Butler Parker Box 2 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
Die ›Strandhaie‹, das mußte er zugeben, arbeiteten raffiniert und gekonnt. Sie gingen jedem Risiko aus dem Weg.
Es war nur eine Frage, ob ihnen das auch im Hinblick auf Josuah Parker gelungen war …
*
Der Parkwächter wartete, bis Anwalt Mike Rander den Parkplatz verlassen hatte. Dann bückte er sich und hob die Gummimatte hoch, die die Füße gegen nächtliche Kühle schützen sollte. Er nahm den Briefumschlag und steckte ihn in die Tasche. Nach einem vorsichtigen Blick in die Runde verließ der Parkwächter seine Glasbox und ging eilig hinüber zur Collins Avenue.
Am Straßenrand stand ein kleiner Lieferwagen mit einem blau gestrichenen Kastenaufbau. Der Parkwächter setzte sich ans Steuer und fuhr los. Er schaltete das Radio ein und pfiff die Melodie mit, die aus dem Lautsprecher kam. Er hielt es nicht für nötig, in den Rückspiegel zu schauen. Er war sicher, nicht verfolgt zu werden.
Nach etwa dreihundert Meter bog er von der breiten Prachtstraße ab und fuhr hinunter zur Bay. Er ließ den Lieferwagen stehen und ging den Rest zu Fuß. Bald darauf saß er in einem kleinen Außenborder und preschte hinüber zum Festland. Das kleine Boot verschwand sehr schnell in der Dunkelheit. Etwaige Verfolger hatte der Mann damit bestimmt abgeschüttelt. Seine Spur verlor sich in der Dunkelheit.
Dachte er …!
Josuah Parker, der dem Lieferwagen in einem Taxi gefolgt war, nahm die Kamera herunter und barg sie in der Lederhülle. Er hatte alle Phasen dieser Verfolgung verfilmt. Wegen der Dunkelheit brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Wenn Parker in der Dunkelheit filmte, dann wußte er auch, daß dies technisch möglich war. Zur näheren Erklärung mag gesagt sein, daß er selbstverständlich einen Infrarot-Film benutzte. Auf diesem Streifen befanden sich einmal der kleine Lieferwagen, dessen polizeiliches Kennzeichen, das kleine Boot mit dem Außenbordmotor und selbstverständlich auch der Parkplatzwächter.
Josuah Parker konnte mit seiner filmischen Ausbeute zufrieden sein, wenngleich er auch nicht wußte, wohin der Parkwächter gefahren war, um die dreihundert Dollar des Mr. Zalakoff abzuliefern.
Der Butler gab sich mit diesem Teilerfolg zufrieden. Er rechnete mit der Rückkehr des Parkwächters. Parker setzte sich auf eine Bank. Steif und würdevoll wie ein Denkmal verschmolz er mit der Dunkelheit. Er sah hinaus auf die Bay, die Miami mit der vorgelagerten Halbinsel Miami-Beach verbindet. Wenn es sein mußte, brachte er die Geduld eines Orientalen auf …
*
Schon nach knapp dreißig Minuten knatterte der Außenborder wieder heran.
Parker stand auf. Er vergewisserte sich, daß es sich tatsächlich um das Boot des Parkwächters handelte. Als er sicher war, daß er sich nicht irrte, schritt der Butler ohne Hast oder Eile zu dem kleinen Lieferwagen.
Während der Überbringer der dreihundert Dollar sein Boot am Steg festmachte, öffnete der Butler die Tür des Kastenaufbaus. Mit einem Spezialbesteck war das keine Arbeit. Im Öffnen widerspenstiger Schlösser war Josuah Parker ohnehin ein Meister, der erfahrenen Tresorknackern noch manch wertvollen Tip hätte geben können. Gelassen und ganz selbstverständlich nahm Parker in dem Aufbau des kleinen Lieferwagens Platz und machte es sich den Umständen entsprechend bequem.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis er Schritte hörte. Nach einem Räuspern klinkte der Fahrer die Wagentür auf und setzte sich ans Steuer. Er kam überhaupt nicht auf den Gedanken, daß ein illegaler Fahrgast hinter ihm saß.
Der Lieferwagen ruckte an. Parker zog angewidert die Nase. In dem engen Blechkasten roch es penetrant nach Teer, nach Farben und nach rostigem Eisen. Um nicht aufzufallen, verzichtete er darauf, sich mit seiner Kugelschreiber-Taschenlampe näher umzusehen.
Die Fahrt dauerte vielleicht zehn Minuten. Der Wagen wurde angehalten, der Motor jedoch nicht abgestellt. Der Fahrer stieg aus, öffnete ein Tor und steuerte anschließend seinen Wagen in eine Garage. Bald darauf entfernten sich seine Schritte.
