Edgar Wallace-Krimis: 78 Titel in einem Band. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
und er fluchte über seine Schwäche. Er blieb eine Minute in der Diele stehen, bis er sich wieder in der Gewalt hatte; dann trat er in den Empfangsraum.
Ein Herr erhob sich und kam ihm entgegen.
Black hatte den Eindruck, daß er diesem Fremden früher schon einmal begegnet war. Es war eines dieser Gefühle, die so schwer zu beschreiben sind.
»Sie wollten mich sprechen?«
»Ja«, sagte der Besucher höflich. »Ich bin hierhergekommen, um einige Nachforschungen anzustellen.«
Es lag Black schon auf der Zunge zu fragen, ob er Privatdetektiv sei; seltsamerweise fand er jedoch nicht den Mut dazu.
Aber der andere gab ihm gleich darauf Aufschluß.
»Ich bin von einer Rechtsanwaltsfirma beauftragt worden, den Aufenthalt Doktor Essleys festzustellen.«
Black sah ihn scharf an.
»Nun, das ist doch nicht schwer – sein Name steht doch im Adreßbuch.«
»Ja, gewiß, aber trotzdem habe ich die größten Schwierigkeiten, ihn anzutreffen. Eigentlich wollte ich ja auch nicht seine Wohnung feststellen, sondern ihn identifizieren.«
»Da kann ich Ihnen nicht folgen.«
»Ich weiß nicht recht, wie ich mich ausdrücken soll. Wenn Sie Doktor Essley gut kennen, werden Sie wissen, daß er einige Jahre in Australien gelebt hat.«
»Das stimmt. Wir kamen zusammen von dort zurück.«
»Sie waren auch einige Zeit dort?«
»Ja, wir verbrachten einige Jahre in Australien, obgleich wir nicht ständig zusammen waren.«
»Ich verstehe; Sie sind wohl auch gemeinsam hinübergefahren?«
»Nein«, sagte Black scharf, »wir sind zu verschiedenen Zeiten ausgereist.«
»Haben Sie ihn in letzter Zeit einmal gesehen?«
»Nein, aber ich habe ihm häufig wegen der verschiedensten Dinge geschrieben.«
Black gab sich alle Mühe, seine Fassung nicht zu verlieren. Der Mann durfte nicht merken, wie sehr ihn diese Fragen beunruhigten.
Der Fremde schrieb einige Bemerkungen in sein Notizbuch, schloß es und steckte es in die Tasche. »Sind Sie sehr erstaunt, wenn ich Ihnen mitteile, daß der wirkliche Doktor Essley in Australien gestorben ist?«
Black griff nach der Tischkante, um sich zu stützen.
»Das war mir nicht bekannt«, sagte er dann scheinbar gleichgültig. »Das ist alles, was Sie’ zu fragen haben?«
»Ja, ich denke, das genügt mir.«
»Darf ich erfahren, auf wessen Veranlassung Sie diese Fragen gestellt haben?«
»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen.«
Nachdem der Detektiv gegangen war, ging Black, tief in Gedanken versunken, im Zimmer auf und ab.
Als er wieder ruhiger geworden war, nahm er einen Reiseführer aus dem Bücherregal und arbeitete eine Reiseroute für seinen Rückzug aus. Die abschlägige Antwort Sandfords hatte all seinen Schwierigkeiten die Krone aufgesetzt.
Er ging quer durch den Raum zu dem Safe, der in einer Ecke stand, und öffnete ihn. In dem mittleren Fach lagen drei Pakete Banknoten; er nahm sie heraus und legte sie auf den Tisch. Es war französisches Geld – lauter Tausendfrancnoten.
Er mußte nun auf alles gefaßt sein und durfte nichts mehr riskieren. Sorgfältig steckte er die Scheine in eine Innentasche seines Jacketts. Wenn alles mißglückte, konnte er mit Hilfe dieses Geldes immer noch den Weg in die Freiheit finden.
Essley? Er lächelte. Der mußte eben auch irgendwie verschwinden.
Black verließ seine Wohnung und fuhr in den Osten der Stadt. Aber er bemerkte nicht, daß ihm zwei Männer ständig folgten.
