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Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten. Friedrich GlauserЧитать онлайн книгу.

Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten - Friedrich  Glauser


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Aber, sagte Bohnenblust, auch wenn Pieterlen den Passe gefunden habe, so hätte er ihm nichts genützt. Er brauche noch einen Dreikant dazu…

      – Und wenn ein Dreikant verlorengegangen wäre, so wäre das gemeldet worden…

      »Ihr habt den Verlust des Passe auch nicht gemeldet!« wandte Studer ein.

      – Ja, aber das sei denn doch etwas anderes… Es sei doch unmöglich, daß einer der jungen Wärter einen Dreikant hergegeben hätte… Es sei denn, der Wärter habe mit Pieterlen unter einer Decke gesteckt… (›Wärter‹ sagte der dicke Bohnenblust und nicht ›Pfleger‹, er war offenbar noch von der alten Schule… )

      – Mit welchen Wärtern sei der Pieterlen gut ausgekommmen?

      – Mit dem Gilgen! Die beiden hätten immer zusammengehockt.

      … Der Gilgen! Der rothaarige Gilgen, der dem Wachtmeister sein Leid geklagt hatte…

      – Und Bohnenblust könne sich also nicht besinnen, wo er den Passe habe liegen lassen?

      Der Nachtwärter beschäftigte sich so lange mit seinem Schnurrbart, daß man hätte meinen können, er wolle jedes Haar geradebiegen; endlich meinte er grochsend:

      – Der Schmocker stecke vielleicht dahinter…

      – Der Schmocker?

      Wer war nur gleich der Schmocker? Ah, der Bundesratsattentäter! Der hatte ja mit Pieterlen das Zimmer geteilt.

      – Und warum Bohnenblust meine, der Schmocker stecke dahinter?

      »Man hört manches« sagte Bohnenblust. »Die beiden im kleinen Nebenzimmer haben halbe Nächte lang dischkuriert, daß heißt, meistens hat der Schmocker geredet. Wie schlecht man es den Patienten mache, hat er gesagt, das käme alles vom Direktor, und hat den Pieterlen aufgereiset. Er wäre schon lange frei, hat der Schmocker gesagt, wenn nicht immer der Direktor dagegen wäre. Und schließlich hat auch Dr. Laduner nichts mehr ausrichten können. Der Pieterlen hat fest gemeint, der Direktor sei sein Feind. Und die Geschichte mit der Irma Wasem hat auch nichts gebessert…«

      Studers erster psychotherapeutischer Versuch

       Inhaltsverzeichnis

      Studer stand auf, zwängte sich hinter dem Tisch hervor, ging auf die Tür zu, die vom Wartesaal ins Nebenzimmer führte, bemerkte einen Lichtschalter, außen am Türpfosten, drehte ihn… Drinnen wurde es hell.

      Dann trat er ein.

      Des Bundesratsattentäters spärliche Haare standen nach allen Richtungen vom Kopf ab. Zwischen ihnen schimmerte die Kopfhaut rosa. Unter den Augen hatte Schmocker dicke Säcke, die fast bis zu den Mundwinkeln reichten, und sie schienen mit Gift gefüllt zu sein.

      »Herr Schmocker«, sagte Studer freundlich und setzte sich auf den Bettrand, »könntet ihr mir sagen…«

      Weiter kam er nicht. Mit hoher Stimme kreischte der Mann: »Weit i-i-hr vo mym Bett achegaaa?«

      Gehorsam stand Studer auf. Man darf Verrückte nicht reizen, dachte er. Und dann wartete er, bis der kleine Mann sich abgeregt hatte.

      »Ich möcht gern wissen, Herr Schmocker, ob ihr den Schlüssel vom Nachtwärter Bohnenblust gefunden habt…«

      »Dr syt en verdammter, windiger Schroter, das syt dr. Und machet, daß dr zu myner Bude use chömmet. Dr heit da nüt z'sueche… Verschtande?«

      Und drohend stand Herr Schmocker auf, seine Kniekehlen faßten Stützpunkt am Bettrand.

      »Aber Herr Schmocker«, sagte Studer immer noch freundlich, bedenklich war vielleicht nur, daß er begann, Schriftdeutsch zu sprechen. Andere hatten die Bedeutung dieses Vorzeichens unangenehm empfinden müssen. »Ich möchte von Ihnen nur eine kleine Auskunft haben…«

      Doch der Bundesratsattentäter fluchte weiter. Seine kleine geballte Faust bewegte sich drohend vor Studers Nase, Schimpfworte drangen zwischen den weißlichen Lippen hervor, ein ganzer Sturzbach, eine Kloake eher.

