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Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten. Friedrich GlauserЧитать онлайн книгу.

Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten - Friedrich  Glauser


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verstand. Aeschbacher wußte. Er bat für seine Frau. »Gut, meinetwegen«, dachte Studer. Und er lachte.

      »Also, auf Wiedersehen, Herr Wachtmeister!« sagte Frau Aeschbacher. Sie hielt die Klinke in der Hand und lächelte. Es war ein mühsames Lächeln. Und Studer verstand plötzlich, daß die beiden da versuchten, sich Theater vorzuspielen. Beide wußten, was los war, aber sie wollten es einander nicht merken lassen.

      Eine merkwürdige Ehe, die Ehe des Gemeindepräsidenten Aeschbacher…

      Die Türe wurde leise geschlossen. Die beiden Männer blieben allein.

      Aeschbacher tat Zucker auf den Boden des einen Glases, füllte es zur Hälfte mit heißem Wasser, rührte um, dann goß er aus jeder der drei Flaschen ein ordentliches Quantum nach: Kognak, Gin, Whisky. Studer sah ihm mit weitaufgesperrten Augen zu.

      Und als Aeschbacher ihm das Glas präsentierte, fragte er, ein wenig ängstlich:

      »Ist das für mich?«

      »Ausgezeichnet, Wachtmeister«, pries der Präsident seine Mischung, »wenn ich erkältet bin, nehm' ich nichts anderes. Und wenn Ihr es nicht vertragen mögt, so macht Euch meine Frau später einen Kaffee.«

      »Auf Eure Verantwortung«, sagte Studer und trank das Glas in einem Zug leer. Dunkel fühlte er, die Sache hier konnte man nüchtern zu keinem guten Ende bringen. »Aber Ihr müßt mir's nachmachen.«

      »Sowieso«, sagte Aeschbacher und stellte dasselbe Gemisch noch einmal her.

      Eine sanfte Wärme kroch über Studers Körper. Langsam, ganz langsam hob sich der dunkle Vorhang. Es war vielleicht alles gar nicht so schrecklich, gar nicht so kompliziert, wie er es sich vorgestellt hatte. Aeschbacher sank in einen tiefen Lehnstuhl, nahm einen Stumpen, zündete ihn an, leerte sein Glas, sagte »Ah«, schwieg einen Augenblick und fragte dann mit ganz unbeteiligter Stimme:

      »Habt Ihr gestern abend in meiner Garage gefunden, was Ihr gesucht habt?«

      Studer nahm einen Zug aus seinem Stumpen (er schmeckte plötzlich viel besser) und antwortete ruhig:

      »Ja.«

      »Was habt Ihr denn gefunden?«

      »Staub.«

      Sonst nichts?«

      »Das hat genügt.«

      Pause. Aeschbacher schien nachzudenken. Dann sagte er:

      »Staub? In der Landkartentasche?«

      »Ja.«

      »Schade… Ihr hättet mein Angebot am Sonntag annehmen sollen. Und wenn Ihr wollt, leg ich noch etwas drauf, aus der eigenen Tasche. Sehr gescheit gewesen, in der Tasche nachzugrübeln. Es wär keiner auf den Gedanken gekommen.«

      »Angebot?« fragte Studer. »Was meint Ihr eigentlich damit, Aeschbacher?«

      Dem andern gab es einen Ruck. Die Anrede ›Aeschbacher‹ wahrscheinlich. Nicht mehr ›Herr Gemeindepräsident‹, sondern ›Aeschbacher‹… Wie man ›Schlumpf‹ sagt.

      »Die Stelle bei meinem Bekannten, mein ich, Studer.«

      »Ah, ja, ich besinn mich… Interessiert mich nicht, Aeschbacher, aber auch gar nicht. Und das Geld? Ihr habt mir Geld angeboten? Ich hab mir sagen lassen, Ihr steht vor dem Konkurs.«

      »Haha«, lachte Aeschbacher; es klang wie ein Theaterlachen. »Das hab ich nur so erzählt, damit mich der Witschi in Ruhe läßt. Ich hab ihm doch nicht all mein Geld in den Rachen schmeißen wollen, nur weil ich zufällig mit seiner Frau verwandt bin…«

      »So? Ihr habt dem Witschi Geld gegeben?«

      »Wachtmeister«, sagte Aeschbacher ärgerlich. »Wir sind hier nicht am ›zugeren‹. Wir wollen mit offenen Karten spielen. Wenn Ihr etwas wissen wollt, so fragt, ich will Euch Antwort geben. Mir ist das Ganze schon lang verleidet…«

      »Gut«, sagte Studer. Und: »Wie Ihr wollt.«

      Er lehnte sich zurück, kreuzte die Beine und wartete.

