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Mami Staffel 7 – Familienroman. Lisa SimonЧитать онлайн книгу.

Mami Staffel 7 – Familienroman - Lisa Simon


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gehörte sie eigentlich zu den Frauen, die sich ihre Träume selbst erfüllten. Die nicht auf einen Mann warteten, der ihnen die Kastanien aus dem Feuer holte und sie erst wachküssen mußte. Aber

      Pierre hatte sie im Sturm erobert. Ihr Verstand hatte vollkommen dichtgemacht, und selbst die Warnungen ihrer besten Freunde hatte Robbi nicht davon abhalten können, diesem Mann ihr Vertrauen zu schenken.

      Es war eine stürmische Affäre gewesen, die damit endete, daß sie entdeckte, daß der Prinz noch andere Prinzessinnen küßte. Roberta hatte ihn – sehr ernüchtert – vor die Tür gesetzt und war von da ab allen Prinzen und Fröschen sorgsam aus dem Wege gegangen.

      Sie hatte sich nicht vorstellen können, ihr Herz noch einmal so gründlich verlieren zu können. Aber es war passiert! Sie hatte sich in diesen Stephan Hollrieder verliebt und das bis über beide Oh-ren.

      Dafür hätte sie sich selbst pausenlos vors Schienbein treten mögen. Hatte sie denn nichts dazugelernt? Dieser Mann war doch auch bloß ein netter Blender, ein Tunichtgut, der sie eben mal hatte »vernaschen« wollen.

      Wahrscheinlich hatte er Streß mit seiner anspruchsvollen Verlobten und wollte sich auf diese Art und Weise die entgangenen Urlaubsfreuden zurückholen. Aber nicht mit ihr, Roberta Simonas! Sie war zwar Schriftstellerin, aber deswegen mußte sie nicht an Wunder, Feen und Märchenprinzen glauben!

      »Kriegen wir Cornflakes?« drängelte sich Willys hoffnungsfrohe Stimme in ihre Gedanken.

      Roberta riß sich zusammen und verbannte alle Gedanken an den vergangenen Abend und an Ste-phan Hollrieder aus ihrem Kopf.

      »Ich habe gestern welche aus der Stadt mitgebracht«, erklärte sie den Kindern. »Ihr bekommt Eier, Flakes und diese Schokocreme, die ihr anscheinend pfundweise futtern könnt, okay? Aber zuerst geht ihr hinaus und bringt Herrn Schröder das Frühstück. Tiere haben nämlich auch Hunger.«

      »Wuff« machte Anni, als wollte sie damit auf sich aufmerksam machen.

      »Ja, du auch«, lächelte Roberta und schob die Hündin aus der Küche. »Aber du hast immer Hunger, kleine verfressene Hundedame, du! Mach, daß du hinauskommst und laß den Frühstücks-tisch in Ruhe.«

      Anni warf ihr einen strafenden Hundeblick zu, dann machte sie aber tatsächlich kehrt und folgte den Kindern, die lärmend in den Garten stoben.

      Roberta nahm indessen die Eier aus dem Kocher. Langsam begann sie sich doch auf den Tag zu freuen. Kinder waren was Tolles. Sie rückten die Welt ganz schnell und ohne große Worte zu machen an die rechte Stelle. Sie ließen einem einfach keine Zeit, den kleinen Seelenwehwehchen nachzujammern, mit denen man sich sonst wochenlang herumplagte.

      Leise vor sich hin summend, hielt Roberta das Gestell mit den Eiern unter das kalte Wasser, aber das Arrangement entglitt ihren Fingern, als draußen ein markerschütternder Schrei ertönte.

      Roberta machte sich nicht die Mühe, die Eier wieder aus dem Becken zu fischen. Wie von Furien gehetzt raste sie in den Garten und wäre an der Terrassentür beinahe mit den Zwillingen zusammengestoßen, die heulend ins Wohnzimmer gestürmt kamen.

      »Herr Schröder!« Willy zitterte am ganzen Leibe. »Herr Schröder, Tante Robbi, komm schnell, Herr Schröder bewegt sich nicht mehr.«

      Roberta stopfte die Kinder einfach in den nächstbesten Sessel.

      »Bleibt hier«, befahl sie ihnen rasch. »Ich sehe mal nach. Vielleicht ist ihm einfach nur schlecht.«

      Das war eine lahme Begründung, an die Roberta selbst nicht glaubte, aber irgend etwas mußte sie den Kindern ja sagen. Die beiden waren jedoch viel zu besorgt, um still im Wohnzimmer sitzen zu bleiben.

      Stumm, mit verheulten Gesichtern, folgten sie Roberta in den Garten hinaus und traten an den Verschlag.

