Butler Parker Jubiläumsbox 6 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
Schußwaffe richtig einsetzend, gelang es ihm, an den Zaun zu kommen. Er schwang sich hoch, landete glücklich auf der Straßenseite und rannte auf seinen in einer Seitenstraße abgestellten Wagen zu.
Hinter sich hörte er auf dem Asphalt das Klatschen nackter Fußsohlen. Die Gelben Drachen entwickelten sportliche Talente und wollten Mike Rander um jeden Preis einholen.
Noch war er schneller.
Keuchend, mit pfeifenden Lungen nach Luft schnappend, warf er sich in den Wagen.
Im Rückspiegel sah er die Gestalten der Gelben Drachen, die den Vorsprung des Anwalts fast schon wettgemacht hatten. Rander ließ den Motor anspringen und tat das, was die Gangster bestimmt nicht erwarteten. Er schaltete den Rückwärtsgang ein, ließ die Kupplung schleifen und gab sehr viel Gas.
Laut heulte der schwere Motor auf.
Ruckartig ließ Mike Rander die Kupplung kommen.
Der Wagen tat einen Satz nach hinten. Dann rauschte er mit schneller Fahrt und singendem Getriebe genau zwischen die geschlossen anpreschenden Gelben Drachen.
Die Chinesen spritzten auseinander. Sie behinderten sich dabei gegenseitig. Sie stießen sich um und purzelten übereinander. Sie waren einfach nicht in der Lage, ihre Schußwaffen richtig anzusetzen.
Mike Rander steuerte den Wagen in verwegenen Schlangenlinien auf eine Kreuzung zu. Er riß das Steuer herum, der Wagen schwenkte mit dem Heck zuerst in die Seitenstraße ein. Rander legte den Vorwärtsgang ein, gab Gas und ließ die Pneus auf dem Asphalt auf rauschen. In gekonntem Schnellstart fuhr er dann hinunter zur Repulse-Bay.
Verfolgt wurde er nicht.
Die Gelben Drachen mochten sich von ihrem Schrecken noch nicht erholt haben. Sie verzichteten darauf, eine Hetzjagd zu veranstalten. Rander konnte das Tempo etwas drosseln. Als die ersten hellerleuchteten Hotels an der Bay in Sicht kamen, war Randers Laune tief unter den Nullpunkt gesunken.
Er war sich klar darüber, alles verpatzt zu haben.
Die Gelben Drachen waren gewarnt. Sie wußten wahrscheinlich inzwischen, wer der Eindringling gewesen war.
Jetzt ging es nicht mehr um Jane Morefield.
Jetzt handelte es sich ausschließlich um Butler Josuah Parker. Er war und blieb das Faustpfand in der Hand dieser Gangster.
Mike Rander hatte ja keine Ahnung, daß sein Butler bereits auf dem Weg nach Repulse-Bay war. Er konnte nicht ahnen, daß sich Josuah Parker einiges vorgenommen hatte …
*
Josuah Parker wiederum wußte nicht, was sich im Bungalow an der Repulse-Bay zugetragen hatte. Vollkommen arglos traf er gegen Mitternacht dort ein. Wie sein junger Herr, Mike Rander, sondierte auch er erst mal die Lage. Daß das Innere des Bungalows einem aufgescheuchten Ameisenhaufen glich, war von der Straße aus nicht zu sehen. Daß sich auf dem Grundstück eine wilde Hetzjagd abgespielt hatte, war dem friedlichen Rasen nicht anzusehen. Josuah Parker mußte einfach glauben, daß die Gelben Drachen im Bungalow ahnungslos waren und sich vollkommen in Sicherheit wiegten.
Die von See her kommende leichte Brise hatte sich weiter aufgefrischt. Ein bereits steifer Wind wehte über die Berghänge und zwang die Bäume zu tiefen, mehr als nur höflichen Verbeugungen. Es roch nach Sturm.
Josuah Parker mußte sich die steife schwarze Melone tief in die Stirn drücken, als er den Mietwagen verließ. Die harten, stoßweise kommenden Böen rissen an seinem Universal-Regenschirm. Parker kämpfte sich gegen den Wind an das Grundstück heran und blieb in der Nähe des Tores im Schatten eines Baumes stehen. Mondlicht hatte er kaum noch zu fürchten. Immer nur für wenige Sekunden war die silberne Scheibe hinter den dunklen regenschwarzen Wolken zu sehen.
Der Butler zog seinen Zigarrenabschneider aus der Westentasche. Einige wenige Handgriffe genügten, um aus diesem Schneidinstrument ein kleines einäugiges Fernglas zu machen. Damit beobachtete er den Eingang des Bungalows.
Er hatte sich dazu genau den richtigen Zeitpunkt gewählt.
