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Im Hause des Kommerzienrates. Eugenie MarlittЧитать онлайн книгу.

Im Hause des Kommerzienrates - Eugenie  Marlitt


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absichtlich, seinen Antworten auch nur den leisesten Mitklang eines eigenen Urteils zu geben ... Er war ein auffallender Mann, dieser Doktor Bruck; das sah sie jetzt so recht, wie er im rotflutenden Abendlichte neben ihr stand. Es lag etwas von militärischer Strenge und Straffheit in seiner Haltung, während sein schönes, luftgebräuntes Gesicht mit dem weichgelockten Vollbarte nur die Züge sanftgemilderten Ernstes zeigte. Von Gedrücktsein oder Niedergeschlagenheit, die ein Mißgeschick wie das über ihn verhängte meist zur Folge hat, war in der ganzen Erscheinung nicht eine Spur zu finden. »Ich werde Sie führen,« sagte er, als sie unschlüssig ihre Augen über das total veränderte Terrain schweifen ließ. Er reichte ihr seinen Arm und sie legte unbedenklich ihre Hand darauf. So schritt Schwester Flora neben ihm ... wunderlich! Erst jetzt fiel ihr der Gedanke, daß sie in wenigen Minuten der ihr geistig so weit überlegenen Schwester gegenübertreten sollte, unbeschreiblich bang und schwer auf das Herz.

      Sie blieb stehen und sagte nach einem tiefen Atemholen befangen lächelnd: »O ich Hasenfuß! Ich glaube gar, ich fürchte mich. — Ob ich wohl Flora gleich beim Eintreten begegnen werde?«

      Sie sah, wie ihm das Blut jäh und dunkel in das Gesicht stieg. »Soviel ich weiß, ist sie ausgefahren,« antwortete er mit bedeckter Stimme, und gleich darauf setzte er, jeder neuen Frage vorbeugend, hinzu: »Sie werden das ganze Haus heute noch in einer gewissen Aufregung finden — der Fürst hat Moritz vor wenigen Tagen den Adel verliehen.«

      Und das sagte er jetzt erst. »Wofür denn?« stieß sie überrascht heraus.

      »Nun, er hat bedeutende Verdienste um die Hebung der Industrie im Lande,« versetzte er so rasch und ernstlich, als gelte es, ein ungünstiges Urteil abzuwenden. »Dabei ist Moritz ein Mensch von großer Herzensgüte — er thut sehr viel für die Armen.«

      Käthe schüttelte den Kopf. »Sein Glück macht mir angst.«

      »Sein Glück?« wiederholte er betonend. »Es kommt darauf an, wie er selbst diese Wechselfälle ansieht.«

      »O, ganz gewiß als etwas Beseligendes,« antwortete sie entschieden. »Ich weiß aus seinen Briefen, daß ihm die Erwerbung weltlicher Güter Hauptlebenszweck ist. Seine letzte Zuschrift z. B. war eine geradezu verzückte, weil — mein Erbe sich über alles Erwarten reich herausgestellt hat.«

      Er ging schweigend neben ihr her; dann fragte er mit einem Seitenblicke: »Und Sie — bleiben denn Sie kalt, diesem Reichtume gegenüber?«

      Käthe bog den Kopf mit graziösem Mutwillen vor und sah ihm unter das Gesicht. »Sie erwarten wahrscheinlich eine sehr gesetzte Antwort von mir großem Mädchen, so ein recht ernstes Ja, aber das kann ich mit dem besten Willen nicht herausbringen. Ich finde es nämlich über die Maßen hübsch, reich zu sein.«

      Er lachte leise in sich hinein und fragte nicht weiter. Sie gingen rasch vorwärts und erreichten bald die Lindenallee. Sie war verschont geblieben; man hatte die lange Bahn bereits mit frischem Kies bestreut. »Ach, dort die liebe, altmodische Bekannte steht auch noch,« rief das junge Mädchen, nach einer fernen Holzbrücke zeigend, die ihren schmucklosen morschen Bogen über den Fluß schlug.

      »Sie führt zu dem Grundstücke am jenseitigen Ufer —«

      »Ja, nach dem Gras- und Obstgarten. Ein hübsches altes Haus steht drin. Es hat als Wirtschaftsgebäude zu dem ehemaligen Schlosse gehört, ist ganz von Wein umsponnen und hat breite Steinstufen vor der Thür ... Köstlich anheimelnd und still ist's dort. Suse hatte ihren Bleichplatz im Garten; im Frühlinge war er ganz blau von Veilchen; dort habe ich stets die ersten gesucht.«

      »Das dürfen Sie auch jetzt noch — die kleine Besitzung ist seit heute morgen mein Eigentum.« Er warf einen warmen Blick hinüber.

