Edgar Wallace-Krimis: 78 Titel in einem Band. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
sind ein interessanter Mann«, erwiderte Farrington düster. Er schaute auf die Uhr. »Kommen Sie mit mir ins Jollity-Theater – wir können auf dem Weg dorthin die Sache besprechen. Vielleicht fordern wir Mr. Smith heraus«, sagte er lächelnd, wurde aber gleich wieder ernst. »Ich habe einen sehr guten Freund verloren.« Auch er blickte zu dem schweigend daliegenden Mann. »Sie könnten an seine Stelle treten. Stimmt es, daß Sie etwas von technischen Dingen verstehen, wie Sie mir heute erzählten?«
»Ich habe mein Examen als Ingenieur an der Technischen Hochschule zu Padua bestanden und besitze ein Diplom darüber«, entgegnete Poltavo prompt.
6
Punkt zehn Uhr, als sich der Vorhang nach dem ersten Akt senkte, wandte sich Lady Dinsmore um und streckte ihre Hand aus, um den ersten der beiden Herren zu begrüßen, die in die Loge traten.
»Mein lieber Graf, ich bin sehr böse auf Sie. Ich habe nun schon zu lange auf Sie gewartet und habe diesen jungen Leuten allerhand Gutes über Sie erzählt. Vermutlich waren Sie auch die Veranlassung zu Gregorys plötzlichem Verschwinden?«
»Es tut mir unendlich leid!«
Graf Poltavo konnte sich den Anschein geben, als ob er seine ganze Aufmerksamkeit auf den Menschen richtete, mit dem er sprach, und als ob er ihn bis auf den Grund seiner Seele durchschauen wollte. Er konnte wunderbar zuhören, und diese Eigenschaft, verbunden mit einer gewissen Heiterkeit seines Temperamentes, hatte ihn in kurzer Zeit in der Gesellschaft beliebt gemacht, die ihm nun ihre Tore geöffnet hatte.
»Bevor Sie mich mit Recht verurteilen, Lady Dinsmore, gestatten Sie, daß ich mich wegen der Verspätung tausendmal bei Ihnen entschuldige.«
Lady Dinsmore schüttelte den Kopf und schaute zu Farrington hinüber. Aber der ernste Mann hatte sich auf einem Sessel in der Ecke der Loge niedergelassen und schaute verdrießlich ins Parkett hinunter.
»Sie sind einfach unverbesserlich, Graf. Aber nehmen Sie jetzt Platz und bringen Sie ruhig Ihre Entschuldigungsgründe vor. Sie kennen ja meine Nichte – ich glaube, auch Mr. Doughton. Er ist einer unserer kommenden führenden Geister.«
Der Graf machte eine Verbeugung und setzte sich neben Lady Dinsmore.
Frank, der nur durch ein Nicken kühl auf den Gruß geantwortet hatte, nahm seine Unterhaltung mit Doris sogleich wieder auf. Lady Dinsmore wandte sich an den Grafen.
»Was können Sie nun zu Ihrer Rechtfertigung vorbringen?« fragte sie etwas abrupt. »Ich lasse Sie nicht so leichten Kaufes entwischen. Unpünktlichkeit ist ein böses Vergehen, und zur Strafe sollen Sie sagen, weshalb Sie nicht gekommen sind.«
Poltavo verneigte sich mit einem strahlenden, liebenswürdigen Lächeln.
»Es war eine recht unangenehme geschäftliche Angelegenheit, die meine persönliche Gegenwart erforderte – auch Mr. Farrington mußte zugegen sein.«
Lady Dinsmore machte eine abwehrende Geste.
»Geschäftliche Dinge können mich nicht versöhnen. Mr. Farrington«, fügte sie mit leiser Stimme vertraulich hinzu, »kann von nichts anderem als von Geschäften sprechen. Als er bei mir wohnte, sandte er dauernd Depeschen, kabelte nach Amerika oder entzifferte Codetelegramme. Weder bei Tag noch bei Nacht war Ruhe im Hause. Schließlich wurde es mir zuviel. ›Gregory‹, sagte ich zu ihm, ›ich dulde es nicht, daß du meine Dienstboten mit deinen extravaganten Trinkgeldern verdirbst und mein Haus zu einem Börsenbüro machst. Es ist besser, daß du deine Hausse-und Baissespekulationen im Savoy-Hotel vornimmst und Doris mir allein überläßt.‹ Diesen Rat hat er auch befolgt«, sagte sie mit einer gewissen Genugtuung.
Graf Poltavo schaute sich nach Mr. Farrington um, als hätte er zum erstenmal etwas von dessen merkwürdigem Verhalten gehört.
»Geht es ihm gesundheitlich nicht gut?«
Sie zuckte die Schultern.