Ein amerikanischer Kombiwagen erschien auf der Vorderseite des Hauses. Der Fahrer – er trug die landesübliche chinesische Tracht: blauer Kittel und weite, sackartige Hosen – verschwand im Haus.
Josuah Parker kam voll auf seine Kosten.
Schon nach wenigen Minuten erschien eine sehr gut aussehende Chinesin. Sie trug den kleidsamen Cheongsam und hatte sich ein Tuch um den Kopf gebunden. In ihrer Begleitung befand sich eine junge, blondhaarige Dame, die etwa 21 oder 22 Jahre alt sein mochte.
Sie war nicht ganz sicher auf ihren Beinen.
Diese blonde Frau wurde von der Chinesin in den Wagen gesetzt. Dann stieg der Fahrer zu und wartete, bis seine Landsmännin neben ihm Platz genommen hatte. Der Wagen schickte sich an, den Bungalow zu verlassen.
Josuah Parker schaltete augenblicklich.
Das blonde Haar hatte ihn alarmiert. Alles sah danach aus, als ob Jane Morefield ein neues Quartier beziehen wollte. Hier bot sich eine wunderbare Gelegenheit, den neuen Aufenthaltsort festzustellen.
Butler Parker hatte es eilig, um zurück zu seinem Mietwagen zu gelangen. Er verzichtete dabei sogar auf die sonst übliche Würde. Ihm kam es nur darauf an, nicht den Anschluß zu verlieren.
Er verlor ihn nicht …
Als der große, schwere Kombiwagen auf die Straße hinausfuhr, saß der Butler bereits am Steuer. Mit ausgeschalteten Scheinwerfern hängte er sich an seinen Schrittmacher. Aufkommender erster Regen erschwerte zwar die Sicht, sorgte andererseits aber auch dafür, daß Parkers Wagen unentdeckt blieb. Mit traumwandlerischer Sicherheit blieb der Butler an seinem Objekt kleben. Es gehörte sehr viel fahrerisches Geschick dazu, sich nicht abschütteln zu lassen, zumal der Kombiwagen ohne Hemmungen und mit großer Schnelligkeit gefahren wurde.
Die roten Schlußlichter waren für Parker der einzige Anhaltspunkt. Nach ihnen konnte er sich richten. Da Parker sich über die Form der Insel Hongkong genau unterrichtet hatte, wußte er auch bald, wohin die Fahrt ging. Wenn ihn nicht alles täuschte, wurde der nahe Hafen Aberdeen angesteuert. Parker wußte nur vom Hörensagen, daß dort ganze Flotten von Dschunken und Hausbooten versammelt waren. Um einen Menschen verschwinden zu lassen, um alle Spuren zu beseitigen, konnte man sich keinen besseren Platz aussuchen.
Während der Fahrt überlegte der Butler, welche Möglichkeiten sich für ihn ergaben. Wurde die blonde Frau, die augenscheinlich eine Amerikanerin war, im Gewirr der Hausboote versteckt, dann fiel es ungemein schwer, sie zu finden. Die Chinesen hielten bestimmt wie Pech und Schwefel zusammen. Schon aus Angst vor den Gelben Drachen würden sie kein Wort sagen.
Warum also warten, wohin man die blonde Frau brachte? War es nicht wesentlich besser, sie schon während der Fahrt nach Aberdeen Harbour zu befreien?
Parker hatte es mit einem Chinesen zu tun. Die Chinesin selbst zählte wohl nicht. Die Chancen sahen also recht günstig aus.
Parker sah in den Rückspiegel.
Hinter ihm auf der gebirgigen Küstenstraße war alles dunkel. Er schien seinerseits also nicht beschattet zu werden. Auch das Wetter spielte mit.
Hier auf der freien Küstenstraße waren die harten Windböen besonders deutlich und stark zu spüren. Sie schüttelten den Wagen durch und brachten ihn mehr als einmal aus dem Kurs.
Parker ließ sich dadurch kaum erschüttern. Dieses Wetter paßte zu seinem Plan, den er sich innerhalb weniger Sekunden ausdachte. Wie ein Phantom wollte er auftauchen und die blonde Frau zum Umsteigen in seinen Wagen veranlassen.
Nach einer Straßenkehre schaltete er die Wagenlichter ein. Mit voll aufgedrehten Scheinwerfern und steigender Geschwindigkeit verkürzte er den Abstand zu seinem Schrittmacher. Nach wenigen Minuten konnte er ihn auf einer langen Geraden reibungslos überholen.
Parker baute seinen Vorsprung weiter aus. Als die nächste Kehre in Sicht kam, drosselte er das Tempo, bremste scharf ab und stellte den Wegen quer zur Straße. Er sorgte dafür, daß die Scheinwerfer auf ein blankes Felsstück