Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
in seinem Munde war auch kein Schurzfell.
Sussik war auch mehr tot als lebendig. Er hatte tagelang in der Grabkammer auf Teilen des wahren Eigentümers gelegen und sicherlich nie mehr gehofft, daß er je wieder die Sonne wiedersehen würde.
Als Tübbicke und ich ihn durch das von mir in die Mauer gebrochene Loch ins Freie schafften, wurde er ohnmächtig. Aber ein Bischarin hat eben eine andere Widerstandskraft als ein Europäer, und wenn Sussik auch alle Rippen zu zählen waren, wenn auch die Stelle des Bauches eine Grube darstellte: Ohnmächtige Bischarin erholen sich sehr bald, und nachdem er erst ein paar Streifen Bratfleisch, obwohl es schon stark duftete, verschlungen und Wasser mit Whisky geschluckt hatte, bat er in überraschend höflichem Tone und ganz nettem Englisch um ein Stück Decke als Umhang.
Tübbicke, als Krankenpfleger eine Perle, erklärte freundlichst, daß wir leider nicht in der Lage seien, eine Decke zu zerschneiden … »Aber hier hast du die meine vorläufig, mein Sohn … Ich werde sie zwar gründlich lüften müssen, da deine Haarpomade allzu stark nach Hammel duftet, — wenn schon!«
Tübbicke blieb bei dem neuen Gefährten, der uns lediglich seinen Namen nannte, aber über die Gründe für sein »Begräbnis« zu schweigen vorzog, — Gupa und ich ritten zu dem Riesengrab der Karawane, denn dort hofften wir so manches herauszuwühlen, was uns dringend fehlte.
Wie reich die Ausbeute dieser fünfstündigen Arbeit war, wie rasch dabei Freund Gupas Arm abschwoll, wie gierig wir die Kisten aufschlugen, mit welchem Genuß ich wieder mal eine Zigarre anzündete … — was da alles im Sande aufgestapelt wurde, und wie sorgfältig wir die menschlichen Skeletteile sammelten und nebenbei vergruben, sehr gern denke ich an jene Stunden zurück, in denen wir Ströme von Schweiß vergossen … —
Etwa zwanzig Jahre war es her, als diese Expedition hier zu Grunde ging. Wahrscheinlich durch einen tagelangen Glutsturm, wahrscheinlich infolge völliger Erschöpfung, denn an keinem der vierzehn Menschenschädel nahmen wir Spuren von Verletzungen oder Kugeln wahr, — im Kampfe waren diese Unglücklichen nicht gefallen, das Gold hatte sie gemordet … —
Ich fand auch die letzten Aufzeichnungen des Expeditionsleiters in einer der Kisten … So stieß ich auf den Namen Archibald Houston.
Houston!
Sollte es ein bloßer Zufall sein, daß jetzt ein Howard Houston mit großem Troß hier weiter nördlich sich als Filmregisseur betätigen wollte?! »Der Name ist zu häufig,« wies Gupa meine Vermutungen zurück. Wir musterten unsere Schätze. Um all das wegschaffen zu können, dazu hätten fünf Lastdromedare gehört.
Während Gupa und ich noch mißmutig dastanden und einsahen, daß wir uns im Grunde ganz zwecklos all die Stunden abgequält hatten, näherten sich Tübbicke und Sussik mit den Tieren. Der Bischarin riß die Augen vor Staunen gefährlich weit auf. Aber sofort besann er sich auf das Wenige, was er den Europäern abgelauscht haben mochte, — er milderte die Verblüffung seiner verhungerten Züge und sagte: »Das hat niemand von meinem Volke geahnt, daß diese Düne solche Schätze enthielt. Allerdings meiden wir dieses Tal der Toten, und nur selten wagt eine Abteilung unserer Stämme drüben in der Oase zu rasten.«
Es waren die ersten längeren Sätze aus seinem wulstigen Munde, sie waren an mich gerichtet, mich betrachtete er als seinen Retter.
Er wurde nun überhaupt gesprächiger. Die Bischarin sind keine verschlossenen Nomaden, sie tragen das Herz auf der Zunge, aber sie lügen auch mit seltener Virtuosität. Vielleicht liegt dies daran, daß diese Kinder eines Landes, das heute noch, wie ich betonen möchte, keineswegs ganz erforscht ist und von Europäern kaum besucht wird, eine Vorliebe für Märchen haben. Die Anzahl ihrer überlieferten Sagen und Abschnitte der Geschichte ihres Volkes ist sehr groß. Greise, die frei erfundene Geschichten am Lagerfeuer erzählen, werden hoch geachtet. Ein Naturvolk mit so reger Phantasie empfindet die Lüge daher nie als etwas Verwerfliches.
