Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
Äste fast taktmäßig schwingen ließ?! Es war der Abendwind der australischen Nordküste, und dieser Wind war die Kraft, die mich langsam töten sollte, damit ich verriete, was ich selbst nur lückenhaft wußte.
Wie war das damals …?! – Auch das ist verwelkt … Ich werde es aufblühen lassen. Es ist ein böses Kapitel.
Am künstlichen Weiher stand da eine Buche mit ausgesprochen blauen Blättern. Zwei Äste hingen weit über dem Wasser, und Kolonel Bluß hatte eine Phantasie gezeigt, die durch die Instrumente der Folterkammern des finstersten Mittelalters kaum übertroffen werden konnte.
Der eine Ast trug mich bäuchlings, gefesselt, der andere die lange breite Blattsäge, die vorn beschwert war. Jeder Windstoß trieb die Säge tiefer in meinen Ast, und ich konnte ziemlich genau vorher berechnen, wann er unter meiner Last brechen würde und ich hinabgleiten mußte und am Halse aufgehängt werden, bis ich stürbe.
„Wenn Sie sich eines besseren besonnen haben, können Sie rufen,“ hat der Kolonel gesagt und war mit seinen Leuten zurückgekehrt in den Ruxa-Palast. Nur eine Wache blieb bei mir und langweilte sich und rauchte Pfeife. Drehte ich den Kopf nach links, dann sah ich die Säge arbeiten und die dunkle Holztür zu dem düsteren Grabmal der Eltern Ethels und Palomas. Rechts sah ich die Wasserfront des prächtigen Farmhauses … –
Manches war noch vordem geschehen.
Ich zitterte um Ethel, und als der Ring der etwa vierzig Queensländer sich immer enger um die Gebäude zog, fieberte ich wie ein Kranker und war doch nur ohnmächtiger Zuschauer.
Bluß gab ein letztes Signal, und wir ritten im Galopp durch den Park bis vor die Terrasse.
Plötzlich ging die Flügeltür auf, und Bell Dingo in einem weißen Anzug, den nur ein erster Schneider gefertigt haben konnte, in seidenem Hemd, koketter Krawatte und blendend zarten Schuhen trat dem erhitzten, verschwitzten Kolonel gegenüber.
„Ich heiße Sie willkommen, Oberst,“ sagte er in einem besseren Englisch, als ich es je gesprochen habe. „Befinden Sie sich auf einem Ausflug? Denn dienstlich hätten Sie hier im Nordterritorium nichts zu suchen. Hier ist nicht Queensland, und ich habe mir erlaubt, Ihren Kollegen aus Borraloola telephonisch herbeizurufen, damit Sie nicht Ungelegenheiten mit unserem Gouverneur haben, der den Queensländern nicht gerade gewogen ist.“
War das noch mein bescheidener Ai Ai, der dem gefürchteten Bluß so kühn unter die Nase rieb, daß er hier nichts zu suchen hätte?!
Bluß schien jedoch auf Ähnliches vorbereitet gewesen zu sein. Er stieg gelassen vom Pferde, zog ein Papier aus der Tasche … „Sie können ja lesen, Dingo …“
„Mr. Dingo,“ verbesserte der schwarze Farmer. „Immer noch Mr. Dingo … Nicht einmal der Herr Generalgouverneur würde mich so plump vertraulich anreden, und – was soll der Wisch da?“
Ich hielt den Atem an. Würde der Kolonel auch das einstecken?! Wer war Dingo?! Doch schließlich nur ein reich gewordener Australneger! Ich kannte ja den grenzenlosen Hochmut aller Engländer gegenüber Farbigen.
Arthur Bluß biß sich auf die Lippen. Und die lagen jetzt frei. Der falsche Bart war verschwunden, und dieser Mund, von dem sich zwei Falten wie Wülste zum Kinn verloren, verhieß nichts Gutes.
„Lesen Sie das, was Sie Wisch nennen,“ sagte der Kolonel unheimlich ruhig. „Lesen Sie, und dann …“
Bell Dingo hatte das Papier schon entfaltet. „Ach so – eine besondere Vollmacht für Sie, Mr. Bluß, ausgestellt vor einem Monat im Büro des Generalgouverneurs.“
„Ja – geltend auch für das Nordterritorium, Mr. Dingo!“
„Allerdings, nur nicht für den Bezirk meiner Farm …“ Und dieser verteufelte häßliche Schwarze faßte in die Brusttasche, holte eine Brieftasche mit Goldbeschlägen hervor und entnahm ihr möglichst umständlich ein Papier mit großem durchgedrückten Siegel. „Auch vom Generalgouverneur, Mr. Bluß,“ meinte Freund Ai Ai mit gleichbleibender höflicher Sachlichkeit, „aber ausgefertigt vor drei Wochen, also jünger als Ihre Vollmachten. Ich bin hier auf der Ruxa-Farm bereits viermal Palomas wegen ganz unnötig belästigt worden, und deshalb enthält dieses Schriftstück den ganz unzweideutigen Befehl an sämtliche Polizeibeamten des Landes, nur mit meiner Genehmigung hier irgendwelche Durchsuchungen oder sonstigen behördlichen Maßnahmen vorzunehmen. Lesen Sie, Mr. Bluß.“
Der Oberst riß ihm den dicken Bogen aus der Hand und gab ihn ihm schweigend zurück. Es war ein unheilverkündendes Schweigen, und ich glaubte allen Ernstes, Bluß würde sich den Teufel was um diese schriftliche Rückendeckung Dingos kümmern und verdammt kurzen Prozeß machen.
