Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
– Dingo hatte die Bedrohten längst versteckt, daran zweifelte ich nicht. Und wenn er in seiner blinden Tollheit sich soweit vergaß, etwa Dingo wirklich aufzuknüpfen, dann würde man ihm den Prozeß machen, dann würde es zu einem Streik der farbigen Unionarbeiter kommen, die ohne Zweifel geschlossen hinter Dingo standen, – dann würde, wie ich’s hier einst selbst erlebt, der Farbige über den Europäer letzten Endes triumphieren …
Ich rief Bluß zu, und ich meinte es nur gut mit ihm: „Mäßigen Sie sich doch, Kolonel! Bedenken Sie, was Ihnen bevorsteht, wenn …“
Arthur Bluß schien nur rote Nebel zu sehen … Es ist schon etwas an dem allerdings vielfach übertriebenen Gerede vom Tropenkoller. Bluß war nicht mehr normal. Bluß riß die Pistole aus dem Lederfutteral …
Da sprang Dingo wirklich zu, – die Pistole flog in die Büsche, und der schwarze Millionär schleifte den bewußtlosen Kolonel wie einen schlappen Sack in die Vorhalle und warf die Tür zu.
Die Queensländer, noch immer zu Pferde, (vor der Terrasse hielten acht Mann, die anderen waren um die Baulichkeiten verteilt), rührten sonderbarerweise keine Hand, ihrem Chef beizustehen. Ob sie diese Wutausbrüche an ihm kannten, ob sie nicht mit ihm die Verantwortung für das tragen wollten, was hier an Gesetzwidrigkeiten geschah? Sie hatten gehört, daß Bell Dingos Farm durch einen klaren Befehl von höchster Stelle gegen polizeilichen Zugriff geschützt war, sie hatten mit angesehen, wie Bluß dieses Schriftstück zerriß.
Ich wandte mich um, und musterte ihre braunen Gesichter. Sie schauten völlig gleichgültig drein, horchten nur wie ich auf den infernalischen Lärm, der sich jetzt in der Vorhalle erhob. Es schien, als ob dort ein bestialischer Kampf tobte. Wilde Schreie, Schüsse, das Krachen umstürzender Möbel wurden übertönt von Bluß’ heller, messerscharfer Stimme. Mit einem Schlage trat wieder Ruhe ein. – Diese Szenen dort drinnen, meinen Augen verborgen, erinnerten mich an den nächtlichen Kampf in der Bucht, kurz bevor Dingo die Frau aus dem Wasser zog, die sich dann für Ethel Murray ausgegeben hatte und die doch nur Paloma gewesen sein konnte. Ich zweifelte kaum mehr daran, obwohl die Zusammenhänge der Ereignisse mir dunkel blieben.
Das Palasttor flog auf, und Bluß mit blutigem Gesicht trat heraus, gefolgt von fünf seiner Beamten, die den armen Dingo vor sich her schoben.
Dingos Kleider waren Fetzen. Aber auch seine Überwinder hatte er übel zugerichtet. Der Kolonel trat an die Rampe und rief hinab: „Jungens, nun hurtig … Das schwarze Schwein haben wir, und die übrigen finden wir auch … Sie müssen hier sein.“ Seine Unterlippe war nur noch eine bläuliche dicke Pflaume, seine Zähne schienen gleichfalls gelitten zu haben, und das Sprechen bereitete ihm Schwierigkeiten.
Die Reiter johlten ihm begeistert zu. Ich hatte sie doch falsch eingeschätzt. Kolonel Bluß konnte sich auf die Seinen verlassen. Kolonel Bluß war ihr Abgott, schonte sich nie, war ihnen mehr Freund als Vorgesetzter.
Bluß trat zu mir. Ich konnte meine Augen nicht losreißen von Dingos aschfarbenem Gesicht. Ein fürchterlicher Ausdruck lag darin. Es gibt keine Worte, diesen Ausdruck zu schildern.
„Jetzt kommen Sie an die Reihe!“ zischte Bluß mich an. „Wollen Sie reden? Wo sind die Weiber? Wo ist Lord Robert Battingham?“ Bluß’ blutunterlaufene Augen fraßen mich in elementarer Mordgier.
„Ich war hier Gast, und ich hab Ihnen gesagt, was ich zu sagen hatte,“ erklärte ich kalt. „Sie werden diese Stunde bereuen, Oberst! Hier geht es nicht um das, was man Pflicht nennt, sondern um das, was einem Manne das Hirn versengt: Um ein Weib!! Sie verstehen mich wohl.“
Sekundenlang senkte er den Blick. Der Vorwurf hatte getroffen. Es ging eben um die große Narrheit Liebe, und Bluß war vernarrt in sein Opfer, das er gehetzt und verfolgt und nun endlich eingekreist hatte.
