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Californische Skizzen. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Californische Skizzen - Gerstäcker Friedrich


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worden, von hier aus das Licht der christlichen Religion über die heidnischen Völkerschaften zu gießen, die in dem weiten Länderstrich zerstreut lebten. Alle diese Millionen wurden als Mittelpunkt eines bestimmten Districts betrachtet, der den Stämmen selbst im Falle eines feindlichen Angriffs als Zufluchtsort und Vorrathskammer dienen konnte, und einzeln zogen von hier aus die Prediger in die Wüste, verkündeten Gottes Wort, verkündeten den blinden verwahrlosten Heiden, daß sie eigentlich im Schweiße ihres Angesichts ihr Brod verdienen, und deshalb um die Mission herum den Acker bestellen und alle nützliche andere Arbeiten verrichten müßten, und verhießen ihnen, wenn sie den Glauben der weißen Männer annähmen, ihm treu blieben und ihre Arbeiten verrichteten, himmlischen Lohn.

      Still und friedlich leben die Leute hin, in ihrem Gott vergnügt und glücklich; einzelne Stämme nahmen Sitte und Civilisation wirklich an, und nach unendlich langen mühsamen Jahren versprach eine Art von Erfolg die rastlosen Bemühungen der wirklich aufopfernden Patres zu krönen. Und wie sollte sich dieser Erfolg entwickeln? — Ein paar Stückchen glänzenden Metalls, hunderte von Meilen weit in den Bergen zufällig beim Graben eines Dammes gefunden, warfen das ganze System über den Haufen, als ob es ein Kartenschloß gewesen wäre. Was Jahrzehnte gekostet hatte mit unendlichem Fleiß und rastlosem Eifer aufzubauen, was ein Gebäude schien für eine Ewigkeit, das zertrümmerte ein gelbes Steinchen, unten herausgezogen, und der ganze stolze Bau polterte zusammen. Massen von Kirchen sind jetzt allerdings an deren Statt gebaut, es ist wahr, „Gottes Wort“ steigt in den verschiedensten Sprachen und Auslegungen zu dem Allerbarmer empor, und eine wahre Flut von Christen und auch Heiden füllt die Thäler. Wie es die Missionare früher nie, selbst in ihren kühnsten Träumen für möglich gehalten, hat sich die Civilisation des ganzen Landstrichs bemächtigt — aber der stille Frieden ist gewichen, und der Gott, dem jetzt sogar bis in den Missionen geopfert wird — ist das Gold.

      Das alte Missionsgebäude selber ist in einem großen Viereck errichtet und umschließt einen weiten etwa 80 Schritt langen und 60 Schritt breiten Hofraum. Außerdem lagen noch drei kleine Straßen mit niederen einstöckigen Häusern darum her, in denen früher theils Altmexicaner, von dem Süden eingewandert, oder auch hier Geborene, wie einzelne civilisirte Indianer ihren Wohnort hatten. Zwischen diese hineingedrängt haben sich aber jetzt Amerikaner, Engländer, Iren, Deutsche und Franzosen, und wie zum Spott, selbst der alten christlichen Mission gerade gegenüber, schlagen heidnische Chinesen, vom christlichen Gesetz beschützt, ihre Wohnungen auf, und Angesichts der alten ehrwürdigen lebensmüden Kirche dampfen die Weihrauchbüchsen der Zopfträger vor den Bildern und Figuren ihrer Lieblingsgötzen.

      Von allen Theilen der Welt sind dabei fertige Häuser hierherüber gesandt, ein- und zwei- und dreistöckige, mit und ohne Schindeln und in jeder Form und Bauart, und wie sich die Europäer und Amerikaner zwischen die alten Ureinwohner hier eindrängten, so steigen die wunderlichen Formen ihrer Häuser ebenfalls zwischen den altergrauen niederen Steingebäuden auf, nehmen ihren jetzigen Nachbarn, den früheren Besitzern, Licht, Aussicht und Sonne, und kümmern sich den Henker um seine Fest- und Feiertage, um seine Sitten und Gewohnheiten.

      Der Haß der Californier gegen die Amerikaner ist aber auch groß und rührt sich desto gewaltiger, je mehr sie eben fühlen und sehen, wie sie nicht das Mindeste gegen die sie überflutende Einwanderung ausrichten können. Die Amerikaner sind nicht in ihr Land gekommen wie andere Eroberer, haben die Regierung gestürzt und ihre eignen Beamten eingesetzt, nein Regierung, Land, Religion, Sitten, ja Raum zum Athmen wurde ihnen mit einem Ansprung genommen, und das Messer dabei in die Scheide genietet, daß die Hand es fassen, aber nicht ziehen konnte, sondern nur krampfhaft und zornentbrannt, aber vollkommen machtlos den Griff preßte. Dieser Haß kann und wird auch erst mit der jetzigen Generation aussterben — die Enkel werden nichts mehr davon wissen.