Ich irrte mich. Bluß war dunkelrot, und sein Unterkiefer hatte sich noch weiter vorgeschoben, die Kinnfalten waren wie Muskelstränge gespannt und in seinen Augen loderte es vor verhaltenem Grimm.
Er holte ganz tief Atem. Sein Atem pfiff wie ein Blasebalg, und seine Stimme klang ganz fremd, als er sagte:
„Sie, Mr. Dingo, sind der erste Neger im australischen Parlament, Sie sind Mitglied verschiedener Regierungskommissionen … Trotzdem würde ich die Ausnahmestellung, die Ihnen verbrieft ist, nicht im geringsten respektieren, wenn Sie mir die Erlaubnis zur Durchsuchung der Gebäude, des Parkes und der Umgebung verweigern wollten.“
„Keineswegs …“ nickte der schwarze Millionär. „Suchen Sie ganz nach Belieben … Aber – was suchen Sie?“
Der Kolonel, wirklich ein Prachtkerl und anderthalb Köpfe größer als der freilich breitschulterige Dingo brüllte jetzt los …
„Weil Paloma hier ist, wahrscheinlich auch Ethel Murray und der blonde Narr, der sich durchaus Palomas wegen hängen lassen will …!“
Bell Dingo lächelte sanft. „Wie kommen Sie auf diese geradezu alberne Vermutung?! Ich hätte wirklich Lust, meine Erlaubnis zurückzuziehen und Sie zu ersuchen, schleunigst wieder davonzureiten. Aber ich sehe zu meinem Bedauern, daß Sie einen Herrn, der heute ein paar Stunden mein Gast war, irrtümlicherweise verhaftet haben. – Wo geschah dies, Mr. Elsen?“ wandte er sich an mich.
Bluß fuhr dazwischen. „Weg von dem Manne, schwarze Kröte!!“ Er war jetzt fahl vor Erregung … „Der Mann ist mein und bleibt mein, und du, elender Nigger, sollst mich nun gleichfalls kennen lernen!!“
Der Kolonel hatte jede Selbstbeherrschung verloren. Er stieß Dingo zurück und versetzte meinem Gaul einen Hieb gegen die Nüstern, daß der Braune einen Satz rückwärts tat. Nur durch Schenkeldruck bekam ich das Pferd zur Ruhe. Ich blickte auf Bell Dingo, und ich sah in seinem Gesicht genau dieselbe Veränderung wie damals in meinem Arbeitsraum der Insel … In diesem Moment gab ich für Arthur Bluß’ Leben keinen Penny … Diese Beleidigungen würde er niemals ungerächt hinnehmen, – er, Mitglied des Parlaments und sicherlich Vertreter der gesamten Eingeborenen des Landes …
Zu meinem Erstaunen sprang er jedoch dem Kolonel nicht an den Hals, – seine Eisenfaust hätte Bluß für alle Zeit erledigen können. Er war der Beherrschtere, er sagte nur unnatürlich heiser: „Dies wird Sie Ihre Stellung kosten, Oberst Bluß!“
Der andere, nur noch ein Bündel zitternder Nerven, lachte schrill. „Das weiß ich, du schwarzer Hund … Aber dich wird es das Leben kosten …!!“ Und mit flinken bebenden Fingern zerriß er Dingos Urkunde in mehrere Stücke, schob sie in die Tasche und höhnte in billigem Triumph: „So – nun werden wir ja hier sehen, was wir hier finden … Ich werde finden, und dann baumelst du!!“
In gewissem Maße war dieser explosionsartige Wutanfall des Kolonels begreiflich. Er mochte wohl genügend Beweise dafür haben, daß die Schwestern hierher geflüchtet waren. Er hatte Paloma Ruxa seit zwei Jahren verfolgt, er hatte die Säuberung der Minendistrikte von räuberischem Gesindel als seine Lebensaufgabe betrachtet, er hatte Tom Smeet, Billy Frank, Smardy und andere Bandenführer an den Galgen gebracht, nur ausgerechnet die frechste, kühnste und erfolgreichste der „berühmten“ Desperados war ihm bisher stets entwischt: Das Kreuz der Wüste, Paloma Ruxa! Sollte er sich nun vielleicht um den Enderfolg monatelanger Bemühungen durch Dingo