Die prahlerische Behauptung Oberst Blacks, daß seine Firma keine Bücher führe und keine Akten besitze, bestätigte sich in der Nacht, in der die ›Vier Gerechte‹ ihm einen ungebetenen Besuch abstatteten. Sie hatten systematisch alle Schränke nach Beweismaterial durchsucht, das sie bei einem ordentlichen Gericht gegen ihn verwenden wollten, doch war all ihre Mühe umsonst geblieben.
In Wirklichkeit bewahrte Black jedoch eine ganze Reihe von Geschäftsbüchern auf; allerdings waren sie in einer Geheimschrift verfaßt, die nur er allein entziffern konnte. Den Schlüssel dazu hatte er niemals aufgeschrieben.
An diesem Abend nun war er damit beschäftigt, auch diese Geheimbücher dem drohenden Zugriff der ›Vier Gerechten‹ zu entziehen. Er hatte guten Grund für seine Unruhe, denn die ›Vier Gerechten‹ waren in der letzten Zeit sehr rührig gewesen und hatten ihm noch eine andere Warnung zukommen lassen.
Von neun bis elf Uhr war er ununterbrochen tätig, zerriß scheinbar harmlose Briefe und verbrannte sie. Als es elf schlug, sah er auf seine Taschenuhr und verglich die Zeit. Er hatte in dieser Nacht noch sehr wichtige Dinge vor.
Dann entwarf er ein Telegramm, in dem er Sir Isaac Tramber bat, ihn noch in der gleichen Nacht aufzusuchen. Er brauchte jetzt jeden Freund, jeden Vorteil und jedes Hilfsmittel, deren er habhaft werden konnte.
10
Eines Nachmittags besuchte Lord Verlond Mr. Sandford. Er kam aus verschiedenen Gründen – den wichtigsten vermutete allerdings niemand. Er besaß ein großes Aktienpaket der Sandford-Hüttenwerke, und die Gerüchte über eine Fusion, die in der City kursierten, boten Anlaß genug zu einer persönlichen Aussprache.
Lord Verlond mußte diese Gerüchte um so ernster nehmen, als Black der erste war, der ihm im Hause Sandfords begegnete. Mit fast kriecherischer Liebenswürdigkeit kam der Oberst ihm entgegen. Lord Verlond gefiel es wenig, daß er sofort eine Unterhaltung mit ihm begann.
»Ich habe schon viel von Ihnen gehört, Mylord.«
»Um Himmels willen, nennen Sie mich nicht Mylord!« erwiderte der alte Herr grimmig. »Sie zwingen mich sonst, unhöflich zu Ihnen zu sein!«
Aber auch ein Mann von Verlonds Art konnte den Oberst, der stets so verbindlich lächelte und die Leute mit freundlichen Blicken zu fangen wußte, nicht kurz abspeisen.
»Ich kenne einen Ihrer Freunde«, sagte Black in einschmeichelndem Ton.
»Sie wollen wohl sagen, daß Sie Ikey Tramber kennen, was nicht dasselbe ist.«
Oberst Black faßte die Äußerung als Scherz auf und lächelte.
»Er erzählt immer –«, begann er.
»Ich weiß schon, daß er immer sehr gut von mir spricht und sagt, was für ein feiner Mensch ich sei. Die ganze Erde verliert ihren Reiz für ihn, wenn er mich einen Tag lang nicht sieht.« Er sah Black spöttisch an. »Er erzählt Ihnen wahrscheinlich auch, was für ein guter Sportsmann ich sei, welch ein treues und edles Herz in dieser rauhen Schale stecke und daß die Leute mich alle gern haben würden, wenn sie das nur wüßten. Solche Redensarten führt er doch, nicht wahr?«
Der Oberst verneigte sich leicht.
»Na, nichts für ungut!« meinte Lord Verlond. Dann betrachtete er den anderen eine Weile. »Sie könnten eigentlich heute abend bei mir speisen – Sie werden eine Menge Leute treffen, die Sie auf den Tod nicht leiden können.«
»Es wird mir ein großes Vergnügen sein«, entgegnete der Oberst höflich.
Er hoffte, zu der Besprechung zugezogen zu werden, die Lord Verlond mit Sandford zu haben schien. Hierin täuschte er sich jedoch.
Er hätte sich nun verabschieden können, doch zog er