Butler Parker Jubiläumsbox 6 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
Von ihrer Ehrlichkeit hing jetzt viel ab.
Der Butler kämpfte sich an der langen Außenfront des Kinos vorbei, bog nach rechts in eine schmale Gasse ab und fand ein weit geöffnetes Tor, das auf den Hof des Kinos führte.
Im Licht der zuckenden Blitze suchte und fand er seinen weiteren Weg. Er blieb vor einer kleinen Pforte stehen, die in einen Anbau des Kinos führte.
Das Schloß war kein Hindernis für den Butler. Mit seinem Spezialbesteck bezwang er es innerhalb einer knappen Minute. Der Butler schlüpfte in den Anbau und schloß sofort wieder die Tür. Er blieb seitlich an der Wand stehen und lauschte.
Bis auf das Toben des Taifuns war nichts zu hören.
Er fragte sich, wo man eine Frau wie Jane Morefield wohl festhalten könnte. Doch wohl in den Kellerräumen, die still und verschwiegen waren. Wo also war der Weg, der unter das Kino führte?
Parker schritt durch einen langen Korridor.
Da es dunkel war, benutzte er seinen Kugelschreiber-Leuchtstab, der sich hier wieder mal bestens bewährte. Der feine, aber scharfe Lichtstrahl genügte vollkommen, um den Weg auszuleuchten.
Parker landete in einem Treppenhaus.
Breite Betonstufen führten hinauf in den Anbau und nach unten in den Keller. Parker unterstellte, daß die Keller des Anbaus mit denen des Kinos untereinander verbunden waren. Er zögerte nicht lange, nach unten zu steigen.
Er erreichte ein Gewirr unterirdischer Räume, die mit Waren aller Art vollgestopft waren. Vielleicht handelte es sich um Beutestücke der Gelben Drachen. Dieses Kino schien der tatsächliche Schlupfwinkel der Gangster zu sein.
Parker stieß auf einen zweiten Treppenaufgang.
Seinen Berechnungen nach befand er sich nun unter dem Zuschauerraum des Lichtspieltheaters. Hier irgendwo mußte Miss Morefield eingesperrt sein, wenn Liz Carrels ihn nicht belogen hatte.
Parker wollte gerade weitergehen, als plötzlich das Licht eingeschaltet wurde.
Oben auf der Treppe waren die hastigen Schritte einiger Menschen zu hören. Sie kamen sehr schnell nach unten.
War Parker beobachtet worden? Traten die Gangster an, um ihn nun endgültig zur Strecke zu bringen?
Der Butler ließ es darauf ankommen. Schnell verbarg er sich hinter einem Stapel Kisten und wartete ab.
Drei Chinesen erschienen im Keller.
Und hinter ihnen tauchte die attraktive May Tai Hing auf. Sie stolperte hinter den drei Männern einher. Sie kam nicht freiwillig mit. Man hatte sie an den Händen gefesselt. Eine lange, dünne Eisenkette verband sie mit einem der Chinesen.
Sie wehrte sich nicht.
Willenlos ließ sie sich abführen. Sie glich einem ängstlichen Schlachtopfer.
Parker könnte sich glücklich preisen, daß er diese Szene beobachten durfte. Nun gab es keinen Zweifel mehr. Liz Carrels, das Double von Miss Morefield, hatte also doch nicht gelogen.
Parker verfolgte die drei Chinesen und ihr Opfer. Jetzt war es eine Kleinigkeit für ihn, sich führen zu lassen. Wo die Reise endete, war klar, nämlich im Gefängnis der Jane Morefield.
Vor einer Betonwand blieben die Männer stehen.
Einer von ihnen bückte sich, griff nach einem im Boden eingelassenen Eisenring und zog daran eine Falltür hoch. May Tai Hing wurde gezwungen, über eine Leiter hinabzusteigen. Anschließend folgten die drei Chinesen. Sie ließen die Falltür geöffnet, da sie sich ja unbeobachtet fühlten.
Parker gestattet sich einen schnellen Blick nach unten.
Im Licht einer gerade angezündeten Laterne sah er eine weißhäutige Frau, die auf einer einfachen Pritsche lag und teilnahmslos zusah, daß sie Besuch erhielt.
Das mußte Jane Morefield sein!