      Käthe dankte ihm, sah aber sehr zerstreut und nachdenklich auf die Kiesel nieder, über die sie hinschritten ... Sollte ihre schöne Schwester als junge Frau in dem Hause wohnen? Flora mit ihren stolzen Gebärden, ihren majestätisch nachfließenden Schleppen! Flora Mangold, die Anspruchsvolle, der kein Salon hoch und weit, keine Ausschmückung reich genug sein konnte, in dem einsamen Hause mit den großen grünen Kachelöfen und den ausgetretenen Dielen? Wie mußte sie sich geändert haben — um seinetwillen!

      Ein fernes Geräusch schreckte sie auf. Sie sah die Villa bereits so nahe vor sich, daß sie die Prachtmuster der Spitzengardinen erkennen konnte. Hinter den Scheiben rührte und regte sich nichts, aber von der Promenade her, die sich vor der jenseitigen, der Hauptfassade des eleganten Hauses hinzog, kam das Getöse einer heranrollenden Equipage immer näher. Es waren zwei prächtige Pferde, die gleich darauf um die nördliche Hausecke jagten. Geschirr und Wagen funkelten in Silberschmuck und im Glanze der Neuheit. Eine Dame hielt die Zügel in fester Hand; ihre Gestalt, um die sich dunkelfarbener, pelzverbrämter Samt schmiegte, saß so leicht und sylphenhaft dort, als schwebe sie über den Polstern. Von ihrer Stirn zurück wehten weiße Federn, und um das klassische Gesicht, den unbedeckten Hals, der sich glänzend weiß aus der dunkeln Pelzeinfassung hob, flatterten krause blonde Locken.

      »Flora! Ach, wie wunderschön ist meine Schwester!« rief Käthe enthusiastisch und streckte unwillkürlich die Rechte nach der Vorüberfliegenden aus, aber weder Flora, noch der Kommerzienrat, der mit verschränkten Armen neben ihr saß, hörten den Zuruf. Die Equipage bog um die entgegengesetzte Ecke, dann hörte man sie drüben vor dem Portale halten.

      Ein kleiner Kiesel tanzte vorbei — die Stockspitze des Doktors hatte ihn wie im Spiele fortgeschleudert. Jetzt erst fiel es Käthe auf, daß er nicht mehr an ihrer Seite ging; sie war freilich unter dem hinreißenden Eindrucke vorwärts geeilt. Mit einer lebhaften Gebärde wandte sie sich um. Er schritt unbeirrt, noch genau in dem Tempo wie vorher auch, aber in seiner Haltung schien er noch stolzer emporgereckt, noch strenger reserviert. Er mußte sie eben beobachtet haben, denn er wandte rasch und fast verlegen seine Augen weg. Mit Mühe verbiß sie ein satirisches Lächeln. Sie wußte, daß sie ihn bei einem vergleichenden Gedanken ertappt hatte, der ungefähr so lauten mochte: »Gott, was für eine vierschrötige Jungfrau neben meiner Elfe!«

      »Ich bin erstaunt über den sicheren Mut, mit welchem Flora fährt,« sagte sie, als er wieder neben ihr ging.

      »Weit mehr zu bewundern ist die Todesverachtung ihres Begleiters. Es war eine Probefahrt, und der Kommerzienrat hat die jungen Pferde gestern erst gekauft.« Er war bitter gereizt. Sie hörte das plötzlich in seiner Stimme und schwieg ganz erschrocken.

       Inhaltsverzeichnis

      Es fiel kein Wort mehr von beiden Seiten. Sie erreichten bald das Haus und traten durch eine Seitenthür ein, während drüben die Equipage vom Portale wegfuhr. Ein Bedienter berichtete ihnen, daß die Damen und »der gnädige Herr« im Wintergarten seien, also in den Appartements der Frau Präsidentin.

      Käthe hatte ihre ganze heitere Ruhe und Sicherheit wiedergefunden. Sie nahm eine Visitenkarte aus der Brieftasche und reichte sie dem Manne hin. »Für den Herrn Kommerzienrat,« sagte sie.

      »So steif?« fragte Doktor Bruck lächelnd, während der Lakai geräuschlos über den dicken persischen Korridorteppich hinschlüpfte und hinter einer Thür verschwand.

      »So steif!« bestätigte sie ernsthaft. »Da ist die weiteste Distanz die beste. Ein biederes Hereinpoltern würde mir jedenfalls sehr schlecht bekommen. Ich fürchte nun selbst, ‚den gnädigen Herrn‘ mit meiner unzeremoniellen Ankunft sehr in Verlegenheit zu bringen.«

       Sie hatte sich nicht geirrt. Der Kommerzienrat kam im förmlichen Sturmschritte aus den Gemächern; mit dem bestürzten Ausrufe: »Mein Gott, Käthe!« stolperte er über die Schwelle.

      Die Richtung seines Blickes war geradezu lächerlich — er suchte den Kopf der


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