„Schade um Sie, Oberst,“ fügte ich hinzu. „Ein Mann, der an einem Unterrock hängt, bleibt ein jämmerlicher Schwächling!“
Es war unklug, ihn noch mehr zu reizen. Sein grelles Lachen war die Einleitung dessen, was folgte. Ich wurde ins Haus geschleppt, zwei Stunden lag ich krumm geschnürt, daß mir fast das Rückgrat brach. Zwei Stunden durchstöberten die Queensländer die Gebäude, den Park, – jeden Winkel. Als die Sonne sank, trug man mich, der ich nicht mehr gehen konnte, zu der Buche am Weiher. Ich lernte Bluß’ teuflischen Galgen kennen. Bluß war in ohnmächtiger Wut erstarrt. Er hatte nichts gefunden … nichts. Und ich hatte Bell Dingo nicht mehr zu Gesicht bekommen.
13. Kapitel
Vergangenheit und Gegenwart
Australiens Zivilisation hört am Rande der Wüstenstriche des Inneren auf. Und diese Wildnis ist größer als die Hälfte des fünften Kontinents. Daß man dort Eisenbahnlinien hindurchgeführt hat, daß dort auch vereinzelte Siedlungen zu finden sind, will nichts besagen. Es bleibt ein halbkultiviertes Land.
Die Wildnis hatte ihre eigenen Gesetze. Ich war der letzte, dies nicht anzuerkennen. Dort, wo vielleicht alle fünfzig Meilen ein paar Wellblechbaracken und eine Polizeistation anzutreffen sind, wo in den Randminendistrikten tausende von Arbeitern aller Nationalitäten nur durch die unvermittelte Drohung eines Baumastes und einer Schlinge im Zaum gehalten werden können, wäre ein Strafgesetzvollzug, der die Besserung anstrebt, eine lächerliche Torheit. Ein wildes Land erfordert Kerle aus Stahl, die Gesetzesbrecher auszutilgen. – Man schaue in australische Zeitungen, … Zehn chinesische Minenarbeiter überfallen eine kleine Farm und kehlen den Farmer ab, vergewaltigen die Frauen, rauben Geld und Gold und zünden die Gebäude an. – Bluß ermittelt die Täter. Sieben fallen durch Kugeln, drei knüpft er auf … –
Oberst Bluß war für dieses wilde Land trotzdem nicht der richtige Mann. Ich hatte seine schwache Stelle bloßgelegt: Er liebte Paloma. Viermal hatte er sie in seiner Gewalt, viermal entfloh sie ihm. Sein Eifer, sie aufzuknüpfen, war blinde Eifersucht.
Ich lag bäuchlings auf meinem Ast und beobachtete die fressenden Stöße der Säge. Es war halb acht abends. Vielleicht hatte ich noch eine halbe Stunde zu leben. Meine Armbanduhr tickte auf meiner Brust, denn mir waren die Hände vorn festgeschnürt. Ich hing mit dem Kopf nach unten, und der Blutandrang zauberte mir blitzende Sterne vor die Augen. Meine Gedanken schlichen immer träger.
Manches, was Rätsel gewesen, war gelichtet. Nicht Ethel Murray, sondern bestimmt Paloma Ruxa war bei mir an Bord gewesen, und der blonde Taucher vor dem Fenster, war Lord Battingham. Er hatte sich für Bluß ausgegeben, und es war seine für Paloma geschaffene Schutzwache, die ich für Queensländer Polizei gehalten hatte. Aber die Rollen Dingos und Ethels bei alledem blieben undurchsichtig. Daß es sich um ganz besonderes gehandelt hatte, war gewiß. Sonst hätte man mich eingeweiht.
Wo steckten Ethel, Paloma, der Lord und Charlie?!
Sie mußten hier verborgen sein. Als ich die Farm mittags verließ, war sie bereits umzingelt.
Der Wind nahm zu, und das gräuliche Kratzen und Nagen der Blattsäge erklang härter als sonst. Ich schielte hin. Und ich atmete auf. Bluß’ feine Folter hatte Erbarmen. Die festgebundene Säge hatte sich gelockert und stand schief, und der Schnitt, den sie erzeugte, verlief so schräg, daß mir neue Frist geschenkt war.
Um das große Farmhaus lungerten des Kolonels Reiter herum, rauchend, schwatzend, lachend, unbekümmert … Aber sie hatten trotzdem die Augen überall … Sie suchten noch immer, wenn auch unauffällig. Bluß hatte sich nicht mehr blicken lassen. Es mochte ihm scheußlich unangenehm sein, hier wiederum einen Fehlschlag erlitten zu haben.
Als ich wieder einmal zum Hause hinüberschaute, wurde dort aus einem Fenster des zweiten Stockes ein langer Balken hinausgeschoben, an dessen Spitze ein Tau mit einer Schlinge hing. Am Fenster zeigte sich auch Bluß, er erteilte seinen Leuten Befehle, er schob den Balken noch weiter ins Freie, – ich hörte Hammerschläge, und dann zog einer der Queensländer das Tau mit einer Stange ins offene Fenster. Hinter dem Manne stand der gefesselte Dingo.
Er sah mich. Er nickte mir zu, und