      »Schweigen Sie!« sagte Studer plötzlich ernst und fest.

      Der Mann dachte nicht daran, dem Befehl Folge zu leisten. Seine nackten behaarten Beine, die unten aus dem Nachthemd herausragten, vollführten einen Kriegstanz, und wirklich! wahrhaftig! das rechte Knie hob sich, um den Wachtmeister in den Bauch zu stoßen.

      Das war zuviel! Der Nachtwärter Bohnenblust, der an der Türe stand, kam mit den Augen gar nicht nach. Es klatschte. Einmal. Zweimal. Dann lag der neuzeitliche Tell bäuchlings auf dem Bett und Studers Hand fiel nieder, zwei-, drei-, viermal. Ein wenig wurde das Klatschen vom Stoff des Nachthemdes gedämpft.

      »Brav!… So!… Ganz brav!« Studer hob die auf den Boden gerutschte Decke auf, deckte Schmocker zu. »Und jetzt antwortet! Habt ihr den Schlüssel genommen?«

      Die Antwort kam wimmernd, wie von einem trotzigen Kind:

      »Ja… a… a…«

      »Warum?«

      Unter wütendem Schluchzen:

      »Weil ich doch nicht mit einem Mörder das Zimmer teilen wollte…«

      »De spinnt ja!…« sagte Studer erstaunt, wandte sich um und sah den Bohnenblust unter seinem Schnurrbart lächeln. Und plötzlich fiel es ihm wieder ein: Er war ja im Irrenhaus! Und wunderte sich, daß einer sich erlaubte, zu spinnen! Auch er mußte lächeln. Dann schritt er zur Tür. Bevor er sie abschloß, hörte er noch:

      »Und ig appelliere as Bundesg'richt!«

      »Das chönnet dr sawft tue…« sagte Studer ganz versöhnt.

      Bohnenblust erzählte, er habe sich während der Sichlete auf Schmockers Bett gesetzt, und es sei möglich, daß ihm dabei der eine Passe aus der Tasche gerutscht sei… Niemals sei ihm das passiert… Aber anders könne er sich die Sache nicht erklären… Studer nickte. Soweit war alles in Ordnung. Blieb noch der Dreikant, und dann stand es fest, daß Pieterlen Pierre die Abteilung hatte verlassen können, ohne Hilfe von außen… Und auch die Heizung hatte er öffnen können.

      Studer hob erstaunt den Kopf, weil Bohnenblust neben ihm flüsterte:

      »Uns Pflegern ist ein tätliches Vorgehen gegen Patienten streng verboten…«

      Studer nickte nachdenklich.

      »Weiß ich«, sagte er, und um zu zeigen, daß er auf dem laufenden war, fügte er hinzu, er wisse, Dr. Laduner sei scharf auf blaue Mose…

      Morgenlicht kämpfte im Saal gegen den blauen Schimmer der Lampe. Studer trat ans Fenster. Zwei Tannen ragten auf, an ihren Wipfeln wehten zwei Wimpel aus zartgelber Seide: Nebelfetzen, durchleuchtet von den Strahlen der aufgehenden Sonne…

      Es war Viertel vor sechs. Gerade als Studer fragen wollte, wann Tagwacht sei, sagte Bohnenblust leise:

      – Es nehme ihn wunder, wieviel heute nacht wieder gestorben seien…

      – Gestorben? Wo gestorben? – Auf den beiden unruhigen Abteilungen – die beiden letzten Nächte habe es zwar keine Todesfälle gegeben, soviel er wisse, aber vor einer Woche! Jede Nacht mindestens zwei!…

      »Woran?« wollte Studer wissen, und er erinnerte sich an den Sarg, den er am ersten Morgen gesehen hatte.

      – Man spräche von einer neuen Kur, die Dr. Laduner ausprobiere, sagte Bohnenblust. Aber man könne nicht wissen, was daran Wahres sei. Der Abteiliger vom U 1, Schwertfeger heiße er übrigens, sei gar verschwiegen. Auf alle Fälle seien ziemlich viele Patienten bettlägerig… Übrigens heiße es, daß der Direktor mit diesen Kuren nicht einverstanden gewesen sei. Er habe sich mit dem Dr. Laduner deswegen gestritten…

      Und wenn man endlich glaubte, den Pieterlen überführt zu haben (es blieb ja nur noch das Telephongespräch, von einer männlichen Stimme geführt… ), dann kam


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