen Schrei verformt. Der zahnlose Mund war weit geöffnet. Ein fauliger Geruch entströmte diesem Gehege.
Mike Rander merkte viel zu spät, daß er sich sehr geirrt hatte. Er merkte aber auch, daß die alte Chinesin die Kräfte einer zähen, alten Katze besaß. Als sie sogar Anstalten machte, ihm das Gesicht zu zerkratzen, verlor Mike Rander seinen Rest von Humor.
Er stieß das alte Weib zurück in die Kissen und wandte sich dann zur Flucht. Es wurde auch höchste Zeit, daß er sich absetzte, denn die irren, spitzen Schreie der Mumie mußten unten in der Wohnhalle gehört worden sein.
Rander rannte zur Tür.
Als er auf der Galerie war, sah er bereits die ersten beiden Chinesen, die die Treppe hinaufliefen.
Der Anwalt griff nach einem Feuerwerkskörper und zog gleichzeitig seine Schußwaffe. Er feuerte einen Warnschuß ab und zwang die beiden Chinesen in Deckung. Die kurze Verschnaufpause nutzend, zündete er die Lunte des Feuerwerkskörpers an und warf das gefährliche Ding hinunter in die Halle.
Noch in der Luft barst der Feuerwerkskörper auseinander. Es gab einen riesigen Knall. Der Hersteller dieser Ware war ein Meister seines Fachs und hatte mit Rohmaterialien bestimmt nicht gespart. Kurz, die beiden Chinesen dachten an Bomben und Granaten. Sie drehten sich um und rannten zurück in die Halle.
Mike Rander brannte noch zwei weitere Feuerwerkskörper an und warf sie in die Halle.
Die Detonation ausnutzend, rannte er zurück in das Balkonzimmer, lief durch bis zum Balkon und rutschte an der schlanken Säule hinunter in den Garten.
Er mußte schnell um sein Leben laufen.
Die Gelben Drachen waren ausgesprochen verärgert darüber, daß ihre Ruhe so jäh gestört worden war. Sie vermuteten vielleicht auch einen Angriff eines Konkurrenzunternehmens. Sie scheuchten jeden ihrer Leute hoch und wollten Rander den Weg zurück zur Straße abschneiden.
Aber sie hatten es schließlich mit einem gewissen Mike Rander zu tun, der von seinem Butler sehr gut instruiert worden war. Mike Rander ließ