Sussik begann zu fragen. — Wohin wir wollten? Was wir vorhätten? — Immer wandte er sich an mich, und in seinen dunklen Augen lag mir gegenüber stets ein Ausdruck dankbarster Ergebenheit. — Es ist eigentümlich, daß uns eine innere Stimme häufig schon beim ersten Zusammentreffen mit einem Menschen zuraunt, wir dürfen gerade ihm volles Vertrauen schenken. So erging es mir Sussik gegenüber. Ich sagte ihm die Wahrheit.
»Wir suchen einen Ort, der von hier kaum mehr anderthalb Tagesritte entfernt sein kann. Dieser Ort dürfte entweder sehr schwer zugänglich oder noch schwerer zu finden sein.«
Er blickte mich unverwandt an. Ich fügte hinzu »Eine Frau, eine Weiße, kennt den Ort bestimmt …: Lady Jane Cordy!«
Als dieser Name sein Ohr erreichte, trat er unwillkürlich einen Schritt zurück, verneigte sich ganz tief und sagte:
»Lady mit dem guten Herzen!« Es war, als ob er den Namen einer Gottheit ausspräche, so feierlich und ehrfurchtsvoll klang es.
Dann blickte er mich schärfer an. Mißtrauen war in seinen Augen. »Seid ihr Freunde Lady Cordys?« fragte er bedächtig.
»Weder Freunde noch Feinde. Wir wissen nur, daß Lady Janes Gatte eine Frau geraubt hat, die er hierher bringen wird, und diese Frau wollen wir befreien, es ist eine Fürstin Wera Zubanoff.«
Sussik schaute an mir vorüber ins Weite. Er überlegte offenbar. »Mr. Olaf,« erklärte er erst nach geraumer Zeit, »ich werde euch zu dem Orte hinführen … Vielleicht ist es der richtige. Es gibt hier in weitem Umkreise nur eine einzige Oase mit uralten Mauerresten, zu der man nur gelangen kann, wenn man den Pfad schon einmal gegangen ist — den Pfad! Ich betrat ihn noch nie, aber unsere alten Männer berichten von einer Zeit, in der …« — er stockte, machte eine abschließende Handbewegung.
»Wir werden finden!« —
Was wir von den ausgegrabenen Dingen nicht mitnehmen konnten, verbargen wir im Sande. Am Spätnachmittag brachen wir auf. Sussik wollte es so. »Die Nacht, Mr. Olaf, ist die Freundin der Geheimnisse.«
Er bekam unser Packtier. Ich ritt mit ihm voran, ich wollte mir auch so weit sein Vertrauen erringen, daß er mir Näheres über Lady Jane Cordy und deren Beziehungen zu den Bischarin sowie über seine eigenen letzten Erlebnisse berichtete. Er war jedoch nur zu kärglichen Aeußerungen zu bringen, die das Dunkel in keiner Weise lüfteten. Sussik gab nicht einmal zu, daß er Lord James kenne, und doch war ich davon fest überzeugt, mehr noch: Sussik und mein Feind Cordy hatten wohl untereinander so manches abzumachen. —
Nächtlicher Ritt …
Der Mond als Sichel am Himmel, kein Wölkchen sonst, das Firmament in unbeeinträchtigter Pracht, und die endlose Wüste nur belebt von all den schattenhaft dahinhuschenden Tieren, die tagsüber in ihren tiefen kühlen Felslöchern ruhen … —
Sussik führte uns zumeist durch steinige flache Täler, machte weite Umwege, — alles nur, um unsere Fährten zu verbergen. Zweimal sahen wir in der Ferne Lagerfeuer und ruhelose dunkle Gestalten: Schafherden der Bischarin. Zweimal ließen wir kleinere Trupps Bischarin vorüber …
Dann beschleunigte Sussik das Tempo. Wir durchquerten kahle Berge, wir kamen gegen Morgen wieder in die flache, aber wellige Wüste, vor uns stiegen Sanddünen hoch, der Sand wurde immer weicher, lockerer und feiner, die Tiere sanken tief ein, — da hielt Sussik mitten zwischen phantastischen gelbweißen Riesenhügeln, deren Kämme vom Wind zu den seltsamsten Gebilden geformt waren.
»Wartet hier,« sagte der junge Bischarin, nahm seine Büchse, Erbstück der verwehten Karawane, und schritt zu Fuß nach Norden.
Tübbicke und Gupa lagerten sich, aber in mir war eine Unruhe, die auch mich davontrieb. Wrangel begleitete mich, wir gingen in entgegengesetzter Richtung — auf gut Glück … Vielleicht konnte ich einen Hasen erlegen, vielleicht war es auch etwas Anderes, mir selbst Unbewußtes, das mich in diese Dünen hineinlockte, die niemand erklettern konnte, da der lockere Sand stets nachgab und man nur immer einen Schritt vorwärts und drei rückwärts tat.
Wir hielten uns in den Tälern, der Hund und ich …
Wir sahen nicht einmal eine Springmaus. Hier gab es weder Grashalme noch lebende Wesen,