Der Butler stieg nun ebenfalls aus.
Der gebündelte Lichtstrahl seiner kleinen Taschenlampe, die in einen Kugelschreiber eingebaut war, wies ihm den Weg. Eine Brettertür stand nur halb auf, dahinter befand sich ein langer Korridorgang. Ein breiter Lichtstreifen beleuchtete ihn.
Wie Parker es schaffte, geräuschlos über ausgetretene Dielenbretter zu gehen, war und blieb sein Geheimnis. Mit der Geräuschlosigkeit einer erfahrenen Katze erreichte er die geöffnete Tür.
Hinter ihr war eine primitiv eingerichtete Küche. Der Parkplatzwächter stand vor einem gußeisernen Herd und schlug sich gerade einige Eier in die Pfanne.
»Ich wünsche von Herzen einen guten Appetit«, sagte Parker und betrat die Küche.
Der Parkwächter wirbelte herum und starrte Parker an. Sein Mund öffnete sich zu einer Frage. Er war jedoch derart überrascht, daß kein Ton über seine Lippen kam.
»Die Eier werden anbrennen, wenn Sie nicht aufpassen«, redete der Butler höflich weiter. »Es wäre doch sehr schade um diese Naturprodukte, nicht wahr?«
»Wer … wer sind Sie?« stotterte der Parkwächter endlich.
»Ich möchte mich in aller Form vorstellen. Mein Name ist Parker, Josuah Parker. Ich habe die Ehre, der Butler des Mr. Ben Zalakoff zu sein.«
»Zalakoff …?« Der Parkwächter schien mit diesem Namen nichts anfangen zu können. Er schüttelte hilflos den Kopf, um dann aber blitzschnell nach der Bratpfanne zu greifen. Er schleuderte die Spiegeleier in Richtung auf Parker.
Der Butler verbeugte sich leicht. Die drei Spiegeleier zischten über ihn hinweg und landeten an der Wand. Sie platzten auseinander und rannen langsam zu Boden.
»Sie gehen geradezu verschwenderisch mit den Gaben der Natur um«, meinte Parker vorwurfsvoll. »Ihr schlechtes Gewissen scheint Sie zu dieser Zweckentfremdung der Spiegeleier zu treiben.«
»Raus …!« keuchte der Parkwächter. Er hielt die Pfanne noch immer in der Hand. Und als Parker sich nicht rührte, drang er damit auf ihn ein. Josuah Parker war peinlich berührt. Er hielt nichts davon, daß seine Kleidung mit Fettspritzern versehen wurde.
Um den wütenden Mann zu stoppen, drückte er auf einen kleinen Knopf, der am Griff seines Universal-Regenschirms angebracht war. Augenblicklich federte eine lange Degenklinge aus dem Schirmstock hervor. Die Spitze dieser Degenklinge legte sich auf die Brust des wütenden Mannes.
»Ich möchte doch sehr um Zurückhaltung und Höflichkeit bitten«, sagte Parker mißbilligend. »Stellen Sie die Pfanne ab! So ist es richtig. Und nun möchte ich wissen, wem Sie die dreihundert Dollar meines jungen Herrn gebracht haben.«
»Wovon reden Sie eigentlich?« Die Stimme des Parkwächters klang nun gepreßt. Der Mann hatte Angst. Er schielte in gekonnter Weise auf die Degenklinge. Er wagte nicht, sich zu rühren.
»Ich habe Beweise dafür, daß Sie den Umschlag mit den dreihundert Dollar aus dem Papierkorb des Parkplatzt genommen haben und anschließend hinüber nach Miami transportiert haben. Wenn es sein muß, werde ich diese Beweisstücke der Polizei übergeben. Mein junger Herr und ich sind nicht gewillt, uns erpressen zu lassen.«
»Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie reden«, behauptete der Mann. »Sie müssen sich irren.«
»Diesen Irrtum werden wir vor der Polizei klarstellen«, schlug der Butler vor. »Darf ich Sie zu dieser Besprechung herzlich einladen?«
»Sie wollen mich zur Polizei bringen?«
»So drückte ich mich aus.«
»Also gut, dann wird sich der Irrtum heraussteilen. Und Sie werde ich anzeigen! Sie haben mich mit diesem Dingsda bedroht.« Der Parkwächter schielte nach wie vor ängstlich auf die leicht gebogene Degenklinge.
»Ich werde Ihrer Anzeige mit Gelassenheit entgegensehen«, meinte Josuah Parker. »Mir ist es allerdings rätselhaft, warum ein Mann wie Sie sich mit den ›Strandhaien‹ einläßt. Früher oder später werden Sie von diesen Gangstern geopfert werden.«
»Strandhaie?«