»Offen gestanden, ich glaube, daß er ein wenig kränkelt. Er macht es aber schlimmer, um nicht an unserer Unterhaltung teilnehmen zu müssen. Er kann Musik an und für sich nicht recht leiden. Doris ist sehr besorgt um ihn, und seitdem sie gemerkt hat, daß es ihm nicht ganz gut geht, ist sie zerstreut. Sie verehrt ihren Onkel – Sie wissen doch, daß sie seine Nichte ist?«
Graf Poltavo blickte zu Doris hinüber. Sie saß vorn in der Loge und hatte die Hände leicht im Schoß zusammengelegt. Sie beobachtete das Publikum während der Pause mit einer gewissen Gleichgültigkeit, als ob sie an andere Dinge dächte. Ihre gewöhnliche Harmlosigkeit und ihre frohe Heiterkeit schienen sie im Augenblick ganz verlassen zu haben, und sie war schweigsam, was man sonst nicht an ihr gewöhnt war.
»Sie ist wirklich schön«, sagte Poltavo leise vor sich hin.
Ein gewisser Unterton in seiner Stimme machte Lady Dinsmore aufmerksam, und sie sah ihn prüfend an.
Der Graf erwiderte ihren Blick.
»Darf ich eine Frage an Sie richten – ist sie mit Ihrem jungen Freund verlobt?« sagte er leise. »Glauben Sie mir bitte, daß ich nicht nur aus purer Neugierde frage. Ich – ich bin selbst … interessiert.« Er sprach so ruhig und gesetzt wie immer.
Lady Dinsmore überlegte schnell.
»Ich besitze leider nicht ihr Vertrauen«, antwortete sie schließlich ebenso leise. »Sie ist ein kluges junges Mädchen und fragt niemanden um Rat.« Sie machte eine Pause, fügte dann aber zögernd hinzu: »Sie mag Sie nicht gern, es tut mir leid, wenn ich Ihnen dadurch weh tue, aber das ist ganz offensichtlich.«
Graf Poltavo nickte.
»Das weiß ich. Würden Sie mir einen aufrichtigen Freundschaftsdienst erweisen und mir mitteilen, warum ich ihr unsympathisch bin?«
Lady Dinsmore lächelte.
»Ich will sogar noch mehr als das tun«, erwiderte sie freundlich. »Ich will Ihnen Gelegenheit geben, sie selbst danach zu fragen. Frank!« Sie wandte sich nach vorne und klopfte mit ihrem Fächer auf die Schulter des jungen Mannes. »Würden Sie einmal zu mir kommen und mir sagen, was eigentlich Ihr Chefredakteur damit beabsichtigt, daß er all diese schrecklichen Kriegsgerüchte in die Welt setzt? Darunter leidet doch nur die Saison in den Badeorten.«
Der Graf erhob sich schweigend von seinem Sessel und nahm den leeren Platz an der Seite der jungen Dame ein. Es herrschte zuerst ein peinliches Schweigen, aber Poltavo ließ sich dadurch nicht einschüchtern.
»Miss Gray«, begann er ernst, »Ihre Tante war so liebenswürdig, mir Gelegenheit zu geben, eine Frage an Sie zu richten. Gestatten Sie mir diese Frage?«
Doris zog die Augenbrauen hoch, und ihre Lippen kräuselten sich leicht.
»Eine Frage, auf die Sie und Tante Patricia keine Antwort finden konnten – das muß allerdings etwas Spitzfindiges sein. Wie kann ich hoffen, eine Antwort darauf zu finden?«
Er überhörte den ironischen Ton ihrer Stimme.
»Die Frage betrifft Sie selbst.«
»Ach!« Sie sah ihn mit blitzenden Augen an, und ihre kleinen Füße klopften ungeduldig auf den Boden. Dann lachte sie ein wenig ärgerlich.
»Ich habe nicht viel mit Ihnen im Sinn, Graf, das gebe ich offen zu. Ich habe erfahren, daß Sie niemals sagen, was Sie meinen, oder meinen, was Sie sagen.«
»Verzeihen Sie, Miss Gray, wenn ich Ihnen erkläre, daß sie mich ganz und gar verkennen. Ich meine stets, was ich sage, besonders wenn ich mit Ihnen spreche. Aber alles zu sagen, was ich meine, all meine Hoffnungen und Träume zu offenbaren oder gar offen auszusprechen, was ich zu träumen wage«, er sprach ganz leise, »gewissermaßen mein Innerstes nach außen zu kehren wie eine leere Tasche und den Blicken der Menge preiszugeben – nein, das ist nicht meine Art; es wäre auch töricht.« Er machte eine ausdrucksvolle Geste. »Aber um nun