      Und während des langen Schweigens, das nun über dem Raum lag, dachte er an viele Dinge. Aber sie wollten sich nicht ordnen: Gut, der Schuldige war gefunden; aber was nützte das? Niemals würde der Untersuchungsrichter sich dazu hergeben, den Aeschbacher zu verhören. Kein Staatsanwalt würde gegen den Gemeindepräsidenten eine Anklage erheben. Erst wenn die Beweise so überzeugend waren, daß es wirklich nichts anderes gab. Aeschbacher mußte eine große Rolle gespielt haben, früher einmal. Das ergab sich aus allen Erkundigungen, die Studer gestern nachmittag in Bern eingezogen hatte. Man konnte Skandale nicht brauchen. Und was hatte Studer für Beweise? Die Aussage des Cottereau? Mein Gott! Cottereau würde nie wagen, sie aufrechtzuerhalten. Die mikroskopische Untersuchung des Staubes? Für ihn genügte es als Beweis. Für ein Schwurgericht, ein Schwurgericht, an dem die Geschworenen Bauern waren? Auslachen würde man ihn! Schon der Untersuchungsrichter würde ihn auslachen.

      Blieb noch übrig, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Witschi hatte Selbstmord begangen, das würde zu beweisen sein, leicht zu beweisen sein, der Untersuchungsrichter war überzeugt, Schlumpf kam frei – die Familie Witschi würde ihr Haus verkaufen müssen, die alte Frau würde weiter im Kiosk sitzen und Romane lesen, der Armin würde die Saaltochter heiraten und eine Wirtschaft kaufen, und Sonja? Sonja würde den Schlumpf heiraten, der Erwin würde mit der Zeit Obergärtner werden, und Aeschbacher? Mein Gott, er würde sicher nicht der einzige Mörder sein, der straflos in der Welt umherlaufen würde.

      »Ihr habt ganz recht, Wachtmeister«, tönte Aeschbachers Stimme in die Stille. »Es hat gar keinen Wert, die Sache weiter zu verfolgen. Ihr blamiert Euch nur. Habt Ihr Euch nicht schon einmal blamiert, damals, in jener Bankaffäre? Glaubet doch dem Polizeihauptmann, folget seinem Rat. Es ist besser, Studer, glaubet mir. Noch einen Grog?«

      »Gern«, sagte Studer und versank wieder in Schweigen. War es nicht merkwürdig, daß Aeschbacher Gedanken lesen konnte? Studer fröstelte. Der stechende Punkt in der Brust war wieder da, kalter Schweiß brach aus. Draußen vor den Fenstern hockte ein grauer Nebel, es war, als ob die Wolken auf die Erde gefallen wären. Und dann war es kalt im Zimmer. Studers Stumpen war ausgegangen, er hatte nicht den Mut, ihn wieder anzuzünden; er hatte überhaupt keinen Mut mehr, er war krank, er wollte ins Bett, er hatte eine Brustfellentzündung, Herrgott noch einmal! Und mit einer Brustfellentzündung geht man ins Bett und spielt nicht den scharfsinnigen englischen Detektiv mit deduktiven Methoden à la Sherlock Holmes. Staub in einer Tasche! Wenn schon! Wenn es so weiterging, würde er bald auf dem Boden herumkriechen mit einer Lupe in der Hand und den Teppich absuchen!

      »Trinkt Studer«, sagte Aeschbacher und schob das frischgefüllte Glas über den Tisch. Und der Wachtmeister leerte es gehorsam.

      Es war doch eine Schweinerei, träumte er weiter. Da hatte man ein Gehalt von ein paar hundert Franken im Monat, es langte wohl, es langte ganz gut. Und für das lumpige Gehalt war man verpflichtet, den Kanalräumer zu spielen. Ärger als das. Man mußte schnüffeln, anderer Leute Missetaten aufdecken, man mußte sich überall hineinmischen, keinen Augenblick hatte man Ruhe, nicht einmal pflegen konnte man sich, wenn man krank war.

      Aeschbacher sog hocherfreut an seinem Stumpen. Seine kleinen Äuglein glänzten boshaft, schadenfroh.

      Und da tauchte in Studer plötzlich wieder der Traum jener Nacht auf. Der riesige Daumenabdruck auf der Tafel, der Lehrer Schwomm im weißen Kittel und Aeschbacher, der den Arm um Sonja geschlungen hatte und ihn, Studer, auslachte.

      Später hätte Studer nie sagen können, ob es wirklich die Erinnerung an diesen Traum war, die ihm plötzlich neuen Mut gab. Oder ob ihm das höhnische Grinsen Aeschbachers auf die Nerven fiel. Genug, er raffte sich auf, legte die Unterarme auf seine gespreizten Schenkel, faltete die Hände und blickte zu Boden. Er sprach langsam, denn er fühlte, daß seine Zunge große Lust zeigte, eigene Wege zu gehen.

      »Gut«, sagte er, »Ihr habt recht. Ich werde mich blamieren. Aber das steht nicht in Frage, Aeschbacher. Ich tue meine Arbeit, die Arbeit, für die ich bezahlt bin. Ich bin dafür bezahlt, Untersuchungen zu führen. Man hat


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