Josuah Parker ging zurück in Deckung und hob prüfend seinen Universal-Regenschirm. Er bereitete sich darauf vor, daß die drei Chinesen wieder heraufkamen.
Nach einigen Minuten erschienen sie nacheinander.
Parker war in seinem Element.
Dem ersten Gangster legte er den Regenschirm sehr nachdrücklich auf den Kopf.
Dem zweiten verabreichte er einen gekonnten Handkantenschlag.
Und dem dritten Burschen, der seinen Kopf gerade durch die Luke steckte, ließ er den schweren Lukendeckel auf den Schädel fallen.
Innerhalb einiger Sekunden hatte er die Lage bereinigt. Er konnte sich den beiden verängstigen Frauen widmen, die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wußten, daß sie gerettet waren …
*
Inspektor McParish teilte seine Streitmacht ein.
Er verlor kein unnötiges Wort, er wußte genau, was er wollte. Mike Rander freute sich nachträglich, daß er den Inspektor alarmiert hatte. McParish hatte sich trotz des tobenden Taifuns quer über die Insel gekämpft und setzte seine Begleiter nun zum Sturm auf das Kino an.
Alles klappte wie am Schnürchen.
Auf das Zeichen der Trillerpfeife stürmten die Beamten das große Haus. Sie schlugen die Türen ein, verteilten sich und würgten die Gegenwehr der Gelben Drachen im Handumdrehen ab.
Sie alle konnten von Glück sagen, denn die Gelben Drachen hatten es sich im Büro der Kinoleitung bequem gemacht und tranken warmen Reisschnaps. Sie waren derart betrunken, daß sie kaum Gegenwehr leisten konnten. Einige von ihnen flüchteten zwar in das Haus, es kam auch zu einigen Schießereien, doch nach insgesamt fünfzehn Minuten war McParish Herr der Lage.
»Nun runter in den Keller!« rief der Inspektor dem Anwalt zu. »Hoffentlich kommen wir nicht zu spät.«
McParish, Sergeant Noreland und Mike Rander stürmten über die Treppe hinunter in den Keller. Licht brannte. Ihr Weg war genau vorgezeichnet.
Plötzlich blieb McParish stehen.
»Was ist?« erkundigte sich der Anwalt.
»Hier brennt es irgendwo«, sagte McParish. »Riechen Sie denn nichts, Rander?« Gleichzeitig hustete er gequält auf und verdrehte die Augen, denn ihm wurde schlecht.
Sergeant Noreland fühlte eine leichte Schwäche in den Beinen.
»Giftgas!« murmelte er.
Mike Rander sog den grausamen Duft in die Nase ein. Dann grinste er plötzlich und schüttelte den Kopf.
»Kein Giftgas, kein Brand«, stellte er richtig. »Das ist eine von Parkers Zigarren.«
»Wie bitte?« McParish sah den Anwalt ungläubig an.
»Parker ist bereits vor uns eingetroffen«, redete Mike Rander weiter. »Ich ahnte es im voraus, daß er wieder mal schneller sein würde als ich …!«
*
»Viel bleibt nicht mehr zu sagen«, meinte McParish am anderen Vormittag. Der Taifun hatte sich ausgetobt, die Sonne schien wieder. Mike Rander und Josuah Parker hielten sich im Dienstzimmer des Inspektors auf. Innerhalb kurzer Zeit hatte Parker seinen Dienstanzug wieder in Ordnung gebracht. Wie aus dem Ei gepellt stand er vor McParish. An ein Schlammbad schien er sich überhaupt nicht mehr zu erinnern.
»Wie geht es Miss Morefield?« erkundigte sich Mike Rander.
»Ausgezeichnet. Sie befindet sich im Queens-Hotel. Sie ist noch jung, sie dürfte den Schock ihrer Entführung bald überwunden haben.«
»Und was ist mit Miss Carrels?«
»An einer Anklage wird sie nicht vorbeikommen«, erwiderte Inspektor McParish. »Immerhin hat sie sich an diesem Kidnapping beteiligt und anschließend Betrug begangen. Ich denke jedoch, daß man ihr mildernde Umstände zubilligen wird, schließlich hat sie im entscheidenden Moment ja geholfen.«
»Weiß sie, daß ihr Begleiter