      Noch stand im Frühjahr von 1850 das alte graue Missionsgebäude, wenn auch Amerikaner und Iren schon Branntweinschenken selbst in seine Weichen gebohrt hatten und der Schaden weiter und weiter fraß. Hie und da waren freilich schon die Anfänge neuer fremder Wohnungen sichtbar, aber im Ganzen herrschte doch noch der alte Charakter. Noch lebten die Fremden vereinzelt zwischen den Spaniern, noch lagen die Sandberge zwischen der Mission und der Stadt.

      Wenige Wochen rissen Berge und Missionsleben über den Haufen — schon mit dem Beginne der sogenannten plank road oder Bretstraße begannen Speculanten Häuser aufzubauen und sie wieder zu verkaufen, ehe Prozesse wegen des Grundeigenthums eingereicht oder entschieden werden konnten. Die Mission, wenn auch die alten Wände der Kirche in diesem Augenblicke vielleicht noch stehen, ist verschwunden, und nur der Name wird in späterer Zeit einer der Vorstädte San Franciscos bleiben.

      Aber reizend ist die Aussicht von den flachen Hügeln des einst so stillen friedlichen Platzes über die schöne Bai. Die „frommen Mönche“ in alter Zeit wußten wol, wie und wo sie sich ihre Wohnplätze am hübschesten und freundlichsten aussuchten — und ich kann es ihnen eigentlich nicht verdenken. Im Rücken hatten sie die ziemlich hohen Küstenberge, welche die Mission eben von der See trennte und in etwas wenigstens den kalten Nordwestwind abhielt, der Nachmittags in den Sommermonaten von der See gar kalt und rauh herüberweht, und vorn breitet sich in einem wundervollen Panorama das freundliche Missionsthal mit der Bai von San Francisco und der Contra coast aus.

      Den Hintergrund des ganzen Gemäldes bildet eben diese Gebirgsreihe, die Contra coast genannt, weil sie den Einschiffenden gerade gegenüber lag, und das kleine Wäldchen wahrhaft riesiger Cedern oder Lebensbäume, das oben auf dem Hügelrücken steht — über den nur eben die fern gelegene Kappe des weit höhern Berges „Diablo“ herüber schaut — diente den Seeleuten früher zur Landmark, und ist selbst auf den neuesten Karten noch angegeben. Schon lange Jahre hacken und sägen sie aber daran herum, und thun ihr Möglichstes, die schönen Bäume von ihrem Ehrenplatze zu verdrängen und ins Thal hinabzurollen.

      Von der Contra coast streckt sich jener Arm der hier etwa 4 bis 5 englische Meilen breiten Bai aus, der sich bis nach Pueblo San José hinaufzieht und dort von den Hügeln eingeschlossen wird. Links, über den niedern dünenartigen und nur hie und da mit Krüppeleichen und Lorbeer bewaldeten Hügeln hin, kann man die Masten der Schiffe erkennen, die, noch mit zum Hafen Yerba buena oder San Francisco gehörig, hier so weit (bis zu „Rincon point“) hinausgelegt sind.

      Das Thal der „Mission“, wie sie es in San Francisco kurzweg nennen, mündet in eine flache sumpfige Fläche aus, die von der Flut etwa 3 oder 4 Fuß hoch mit Wasser bedeckt wird, und während der Ebbe nur eine schmale, aber ziemlich tiefe und sichere Einfahrt bietet. Freilich ist sie von Muschelbänken durchzogen und könnte von größeren Fahrzeugen, als Booten und sehr kleinen Cuttern, nicht benutzt werden.

      Links über die niederen Hügel, oder vielmehr hindurch und durch das sumpfige überbrückte Thal kommt jetzt der Bohlen- oder Plankenweg von San Francisco, aber die Civilisation dieses Theils ist nicht langsam oder Schritt vor Schritt gegangen; das wilde Leben dieses abgeschlossenen Districts ist nicht allmälig weiter zurückgedrängt worden durch die neue Cultur, sondern wie sich die Ueberflutung eines mächtigen Wassers durch irgend einen engen Canal zuerst die Bahn bricht, in diesem eine lange Strecke dahin schießt und dann plötzlich das umzingelte Terrain von allen Seiten zugleich angreift, so hatte sich die fast eben so mächtige Cultur auf eben diesem Plankenwege leise nach der Mission hinausgestohlen. Diese war schon in der That eine Vorstadt, während die Zwischenstrecken noch in ihrer Wildniß und Oede dalagen, der kleine Prairiewolf oder Cayota mit dem großen braunen Wolf Nachts um die Wette heulte, und die wenigen Indianer, die es bis dahin noch auf der Mission zwischen den Weißen „ausgehalten“ hatten, kopfschüttelnd ihre Decken um sich herumschlugen und weiter zurück in die Berge wanderten.

      So war die Mission Dolores — geht aber der Leser jetzt, einige Jahre später, hinüber, so darf er ja nicht erstaunt sein, wenn er statt der Cayotas und braunen Wölfe Gasbeleuchtung, und statt der Indianer mit ihren Lehmhütten große stattliche steinerne Waarenhäuser und Wohngebäude errichtet findet. Die Mission selber hat aufgehört, und nur noch ihr Name und ihr Grab sind geblieben.

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