      Roberta sah sofort, daß hier nichts mehr zu machen war. Der kleine Hase, der sonst fröhlich durch seinen Verschlag tollte, manchmal vollführte er Purzelbäume vor Übermut, lag jetzt steif und starr, mit verkrümmten Gliedern auf dem Rücken und rührte keine Pfote. Seine blicklosen Augen starrten gen Himmel. Ein Bild des Jammers, das Roberta sofort die Tränen in die Augen trieb.

      Behutsam hob sie den kleinen Kerl hoch, in der unsinnigen Hoffnung, daß vielleicht doch noch ein Fünkchen Leben in ihm glimmte, aber Herr Schröder war mausetot. Er würde nie wieder über die Wiese tollen und die Rosenblätter anknabbern.

      Seine aufgequollene, verfärbte Zunge hing schlaff aus dem winzigen Mäulchen heraus. Stirnrunzelnd betrachtete Roberta das elendige Bild, das das Tierchen bot.

      Sie war lange genug Krimiautorin, hatte während der Arbeit an ihren Büchern oft genug in Labors recherchiert, war mit Kripobeamten unterwegs gewesen und hatte mit Häftlingen Interviews geführt, um zu wissen, was diese verfärbte Zunge und die verkrampfte Haltung des Hasen zu bedeuten hatte.

      Irgend jemand hatte seinem kleinen Leben gewaltsam ein Ende gesetzt!

      Roberta legte den Hasen ins Gras zurück. Dabei fiel ihr Blick auf ein Schälchen gehobelter Möhren, das direkt vor dem Eingang zu Herrn Schröders Schlafhäuschen stand.

      »Habt ihr ihm das gegeben?« erkundigte sich Robbi bei den Zwillingen.

      Die beiden wischten sich die Tränen aus den Augen und starrten erstaunt auf das Schälchen.

      »Nein, das gehört uns nicht«, schniefte Willy, und Julchen fügte, ganz die kleine Hausfrau, hinzu: »So ein Geschirr haben wir doch hier gar nicht.«

      Roberta nahm das Schälchen an sich und stellte es auf die Terrassenbrüstung. Ein häßlicher, erschrekkender Verdacht keimte in ihr, aber sie behielt ihre Gedanken für sich, denn sie mochte die Kinder nicht noch mehr beunruhigen.

      »Faßt das Zeug nicht an«, warnte sie die Zwillinge eindringlich. »Es kann sein, daß die Möhren verdorben waren. Nicht, daß euch auch noch schlecht wird.«

      »Wacht Herr Schröder wieder auf?« Willys Stimme klang ganz klein vor Kummer und Angst. Oh, er ahnte wohl, was mit Herrn Schröder geschehen war, aber sein kleines Köpfchen weigerte sich noch, das Unvermeidliche zu begreifen.

      Roberta kniete sich nieder und zog die Kinder in ihre Arme.

      »Es tut mir leid«, begann sie behutsam und liebevoll zugleich, den Zwillingen die Wahrheit zu erklären. »Herr Schröder wacht nicht mehr auf. Er – er ist jetzt – weit, sehr weit weg, wißt ihr. Da, wo wir ihn nicht mehr erreichen können. Es tut mir leid, meine Süßen, aber wir werden Herrn Schröder beerdigen müssen.«

      »Nein!« Julchen warf sich an Robertas Brust und begann haltlos zu weinen. »Ich will das nicht, ich will das nicht!«

      »Psst, pssst«, versuchte Roberta sie zu beruhigen. »Es ist gut, Liebling. Glaub mir, es ist alles gut. Herr Schröder wird dort, wo er hingeht, sehr glücklich sein. Er wird dort viele, viele andere Hasen treffen und den ganzen Tag mit ihnen spielen.«

      Willy drängte sich ebenfalls heran.

      »Kommt Herr Schröder auch in den Himmel?« wollte er wissen.

      Roberta dachte einen Moment nach, dann nickte sie.

      »Ja, in den Hasenhimmel. Er wird dort nichts vermissen.« Sie erhob sich. »Kommt, wir wollen ihm ein hübsches Grab machen, ja? Und denn beerdigen wir ihn, wie es sich für einen so lieben Hasen gehört.«

      So makaber es klingen mag, aber die Vorbereitungen für das Begräbnis lenkten die Kinder etwas von ihrem Kummer ab. Julchen polsterte eine Schuhschachtel mit Stroh und Seide aus und bemalte den Karton mit hübschen Blumen und Schmetterlingen.

      Willy half Roberta indessen beim Graben und dem anschließenden Schnitzen des kleinen Kreuzes, das die Kinder unbedingt auf dem Hügel aufstellen wollten. Als sie schließlich alle drei an dem kleinen Grab standen, war alles so schön gerichtet, daß Herr Schröder bestimmt zufrieden sein konnte. Es fehlte an nichts, auch nicht an den Blumen, die den Hügel zierten und den hübschen Muscheln, mit denen die Kinder ein schönes Muster in die weiche Erde gedrückt hatten.


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